Haben Sie auch diesen «Tagi-Magi»-Artikel gelesen, wonach eine komplexe Big-Data-Profiling-Methode Donald Trump ins Präsidentenamt gehievt hat? Der Artikel hat hohe Wellen geschlagen. Manche sind inzwischen gebrochen.
Kein Zweifel, «Das Magazin» hat mit dem Artikel «Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt» einen veritablen Hit publiziert. Endlich, glaubte das halbe Netz, erklärt uns jemand, wie dieser Donald Trump ins Präsidentenamt hat gewählt werden können.
Wie aus dem Artikel hervorgeht, ist dafür nicht etwa ein schlicht «dummes» amerikanisches Volk verantwortlich, sondern ein schlicht genial manipuliertes. Das Mittel dazu: Eine Erfindung auf der Grundlage von Big Data, von deren gefährlichen Folgen der Erfinder höchstpersönlich stets gewarnt hat.
Seine Erfindung ermöglicht nämlich laut «Magazin», anhand von Facebook-Likes und anderen digitalen Spuren zuverlässige Persönlichkeitsprofile zu angeln – mitsamt Wohnadressen der durchleuchteten Personen. Noch nie war gezielte, ja vielmehr personalisierte Wahlpropaganda einfacher. Und prompt ist diese «Bombe» in die falschen Hände geraten: in diejenigen des Big-Data-Unternehmens Cambridge Analytica, das für Trumps Wahlkampfteam arbeitete, schon den Brexit herbei facebookte und nun bei Populisten Auftrag um Auftrag einheimst.
Der «Magazin»-Artikel wurde geteilt und hochgelobt wie verrückt. Falls Sie ihn noch nicht gelesen haben, hier ist er:
Die grosse Geschichte hat allerdings einen Haken: Sie passt womöglich zu gut ins Bild. Dennis Horn macht im WDR-Blog «Digitalistan» auf handwerkliche Schwierigkeiten aufmerksam, geht auf konkrete Punkte ein, «an denen der Artikel nicht die ganze Wahrheit liefert», und stellt ausserdem die Zuverlässigkeit der Psychometrie-Analyse infrage.
» Hat wirklich der grosse Big-Data-Zauber Trump zum Präsidenten gemacht?
Netzkultur-Blogger Jens Scholz schreibt ebenfalls gegen den Hype um «diesen Artikel über diese super Profiling-Methode» an. Er relativiert, dass man auch mit dem ausgeklügeltsten Profil-Modell nur etwas aktivieren könne, wofür die Bereitschaft schon da sei. Meinungen ändern könne man damit nicht.
Für den Erfolg einer Brexit-Kampagne oder eines Trumps war laut Scholz nicht eigentlich komplexes Profiling entscheidend. Denn dies wäre erst dann interessant, «wenn ich volatile Profile besser einschätzen können müsste: Zum Beispiel, wenn ich herausfände, unter welchen Umständen ein unentschlossener Mensch einen Entschluss fasst und genau diesen Moment treffen könnte. Das ist aber mit statischen Daten nicht möglich.» Das, was volatile Menschen an Kommunikation bräuchten, sei nach wie vor die klassische politische Überzeugungsarbeit – «mit Argumenten und Versprechen und Diskussionen».
» Hat ein Big-Data-Psychogramm Trump wirklich den Sieg gebracht?
Schon kurz nach Trumps Triumph poppte übrigens wiederholt die Vorstellung auf, dass dessen Data-Team allen anderen etwas Geheimes voraus hatte und so sehen konnte, was alle anderen übersahen. Und schon damals gab es Stimmen, die darauf hinwiesen, dass man nicht alles glauben darf, was Firmen wie Cambridge Analytica als ausgeklügeltes Werkzeug für Wahlkampagnen verkaufen. Insbesondere dann nicht, wenn sie nicht bereit sind, Belege dafür zu liefern, dass ihr Werkzeug wirklich funktioniert.
Zwei Artikel von Dave Karpf lassen die Skepsis gegenüber Big-Data-Zauber als berechtigt erscheinen. Veröffentlicht wurden die englischen Texte auf der Community-Plattform «Civic Hall»: