Erwischt werden nur wenige. Die Strafen für Schwarzarbeit sind ein Hohn. Dabei könnte der Staat Millionen holen, im Baselbiet gar das Loch in der Kasse stopfen.
Dem Staat entgehen wegen Schwarzarbeit Millionen Franken. (Symbolbild) (Bild: sda)
Zu dritt rücken die Polizisten aus. Ein Tipp brachte sie auf die Spur der fünf rumänischen Schwarzarbeiter: Ohne Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung schuften sie auf einer Baustelle eines Einfamilienhauses im oberen Baselbiet. Der Bauherr ist Kadermitarbeiter in einem internationalen Konzern.
Die fünf Rumänen können sich nicht ausweisen, also fordern die Polizisten einen Transporter an. Die Nacht verbringen die Schwarzarbeiter in Untersuchungshaft. Am nächsten Morgen bringt ein Landsmann die Papiere. Zwei Inspektoren vom Kantonalen Amt für Industrie und Arbeit (Kiga) rücken aus, inklusive Dolmetscher. Die Einvernahme bestätigt: ein klarer Fall von Schwarzarbeit. Obwohl mehrere Dorfbewohner bezeugen könnten, dass deren Fahrzeug seit Tagen im Dorf gesehen wurde, werden sie nur wegen sechs Stunden Schwarzarbeit verurteilt.
Für den Einsatz von insgesamt fünf Polizisten, zwei Inspektoren, einem Dolmetscher und der Staatsanwaltschaft bezahlen die fünf je hundert Franken Urteilsgebühr und Verfahrens-kosten. Ihr Auftraggeber 673 Franken. Tatsächlich belief sich der Aufwand aufseiten des Staates auf mehr als das Doppelte, schätzt ein von der TagesWoche dokumentierter Experte.
Spitzenlohn von zehn Franken
Dazu kommt die eigentliche Busse für den Arbeitgeber der Schwarzarbeiter: tausend Franken. Insgesamt 1673 Franken kostet ihn sein Vergehen. Ein Klacks, geben sich doch rumänische Schwarzarbeiter meist mit einem Stundenlohn von unter zehn Franken zufrieden. Das ist für rumänische Verhältnisse immer noch ein Spitzenlohn.
Solch milde Strafen sind an der Tagesordnung. So verurteilte das Baselbieter Strafgericht kürzlich einen Gärtner, den Kontrolleure schon mehrfach überführen konnten, weil er Angestellte schwarz beschäftigt. Doch selbst er kam mit einer Strafe von 2700 Franken davon, dreissig Tagsätze à 90 Franken.
Dabei ist das Risiko, überhaupt erwischt zu werden, in den meisten Branchen minim. Selbst dann, wenn der Kanton Baselland im Vergleich zu anderen Kantonen einen «überdurchschnittlichen Ressourceneinsatz im Kampf gegen die Schwarzarbeit leistet», wie das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit in seiner Stellungnahme schreibt.
Überdurchschnittlich heisst 4,6 Vollzeitstellen für Inspektoren. Zum Vergleich: Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt das Volumen der Schwarzarbeit für die Schweiz auf 39 Milliarden Franken. Der österreichische Wirtschaftsprofessor Friedrich Schneider, einer der wenigen Forscher auf diesem Gebiet, geht von umgerechnet 450 000 Vollzeitstellen aus. Das entspricht gut zehn Prozent des Arbeitsmarktes.
