In der Basler SVP toben seit Jahren Intrigen und Machtkämpfe. Recherchen der TagesWoche zeigen nun: Partei-Übervater Christoph Blocher ist derart verärgert, dass er den Basler SVP-Präsidenten Sebastian Frehner mehrmals aufgefordert hat, zurückzutreten.
Ein Blick genügt, um zu sehen, wer in der Schweizer SVP etwas zu sagen hat und wer nicht. Es ist der Blick auf die Sitzordnung der SVP-Fraktion im Nationalrat. Die Schwergewichte besetzen die hinterste Reihe: Amstutz, Rösti, Brunner, Rime, Amaudruz. Von dort aus kommandieren sie die auf 65 Sitze angeschwollene Fraktion.
Der Sessel des Basler SVP-Präsidenten Sebastian Frehner befindet sich weit entfernt vom Zentrum der Macht. Noch vor einem Jahr sass er inmitten der nationalkonservativen Wohlfühlzone, beim damaligen Präsidenten der Zürcher SVP, Alfred Heer, nur zwei Plätze neben Rösti. Heute sitzt Frehner am Rand, umgeben von Neulingen und Mitgliedern der BDP.
Kratzt sich der Grüne Bastien Girod am Kopf, kann Frehner das aus bester Warte mitverfolgen. Streicht sich Chef Amstutz durch die graue Haarpracht, braucht er einen Feldstecher.
Ein Blick genügt, um zu sehen: Sebastian Frehner ist in Ungnade gefallen.
Belege für Rücktrittsforderung
Die Strafversetzung an den Rand der Fraktion ist nicht der erste Wink, den Frehner von den Parteibossen erhalten hat. Die Führungsriege ist seit Längerem verärgert über die Arbeit des Baslers. SVP-Übervater Christoph Blocher hat Frehner in den letzten Jahren mehrfach dazu aufgefordert, sein Amt als Kantonalpräsident niederzulegen. Das bestätigt das Umfeld von Blocher. Belege, die diese Haltung dokumentieren, konnte die TagesWoche einsehen.
Blochers Beziehung zu seinem wichtigsten Mann in Basel, das machen die Recherchen deutlich, ist zerrüttet. Der Milliardär aus Herrliberg stört sich daran, dass seine Partei stagniert. Unter Frehner, der 2009 an die Spitze des kantonalen Ablegers vorrückte, legte die SVP im Grossen Rat gerade Mal 1,1 Prozent Wähleranteil zu. Die Partei steht bei 15 Prozent – mager, im nationalen Vergleich.
Enttäuschte Zentrale in Herrliberg
Blocher muss das Resultat 2012 frustriert haben, zumal der Kampf um einen Einzug in den Regierungsrat krachend scheiterte. Sein Blatt, die «Basler Zeitung», hatte damals monatelang eine schrille Kampagne zur Unterstützung der SVP gefahren, hatte eine grosse Sicherheitsdebatte ausgerufen, das Bild einer Stadt gezeichnet, die in Chaos und Gewalt versinkt.
Der Lohn für die Mühen, die das Medium viele Leser gekostet haben: ein zusätzlicher Sitz im Grossen Rat.
Der letzte Stimmungstest bei den Nationalratswahlen vor knapp einem Jahr brachte dasselbe bescheidene Resultat: Während etwa die LDP ihren Wähleranteil fast verdoppelte und die Schweizer Mutterpartei ein Rekordergebnis einfuhr, gewann die SVP Basel-Stadt auf tiefem Niveau ein Prozent hinzu.
Putschversuch abgewehrt
Blochers Entfremdung von Frehner hat aber Ursachen, die weiter zurückreichen, und zwar bis ins Frühjahr 2012. Damals war ein parteiinterner Putschversuch um den ehemaligen SVP-Vizepräsidenten Bernhard Madörin gegen Frehner gescheitert. Die Aufwiegler wurden hart bestraft. Madörin verschwand in der Versenkung, Grossrat Felix Meier musste die Partei verlassen, der Riehener UBS-Banker Karli Schweizer wurde intern kalt gestellt.
Blocher reagierte irritiert auf die Vorfälle, er hegte Sympathien für Schweizer. Mehrfach hat der SVP-Pate den im vergangenen Jahr verstorbenen Fasnächtler an dessen Striggede-Ball besucht. Ein lautes Machtwort sprach Blocher aber nie: Offiziell gilt in der SVP das Prinzip, dass sich die Führung nicht in kantonale Angelegenheiten einmischt. Bei Fehden und Machtkämpfen auf kantonaler Ebene vertraut man auf die Kraft der Selbstreinigung.
