Kameras in Läden sollten lediglich vor Diebstählen schützen. Werden aber Angestellte permanent gefilmt, widerspricht das dem Datenschutz- und Arbeitsgesetz. Einigen Arbeitgebern ist das allerdings egal.
Coop Pronto macht es Ladendieben schwer. Die deutlich sichtbaren Überwachungskameras sind so geschickt positioniert, dass für Langfinger praktisch keine toten Winkel bleiben. Jeweils eine Kamera aber ist auch direkt auf den Bereich hinter Ladentheke und Kasse gerichtet. Die Mitarbeiter sind stets im Kameravisier. Das widerspricht aber dem Datenschutz- und dem Arbeitsgesetz.
Das sieht Sabine Schenker, Sprecherin bei der Coop Mineraloel AG, der Betreiberin der Pronto Shops, anders. Man wolle damit nicht die Angestellten überwachen. «Konkret geht es um die Vermeidung von Diebstählen und insbesondere von Raubüberfällen.» Tatsächlich hätten sich in den letzten Jahren die Zahlen der Diebstähle und Raubüberfälle massiv reduziert. «Dadurch ermöglichen wir sichere Arbeitsplätze und tragen zum Arbeitnehmerschutz bei», schreibt Schenker auf Anfrage.
Dauerüberwachung nicht gerechtfertigt
Damit legt Coop Pronto die bestehende Gesetzeslage recht grosszügig aus. Eigentlich sind die Bestimmungen ziemlich eindeutig. Laut Verordnung 3, Artikel 26 im Arbeitsgesetz ist dauerhafte Überwachung am Arbeitsplatz verboten. Selbst bei konkretem Diebstahlsverdacht muss die Zeit der Überwachung begrenzt sein. Allerdings ist es recht schwer zu beweisen, wen genau die Kamera tatsächlich überwacht – oder einschüchtert.
Erlaubt ist Videoüberwachung laut dem Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten nur dann, wenn die Überwachung aus organisatorischen Gründen, Sicherheitsgründen oder zur Produktionssteuerung nötig ist. Also zum Beispiel zur Überwachung von gefährlichen Maschinen. Das ist bei Coop Pronto nicht der Fall. Das Risiko, sich in der Registrierkasse die Finger einzuklemmen, rechtfertigt kaum eine Dauerüberwachung.
Im gesetzlichen Graubereich
Eine weitere Ausnahme ist der Schutz vor Diebstählen und Überfällen. Aber auch in diesem Fall müssen in Verkaufsgeschäften Kameras zur Diebstahlsicherung so installiert sein, dass das Verkaufspersonal kaum oder gar nicht erfasst wird. Was bei Coop Pronto definitiv nicht der Fall ist.
Allerdings wissen die Coop-Pronto-Angestellten, dass ihnen auf die Finger geschaut wird. Und das macht ihnen offenbar nichts aus. «Wir haben ja nichts zu verbergen», erklärt ein Angestellter gutgelaunt.
Aber kann man geltendes Recht durch eine schriftliche Absprache einfach ausser Kraft setzen? Auf eine entsprechende Anfrage beim Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten erklärt Sprecher Francis Meier, dass sich solche Fällen mindestens in einem Graubereich bewegen würden: «Im Arbeitszusammenhang ist es aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses, in dem die Betroffenen stehen, fraglich, ob die Einwilligung als Rechtfertigungsgrund taugt.»
Erfolgreich gewehrt
Nicht alle Angestellten lassen sich die Videoüberwachung gefallen, wie der Fall von Media Markt im zürcherischen Dietikon zeigt. 2006 wehrten sich die Angestellten erfolgreich gegen die Überwachung am Arbeitsplatz. Nach Protesten der Belegschaft und der Gewerkschaft Unia montierte Media Markt die Videokameras zur Verhaltensüberwachung ab. Ausserdem verpflichtete sich die Geschäftsleitung dazu, in Zukunft bei der Videoüberwachung der Verkaufsräume die Richtlinien des Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten einzuhalten.
Auch Aldi Schweiz demontierte 2006 nach einer Untersuchung des Datenschutzes die Überwachung der Angestellten im Kassenbereich.
Andere Einzelhändler kommen erst gar nicht auf die Idee, solches zu tun. Denner zum Beispiel sieht von einer flächendeckenden Kamera-Überwachung ab. Laut Pressesprecher Thomas Kaderli sei dies nicht gesetzeskonform. «Unsere Firmenpolitik ist, sich strikt an die bestehende Rechtslage zu halten. Allenfalls werden bei konkreten Verdachtsfällen in Absprache mit der Staatsanwaltschaft in Einzelfällen begrenzte legale Überwachungen gemacht.»