«Bespitzelung gehört zum normalen Betrieb»

Es ist nicht überraschend, dass man das Handy der deutschen Kanzlerin Angela Merkel belauscht hat, sagt der US-Geheimdienstexperte James Bamford, «sondern dass man dabei erwischt wurde.»

NSA-Experte James Bamford: «Die USA haben enorme Fähigkeiten, andere Länder zu bespitzeln. Das Ganze ist eine Einbahnstrasse.» (Bild: zVg)

Es ist nicht überraschend, dass man das Handy der deutschen Kanzlerin Angela Merkel belauscht hat, sagt der US-Geheimdienstexperte James Bamford, «sondern dass man dabei erwischt wurde.»

James Bamford gilt als führender Kenner der US-Geheimdienste. Im Laufe seiner Forschungsarbeiten hat er vor allem tiefe Einblicke in die Arbeitsweise der National Security Agency (NSA) erhalten. Bamford schrieb als erster über die Geheimdienstbehörde, die weltweit Telefon- und Internetverbindungen überwacht.

Sein Buch «NSA – Amerikas geheimster Nachrichtendienst» erschien 1982. Die Recherche dafür hatte ihm den Zorn der Agentur eingebracht, später allerdings verwendete die NSA sein Werk als Lehrbuch. Unter NSA-Direktor Michael V. Hayden durfte Bamford schliesslich direkt in der NSA-Zentrale recherchieren – was bislang unmöglich gewesen war. Daraus entstand das Buch «Body of Secrets», das 2001 erschien. Bamford ist bis heute einer der schärften Kritiker der NSA geblieben.

Die TagesWoche erwischte James Bamford kurz vor dem Abflug von den USA nach Berlin für ein kurzes Interview über die soeben publik gewordenen Bespitzelungsaktionen gegen die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Herr Bamford, gehört es zum normalen Geheimdienstbetrieb, dass ein Staat seine Verbündeten bespitzelt – oder haben wir es hier mit einem Skandal zu tun?

James Bamford: Die Bespitzelung von Verbündeten gehört zum normalen Betrieb. Nicht normal ist, dass man dabei erwischt wird.

Das Weisse Haus informierte sehr ausweichend auf den Bespitzelungsfall Merkel. Wie interpretieren Sie diese Nicht-Information?

Wir haben in der Antwort des Weissen Hauses gesehen, dass die Administration Obama über die Gegenwart und die Zukunft spricht, aber nicht über die Vergangenheit. Es ist offensichtlich, dass die NSA das in der Vergangenheit getan hat. Das Weisse Haus hat – im Grunde genommen – folgendes gesagt: Wir haben Merkel bespitzelt, werden es in Zukunft aber nicht mehr tun. Der grössere Skandal ist aber, dass man überhaupt Personen belauscht. Die USA haben enorme Fähigkeiten, Menschen anderer Länder auszuspionieren. Das Ganze ist eine Einbahnstrasse.

Wo in Europa sind US-Spione besonders aktiv?

In Österreich zum Beispiel. Von hier aus operierten die US-Geheimdienste schon während des Kalten Kriegs, und Österreich ist noch immer ein Treffpunkt für Spione aus dem Osten und dem Westen. 


Seit Edward Snowden, der frühere Mitarbeiter der NSA, Informationen über die Praktiken des Geheimdiensts öffentlich gemacht hat, hören die Abhörskandale nicht auf. Ist das gut oder schlecht?

Ich glaube, es war etwas Positives. Die NSA verwendet grosse Technologie, um Menschen rund um die Welt zu bespitzeln.

Die USA behaupten, mit gross angelegten Lauschangriffen die Welt sicherer machen zu wollen. Was glauben Sie?

Es hat bis jetzt sehr wenige Ergebnisse gebracht, wenn es um Terrorbekämpfung geht.

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