Rentenalter 65 auch für Frauen, Rentenkürzung um mehr als 10 Prozent. Und zwei Prozent Mehrwertsteuer zur Finanzierung der AHV: So will der Bundesrat die Altersvorsorge langfristig sichern.
«Man muss dass Gesamte der Massnahmen sehen», betonte SP-Bundesrat Alain Berset in Bern mehrmals: Er präsentiere eine «globale Reform» der Altersvorsorge in der Schweiz. Und er versicherte, es gebe die Leistungskürzungen nicht ohne die Zusatzfinanzierungen – und umgekehrt. Jetzt geht sein umfassendes Projekt unter dem Titel «Altersvorsorge 2020» bis im März nächsten Jahres in die Vernehmlassung. Bis Ende 2014 soll das Parlament darüber beraten. Und dann hat 2015 auch noch das Volk an der Urne das letzte Wort.
Zur Begründung seiner Total-Reform, die für sein Departement fast so etwas ist, wie für Doris Leuthard die Energiewende, argumentierte Berset gleich wie seine Vorgänger im Bundesrat es in den letzten 20 Jahren schon oft getan haben: «Die Altersvorsorge ist aus dem Gleichgewicht geraten.» Konkret ortet er jetzt einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf von 8,6 Milliarden Franken im Jahr ab 2030.
Dem will der SP-Bundesrat – nunmehr auch mit dem Segen der gesamten Landesregierung – mit Leistungsabbau einerseits entgegenwirken – und mit Zusatzeinnahmen andererseits:
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Das Rentenalter der Frauen soll von heute 64 auf 65 Jahre angehoben werden, was schon mehr als eine Milliarde einspart.
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Der «Umwandlungssatz» soll von 6,8 auf bloss noch 6 Prozent gesenkt werden. Dadurch erhält der Pensionierte von seiner Pensionskasse auf je 100’000 angesparten Franken nur noch 6’000 Franken Jahresrente, statt wie bisher 6’800 Franken. Was eine Kürzung um mehr als 10 Prozent bedeutet, das bringt nochmals 2 Milliarden.
Leistungsabbau und Mehreinnahmen
Da bleibe aber immer noch eine «Finanzierungslücke» von 3,1 Milliarden, rechnete der sozialdemokratische Sozialminister vor. Und diese will er mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer (MWSt) um maximal 2 Prozentpunkte in zwei Schritten ausbügeln – 1 Prozent bei Inkrafttreten der Reform, ein weiteres «bei Bedarf», was voraussichtlich im Jahr 2030 der Fall wäre.
Dagegen hat der Gewerbeverband schon protestiert. Er möchte die Altersrenten ohne jegliche Kompensation rasch kürzen. Doch Bundesrat Berset – und auch die Mehrheit seiner Landesregierung – sind überzeugt, dass das in der Volksabstimmung ebensowenig Chancen hätte, wie ähnliche Vorlagen in der Vergangenheit.
Als positive Neuerung finden die Versicherten in Bersets Paket darum eine «flexible und individuelle Gestaltung der Pensionierung.» Vorab Personen mit langer Erwerbsdauer und tiefen Einkommen sollen schon ab 62 eine finanziell abgefederte Früh-Rente anstreben können. Es sind dies vor allem Frauen. Und weil diese eine um bis zu 2 Jahre kürzere Lebenserwartung haben, finanzieren sie diese Frühpensionierung teilweise gleich selber.
Wichtig ist dem Bundesrat auch, dass die Milliardenprofite, welche die Privatversicherer mit Pensionskassengeldern der Werktätigen machen, «transparenter und gerechter» verteilt werden. Aufsicht und Durchsicht müssten in diesem Milliardengeschäft rasch verbessert werden, schreibt der Bundesrat.
Widerstand formiert sich
Doch wie der Gewerbeverband die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer, so kritisieren die Privatversicherer diese Massnahmen sogleich harsch. Der Bundesrat presche vor, beklagen sie und melden Widerstand an.
Doch Bundesrat Berset hat im Namen der Landesregierung jetzt schon klar gemacht, dass seine Gesamtreform «Altersvorsorge 2020» weder ein Menu à la carte, noch ein Selbstbedienungsladen sei. Zur Abstimmung werde nur das gesamte «ausgewogene Paket» kommen. Alles andere hätte im Volk nämlich gar keine Chance.