Nachdem Agatha und Barbara, den beiden grossen Beachvolleyballerinnen Brasiliens, nur Silber geblieben ist, wird der Erwartungsdruck auf ihre Landsleute Bruno Oscar Schmidt und Alison Cerruti vor dem Männer-Final in der Nacht auf Freitag zur tonnenschweren Last.
Brasilianischer Sehnsuchtsort: Die Beachvolleyball-Arena an der Copacabana fasst 12'000 Zuschauer.
(Bild: Keystone/KIN CHEUNG)Brasilianische Hoffnungsträger im Männer-Final: Alison Cerruti (links) und Bruno Oscar Schmidt.
(Bild: Reuters/PILAR OLIVARES)Adrenalingeladenes Duo: Alison Cerutti (links) und Bruno Oscar Schmidt.
(Bild: Reuters/PILAR OLIVARES)Der unerfüllte Traum: Die Weltmeisterinnen Agatha Bednarczuk und Barbara Seixas Figueiredo verlieren das Endspiel der Frauen.
(Bild: Reuters/ADREES LATIF)Die Deutschen Laura Ludwig (links) und Kira Walkenhorst holen als erstes europäisches Duo überhaupt Gold an olympischen Beachvolleyball-Spielen.
(Bild: Reuters/TONY GENTILE)Olympia spektakulär: Die Beachvolleyball-Arena liegt direkt an der Copacabana.
(Bild: Reuters/Ricardo Moraes)Olympia spektakulär: Die Beachvolleyball-Arena an der Copacabana mit ihren 12'000 Zuschauerplätzen.
(Bild: Reuters/IVAN ALVARADO)Olympia spektakulär: Die Beachvolleyball-Arena an der Copacabana.
(Bild: Reuters/RICARDO MORAES)Olympia spektakulär: Die Beachvolleyball-Arena bietet beste Meersicht.
(Bild: Keystone/PETER KLAUNZER)Olympia spektakulär: Die Beachvolleyball-Arena an der Copacabana.
(Bild: Reuters/CARLOS BARRIA)Die Copacabana, die Olympischen Ringe, dahinter ein Kriegsschiff im Atlantik, unten fesche Samba-Tänzerinnen – das ist die Aussicht von der Tribüne beim Beachvolleyball. Nimmt man dazu noch die Buhrufe bei Angaben von brasilianischen Gegnern, dann hat man hier quasi die ganzen Spiele im Kompaktformat – diese manchmal so fröhlich-anarchischen, manchmal so chaotisch-gefährlichen, manchmal auch unfairen Spiele. Immer am Anschlag, immer flirrend, so wie Rio de Janeiro, so wie das Adrenalin der Beachvolleyballer, die jeden Punkt bejubeln wie einen Lottogewinn.
In den frühen Morgenstunden hat das deutsche Frauen-Duo Ludwig/Walkenhorst gegen die Brasilianerinnen Ágatha/Bárbara den Olympiasieg in zwei Sätzen geholt und den Brasilianern die Freude kurzzeitig gestohlen. In der Nacht auf Freitag (5.00 Uhr MESZ) tritt bei den Männern nun die nächste heimische Hoffnung, das Tandem Alison/Schmidt, zum Showdown um Gold an. In einem dramatischen Match gegen die Niederländer Brouwer/Meeuwsen qualifizierten sie sich so gerade eben für das Endspiel. Das Fort Knox des Beachvolleyballs wurde vorerst verteidigt.
An der Copacabana wurde der Beachvolleyball geboren, wobei Kalifornien und Hawaii ebenfalls Urheberrechte reklamieren. An der Copacabana wäre Brasilien jetzt beinahe erstmals seit 20 Jahren ohne Männerteam im Finale geblieben. Die Brasilianer leiden Höllenqualen im dritten Satz, erst ein Schmetterball von Schmidt zum 16:14 verhindert ein Desaster, das umso unpassender gewesen wäre, als Brasilien am selben Dienstag schon genügend Desaster in seinen wichtigsten Sportarten erlebte.
Die Erlösung an mythischem Ort
Unerwartet scheiterten die Fussball-Frauen im Halbfinale gegen Schweden nach Elfmeterschiessen. Völlig unerwartet die Volleyball-Frauen im Viertelfinale gegen China mit 2:3-Sätzen. Dramatische Bilder, heulende Spielerinnen. Zum Glück haben die männlichen Fussballer den Final im Maracana erreicht, wo sie ausgerechnet auf Deutschland treffen. Und da sind noch Alison/Schmidt.
