Bis jetzt wird im Baselbieter Wahlkampf fast nur über Namen geredet. Dabei gäbe es Interessanteres: die Sachpolitik. Ja, tatsächlich: ideologiefreie Sachpolitik – und das im Baselbiet.
Nussbaumer bei der SP – klar. Sonst: Weber, de Courten, Ryser, Straumann, allenfalls Wenger bei der SVP.
Viel ist in den vergangenen Tagen über mögliche Kandidaten für die Regierungswahl vom 3. März gesagt und geschrieben worden. Den Parteien ging es dabei eigentlich weniger um die einzelnen Namen als um ihre eigenen Machtansprüche. Und je länger sich die Bürgerlichen uneinig waren, desto eher schien die Wahl gelaufen zu sein – gegen sie und für Eric Nussbaumer (SP), der sich schon seit Monaten auf die Gelegenheit freut, endlich, endlich Regierungsrat zu werden und den finanziell angeschlagenen Kanton zu retten.
Gefährlich werden könne ihm nur noch ein Mann, sagten auch bürgerliche Politiker: Nussbaumer selbst, der Populäre, aber eben auch Impulsive und etwas gar Selbstsichere. Gut möglich, dass der Twitter-Neuling noch irgendeine Dummheit verbreitet; die 140 Zeichen reichten bequem, um eine Karriere zu zerstören. Vorbilder dafür gibt es ja schon mehr als genug.
Allein darauf vertrauen wollen die Bürgerlichen aber offenbar doch nicht. Darum hat die SVP-Spitze die Kandidatenkür – entgegen früherer Ankündigungen – nicht der Parteiversammlung vom 17. Januar überlassen, sondern Mitte Woche selbst entschieden: Thomas Weber (51) soll es am 3. März für die SVP richten.
Weber – der andere SVPler
Damit kann die schon tausendfach totgesagte BüZa (Bürgerliche Zusammenarbeit) einmal mehr auferstehen – wie schon so häufig, wenn es im Baselbiet wieder einmal um irgendeinen Posten geht. Denn Weber ist ein Politiker, mit dem die FDP und die CVP gut leben können. Strikt in Finanzfragen und freundlich im Ton. Ein «moderater SVPler» eben, wie jetzt überall gesagt wird.
Da ist die CVP auch gerne bereit, die politische Mitte bereits wieder zu verlassen, die sie vor ein paar Monaten noch selbst erfunden hat. Das ist möglicherweise ein schlauer Zug im Hinblick auf die Gesamterneuerungswahlen 2015, bei der die alte Bande sicher nicht schaden wird. Eher unschön ist die neuste Wende der CVP dagegen für die Grünliberalen und ihren Kandidaten Gerhard Schafroth, der nun ziemlich einsam in der Politlandschaft steht.
So läuft die ganze Wahldebatte auf einen interessanten Zweikampf hinaus. Für Weber spricht, dass das Baselbiet traditionell eher bürgerlich ist. Gegen ihn seine fehlende Bekanntheit. Und der Schlamassel, den die Bürgerlichen in den vergangenen Jahren mit ihrer Finanzpolitik angerichtet haben. Vor diesem Hintergrund wird es Weber schwer haben, dem Volk zu erklären, warum das Baselbiet weiterhin eine bürgerliche Regierungsmehrheit braucht.
Wo bleibt das Wachstum?
Vielleicht ist das alles aber gar nicht so wichtig. Vielleicht ist viel wichtiger, was sich ebenfalls in dieser Woche im Haus der Wirtschaft, Sitzungszimmer Nummer 1, abgespielt hat. Christoph Buser, Direktor der Wirtschaftskammer und FDP-Landrat, hat dort am Montag neue Studien zu Salina Raurica vorgestellt, der Brache, die sich zum wichtigsten Wirtschaftsgebiet im Kanton entwickeln soll. Oder besser gesagt: sollte.
Trotz grosser Pläne hat die Baselbieter Regierung in den vergangenen Jahren nämlich auch in Salina Raurica nur sehr wenig zustande gebracht. Und Buser nannte am Montag auch die Gründe dafür: schlechte Organisation und mangelnde Bereitschaft in Vorinvestitionen für Strassen.
SVP-Nationalrat Thomas de Courten hat ihn wegen ähnlichen Äusserungen zu Salina Raurica früher schon einmal «Kommunist» geschimpft, aus grundsätzlichen Vorbehalten gegen staatliche Interventionen und damit auch gegen Vorinvestitionen. Aber das ist Buser egal, weil er sich in erster Linie für den Kanton interessiert und nicht für irgendwelche Ideologien.
Die Zeit der Ideologen läuft ab
Der höchste Vertreter der Wirtschaftskammer macht also Sachpolitik und übt Kritik, auch an der bürgerlichen Regierung – unter dem früheren Direktor, dem allmächtigen Hans Rudolf Gysin, hätte es so etwas nie gegeben. Dafür war er viel zu sehr Taktiker. Und dafür ging es ihm viel zu sehr um Posten für die Seinen, die Bürgerlichen.
Ebenso neu ist, dass sich ein SVP-ler positiv über Gemeindefusionen äussert – so wie Thomas Weber im Gespräch mit «Onlinereports». Bis jetzt sprachen im Baselbiet fast nur linke, grüne und Mittepolitiker davon, dass viele Gemeinden zu klein seien für all die Aufgaben, die sie eigentlich übernehmen müssten.
Natürlich kann man von Buser und Weber nun sagen, sie würden sich mit ihren neuen Ideen einfach etwas wichtig machen.
Man könnte es aber auch positiv sehen und zum Schluss kommen, dass die Zeit der Ideologen abläuft – auch wenn sich in diesem Wahlkampf noch einmal die alten Fronten zeigen. Links gegen rechts. SP gegen BüZa.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 11.01.13