Baselland könnte Loch stopfen
Eigentlich erstaunlich, dass trotz leerer Staatskassen im Baselbiet noch keiner auf die Idee kam, das Geld dort zu holen, wo es keinem ehrlichen Steuerzahler weh tut: bei der Schattenwirtschaft. Ganz anders im Kanton Zürich: Dort reichte der Zürcher SP-Kantonsrat Thomas Marthaler einen Vorstoss ein, weil er ausgerechnet hatte, dass die öffentliche Hand allein im Kanton Zürich 600 Millionen Franken mehr einnehmen könnte, wenn sie nur schon die Hälfte aller Fälle von Schwarzarbeit aufgedecken würde. Die dazu nötigen 400 Stellen für neue Inspektoren wären im Vergleich dazu mit 60 Millionen Franken geradezu billig. (Vorstoss und Antwort auf der Rückseite des Artikels)
In seiner Antwort zweifelt der Zürcher Regierungsrat an den Zahlen der OECD: Diese Studie werde oft zitiert. «Die darin genannten Zahlen sind jedoch keineswegs gesichert.» Flächendeckende Kontrollen stünden in keinem Verhältnis zum möglichen Nutzen, da mit «hohen Kosten und äusserst wenigen aufgedeckten Fällen zu rechnen ist». Mehr Kontrollen würden nur dazu führen, dass auch Branchen kontrolliert würden, die als unproblematisch gelten. «Dies hätte für die kontrollierten Unternehmen in diesen Branchen einen beachtlichen administrativen Mehraufwand zur Folge.»
Ohne Schwarzarbeit würde das Baselbiet schwarze Zahlen schreiben
Alles übertrieben? Die TagesWoche fragt einen, der täglich Schwarzarbeit-Kontrollen durchführt: Michel Rohrer, Geschäftsführer der Zentralen Arbeitsmarktkontrolle (ZAK). Diese von den Dachverbänden der Baselbieter Sozialpartner gegründete Organisation kontrolliert unter anderem im Auftrag des Kantons Baselland die Baubranche, letztes Jahr 258 Betriebe und 489 Personen wegen Verdachts auf Schwarzarbeit. «Bei jeder zweiten Kontrolle stossen wir auf Ungereimtheiten. Wir decken die ganze Palette von Fällen auf: von Arbeitern, die für einen Nachmittag beim Kollegen aushelfen, bis zu solchen, die schon seit Jahren von Schwarzarbeit leben», sagt Rohrer.
Er ist überzeugt, dass die Schätzungen von OECD und Professor Schneider der Realität nahe kommen und hat ausgerechnet, dass allein dem Kanton Baselland jährlich Steuern für über hundert Millionen Franken entgehen, Sozialabgaben nicht einmal eingerechnet. Mit diesem Geld liesse sich das Defizit des Kantons auf einen Schlag zum Verschwinden bringen. «Man darf das Phänomen Schwarzarbeit nicht unterschätzen», sagt Rohrer. Solange die Kantone nicht schärfer kontrollieren würden, der Gesetzgeber nicht härtere Strafen einführe, werde die Schwarzarbeit auch nicht abnehmen.
Davon ist auch Daniel Lampart überzeugt, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. Milde Strafen und ein minimes Risiko, erwischt zu werden, führten dazu, dass viele in ihrem Gefühl noch bestärkt würden, Schwarzarbeit sei ein Kavaliersdelikt. «Das ist politisch so gewollt.» Er fordert schärfere Kontrollen und wirksamere Sanktionen: «Die Bussen müssen so hoch sein, dass sie wirklich abschrecken.»
500 Franken Busse für acht Jahre
Doch damit tun sich auch viele linke Politikerinnen und Politiker schwer. Dann kämen auch alle Sans-Papiers unter die Räder. Als Illegale können sie sich gar nicht legal anstellen lassen. Rigorose Kontrollen könnten zu tragischen menschlichen Schicksalen führen. Daniel Lampart plädiert deshalb für grosszügige Übergangslösungen.
Erst vor Kurzem befasste sich das Bundesgericht mit dem Fall einer Putzfrau. Diese arbeitete ohne Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung für verschiedene Haushalte in Zürich, zahlte weder Steuern noch Sozialabgaben und verdiente in acht Jahren eine Viertelmillion Franken. Das oberste Gericht befand, die Zürcher hätten unrechtmässig ihr Bargeld beschlagnahmt. Verurteilt wurde die Putzfrau zu einer bedingten Geldstrafe von 900 Franken. Die eigentliche Busse beträgt 500 Franken.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 25.05.12