«Gerade noch das Zebra ausgesperrt», heisst es abends im Fernsehen über Alison/Schmidt: das Steppenpferd wird in Brasilien zur Umschreibung von schockierenden Aussenseitersiegen bemüht. Es wäre ein stattliches Zebra gewesen, die beiden sind schliesslich Weltmeister. Bei Olympia werden sie von einem Betreuerstab aus 20 Personen begleitet, nichts soll dem Zufall überlassen werden, nachdem Alison mit seinem ehemaligen Partner Rego in London «nur» die Silbermedaille gewann, unterlegen im Finale dem deutschen Zebra Brink/Reckermann.
Die Erwartungen des ganzen Landes sind riesig
Nun kämpfen sie mit dem Druck einer ganzen Nation. Wenn man Schmidt nach dem Match gegen die Niederländer so aus dem Interviewbereich gehen sieht, dann ahnt man, wie erschöpfend dieser Kampf ist. Natürlich sieht er gut aus, braungebrannt wie alle Beachvolleyballer, die weisse Kappe und grünliche Sonnenbrille immer noch im Gesicht. Aber er scheint fast zum Ausgang zu torkeln.
Bruno Oscar Schmidt wirkt, als bräuchte er dringend Urlaub, an einem Strand ohne olympisches Beachvolleyball. Als wünschte er sich tatsächlich, dieses Turnier würde überall anders stattfinden, nur nicht in Brasilien, nicht in Rio de Janeiro, und erst recht nicht an dieser mythischen Copacabana.
Das Heimspiel hat auch etwas Beschwerendes
Der Gang nach dem Spiel vor die Presse wird zum Verhör, man kennt das Protokoll von der Heim-WM der Fussballer vor zwei Jahren. Warum sie sich bloss so schwergetan hätten gegen die Holländer? Da spricht Bruno vom Druck, den Gefühlen, der Bedeutung, den Fans. «Es ist nicht leicht, zu Hause zu spielen, nicht leicht, die Emotionen zu kontrollieren.» Die Nachrichten der Freunde, alles gut gemeint, klar, aber alles auch «etwas beschwerend».
Bruno Oscar Schmidt ist Enkel eines Deutschen, sein Onkel war Brasiliens bester Basketballer: Oscar Schmidt, eine der Sportlegenden, die bei der Eröffnungsfeier die olympische Flagge ins Stadion trugen. Zu Ehren dieses Onkels bekam Bruno seinen zweiten Vornamen, ein Sportler also gewissermassen seit der Geburtsurkunde.
Mit Olympia hat auch ein zweiter Onkel zu tun, Tadeu Schmidt. Er ist einer der bekanntesten Sportmoderatoren Brasiliens. Beim Finaleinzug seines Neffen kommentierte er an der Copacabana – und weinte vor der Kamera.
Alison, das Mammut, spürt keinen Druck
Auch das kennt man von der WM 2014. Da kann es also nicht schaden, dass Alison Cerruti ein ganz anderer Charakter ist als der leidenschaftliche Schmidt. Ein ruhiger, sanfter Bär. Oder auch ein Mammut, so lautet sein Spitzname, den er sich an der rechten Hüfte eintätowiert hat. «Zu Beginn meiner Karriere war ich eher faul und ziemlich behaart», erklärte er mal. «Ich bewegte mich schwerfällig, und als der Film ‹Ice Age› ins Kino kam, nannten mich meine Freunde plötzlich Mammut.»
Wer so viel Selbstironie hat, der kann wohl auch mit Heimspielen umgehen. Alison drückt einem die Hand mit seiner kräftigen Pranke. «Ganz ehrlich, ich spüre keinen Druck», sagt er. «Ausserdem geht das ja seit dem ersten Tag so, jedes Spiel ist ein Finale.»
Das echte steigt jetzt gegen die Italiener Nicolai/Lupo, an der Copacabana, «dem Maracanã des Beachvolleyballs», wie Alison sagt, bevor er zum Ausgang geht. An der Strandpromenade klatscht er noch mal ein paar Schaulustige ab. Kleine Reminiszenz an die Zeiten, als Beachvolleyball an der Copacabana noch ganz unbeschwert war.
__
» Das olympische Beachvolleyball-Turnier im Detail
Die K.o.-Runde der Männer im olympischen Beachvolleyball-Turnier.