Beim Karikieren scheiden sich die Geister

Soeben wurde nach den Charlie-Hebdo-Anschlägen auch Dänemark von politisch-motivierten Attentaten erschüttert. Bissige Satire für die einen, beleidigende Provokation für die andern. Beim Karikaturen-Kurs an der Volkshochschule beider Basel stand das Vergnügen im Vordergrund. Angela Merkel ist eine Schildkröte und Helmut Schmidt hat Hängebäckchen.

(Bild: Lukas Tschopp)

Soeben wurde nach den Charlie-Hebdo-Anschlägen auch Dänemark von vermutlich politisch-motivierten Attentaten erschüttert. Bissige Satire für die einen, beleidigende Provokation für die andern. Beim Karikaturen-Kurs an der Volkshochschule beider Basel stand das Vergnügen im Vordergrund. Angela Merkel ist eine Schildkröte und Helmut Schmidt hat Hängebäckchen.

Das geschickte Hantieren mit Block und Bleistift kann viel Vergnügen bereiten, wie ein Besuch des Kurses «Einführung in die vergnügliche Kunst des Karikierens» an der Volkshochschule beider Basel zeigt.

Ziel des Kurses war es, spielerisch zu humorvollen Zeichnungen anzuregen. Geschult wurde das schnelle Abzeichnen von Comicfiguren, aber auch das Erkennen charakteristischer Eigenheiten von realen Personen. Egal ob Depardieus Nase, Helmut Schmidts Hängebäckchen oder Prinz Charles‘ abstehende Ohren: Immer geht es darum, das Charakteristikum mit gespitztem Bleistift zu überspitzen.

Angela Merkel als Schildkröte

Schliesslich sollten die charakteristischen Wesenszüge mit Tieren oder Gegenständen assoziiert werden: «Das Gesicht und die Körperhaltung von Angela Merkel erinnert mich immer an eine Schildkröte», erzählt Kursleiterin Petra Kaster. Und malt sogleich eine Merkel-Schildkröte an die Wandtafel. «Am wichtigsten scheint mir, den emotionalen Ausdruck der karikierten Person richtig rüberzubringen.»

Ein falscher Strich in der Mundpartie, eine zu stark betonte Augenbraue – und die ganze Karikatur ist hinüber. «Üben, üben, üben», hält Kaster die acht Kursteilnehmer an. «Nur durch eine enthemmte, spielerische Federführung wird man zum Profi. Wer sich beim Zeichnen zu viele Gedanken macht, kommt auf keinen grünen Zweig.»

Am Samstagnachmittag skizzierten die Teilnehmer in der Migros die Wesenszüge einkaufslustiger Passanten. Das Wesentliche erkennen und zeichnerisch hervorheben, war die Devise. Zurück im Kursraum ging es darum, Bilder von Prominenten zu karikieren. «Moritz Bleibtreu ist schwierig umzusetzen», mahnt Kaster einen Teilnehmer. «Der macht ein Gesicht wie zehn Tage Regenwetter.»

Rücksichtnahme versus Meinungsfreiheit

Das blutige Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo hat die Diskussion um Erlaubtes und Unerlaubtes in der Welt der Satire neu entfacht: Das Basler Fasnachts-Comité etwa hat die Fasnächtler dazu aufgerufen, den Religionen mit Respekt zu begegnen und deshalb auf Mohammed-Karikaturen zu verzichten.

Der New Yorker Comic-Künstler Art Spiegelmann wiederum hat in einem Interview mit der Wochenzeitung «Die Zeit» die radikale Meinungsfreiheit gepriesen: «Man muss Charlie Hebdo als ein Magazin, das in jede Richtung beleidigt, einfach lieben. (…) Wenn man anfängt, gegenüber einer Gruppe vorsichtig zu sein und Rücksicht zu nehmen und gegenüber anderen nicht, dann ist es schon vorbei mit der Meinungsfreiheit.»

Wichtig: Risikoabwägung

Wo liegen nun die Grenzen zwischen satirischer Überspitzung und gemeiner Provokation? Auch für die freischaffende Illustratorin Petra Kaster keine einfache Frage: «Man muss als Karikaturist nicht alles veröffentlichen. Aber man muss zumindest im Kopf alles andenken dürfen.»

Attentate wie jenes auf Charlie Hebdo rufen Angst hervor. Es sei bedenklich, wenn diese Ängste das freie Denken und Assoziieren blockieren, sagt Kaster. Im Gegenzug wirft sie die Frage auf, wer denn über die Veröffentlichung von Karikaturen bestimmen dürfe: «Sicher nicht solche blutrünstigen Fanatiker.» Trotzdem bedürfe es stets einer Risikoabwägung.

Auch Kasters Karikaturen sorgten bei Lesern für Empörung. Etwa als der «Nebelspalter» eine ihrer Karikaturen zum Thema Körperumfang publizierte: «Da fühlte sich jemand in seinem Wesen beleidigt und hat sehr emotional reagiert.» Solche Reaktionen hätten oft gar nichts mit der Karikatur an sich zu tun. «Da werden Dinge reininterpretiert, die beim Leser Ängste oder Wut auslösen. Das kann man als Künstler gar nicht verhindern.»

«Nicht respektlos werden»

Was bringt denn die Leute dazu, das vergnügliche, aber eben auch umstrittene Handwerk des Karikierens zu erlernen? «Mit wenigen Strichen das Auffällige hervorzuheben, finde ich faszinierend», sagt Kursteilnehmerin Monika Heinrichs aus Basel. «Vom Witzigen bis zum Bösartigen ist da alles möglich.»

Karikaturen regen in erster Linie zum Lachen an, meint Primarlehrerin Barbara Braunweiler aus Bärschwil im Kanton Solothurn. «Den Kurs habe ich besucht, um auch mal eine Karikatur an die Wandtafel zu malen. Ich hoffe, dadurch meine Schüler zum zeichnen motivieren zu können.» Wichtig scheint ihr, dass nach einer zeichnerischen Provokation diese nicht zigmal nachgeahmt wird: «Letztlich geht es immer um Menschen. Und da sollte man nicht respektlos werden.»

Verantwortung liegt auch beim Leser

Karikaturen seien immer Ansichtssache, findet Kursteilnehmer Marcel Bertsch: «Was den einen zum Lachen bringt, ist für den anderen pure Provokation.» Karikaturen dürften auf jeden Fall auch mal bissig oder bösartig rüberkommen, so der Elektromechaniker aus Ittigen bei Bern.

Bilder, und damit auch Karikaturen, bergen immer ein bestimmtes Gewaltpotential. Was dem aufgeklärten Betrachter als harmlos erscheint, kann beim Fanatiker blinde Wut auslösen. Petra Kaster nimmt nicht zuletzt auch den Leser in die Pflicht: «Wenn man emotional labil ist, sollte man sich bestimmte Sachen gar nicht erst angucken.»

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