Interne Machtkämpfe fordern weitere Opfer
Doch die internen Querelen und Machtkämpfe in der Basler SVP hörten unter Frehner nie auf. Vor einem Jahr, wenige Wochen vor den Wahlen, kehrten die Geschlagenen von damals an die Oberfläche zurück. Die «Basler Zeitung» veröffentlichte in einer mehrteiligen Artikelserie Details aus dem Privatleben von Frehners treuem Helfer Joël Thüring, dann griff sie den Parteipräsidenten mit Vorwürfen, er habe Spendengelder in die eigene Kasse gewirtschaftet, frontal an.
Die Botschaft aus Herrliberg war klar: Wenn du nicht freiwillig gehst, helfen wir nach. Doch Frehner überlebte die Kampagne. Er lockerte die Beziehung zum in Verruf geratenen Steuerschuldner Thüring ein bisschen, bestritt alle Vorwürfe, die seine Person betrafen. Und rasierte dann den letzten Übriggebliebenen des Putschversuchs von 2012 ab: SVP-Grossrat Michel Rusterholtz.
Der ehrgeizige Logistikunternehmer Rusterholtz war bis kurz vor der Putschnacht Kassier und Parteivorstand. Beide Ämter musste er räumen, man wollte ihn nicht mehr im innersten Zirkel haben. Aber weil Frehner damals glaubte, Rusterholtz sei unter den Aufwieglern eher ein Mitläufer, kam er glimpflich davon. Um ihn bei Laune zu halten, übertrug er ihm das lukrative Mandat im Bankrat der Basler Kantonalbank.
Einer musste fallen
Auch nach den Nationalratswahlen letzten Herbst und den schadlos überstandenen Enthüllungen kehrte keine Ruhe ein in der Partei. Frehner agierte wie ein Getriebener, er wollte den Maulwurf finden, der die brisanten Informationen der «Basler Zeitung», dem Hausblatt der eigenen Wählerschaft, zugespielt hatte. Er musste einen Sündenbock identifizieren, musste ihn öffentlich desavouieren, musste allen internen Kritikern, von denen es zahlreiche gibt, klar machen: Wer gegen mich ist, wird abserviert.
Einer musste fallen, es war Rusterholtz. Aus dem Pool der Regierungskandidaten strich ihn die Parteileitung kommentarlos. An der denkwürdigen Parteiversammlung in diesem Mai folgte dann die grosse Abrechnung: Rusterholtz wurde der eigenen Basis als Verräter vorgeführt. Man warf ihm parteischädigendes Verhalten vor und verwehrte ihm einen Listenplatz für den Grossen Rat. Damit war seine Karriere als Politiker in der Basler SVP beendet.
Der Rachefeldzug von Rusterholtz
Noch beim Hinausgehen kündigte Rusterholtz Rache an. Und er verwirklichte sie in einem ersten Anlauf in einem Interview mit der «Basler Zeitung».
Hier kommt der SVP-Übervater wieder ins Spiel. Vor dem Interview mit Rusterholtz führte Blocher ein Telefonat mit einem BaZ-Redaktor, in dem er Frehner scharf kritisierte und dem Journalisten grünes Licht gab, die Missstände anzuprangern (das alles bestätigt Rusterholtz). Auch für BaZ-Chef Markus Somm, der 2011 noch enthusiastische Leitartikel über «Sebastian Frehner Superstar» schrieb, ist Frehners Stern mittlerweile verblasst: Das Interview erschien, redaktionsintern zieht Somm regelmässig über den hiesigen SVP-Chef her.
Rusterholtz, der mittlerweile zur BDP übergetreten ist, hielt sich im Interview mit Kritik nicht zurück: «Sebastian Frehner macht alles, um seine eigene Position zu stärken und die wirtschaftlichen Vorteile, die er aufgrund seiner Ämter oder politischen Mandate hat, auszubauen oder zumindest zu halten.»
BaZ-Chef Markus Somm sagt dazu: «Kein Kommentar.» Christoph Blocher weile in den Ferien, lässt sein Sekretariat ausrichten.
SVP-Präsident Sebastian Frehner, dem wir einen ausführlichen Fragekatalog vorgelegt haben, schreibt: «Zu Vorstadtgeflüster und Spekulationen nehme ich keine Stellung. Und Parteiinterna müssen parteiintern bleiben. Und Privates privat.»
Frehner trotzt allen Angriffen
Wie lange kann sich Sebastian Frehner noch halten? Als der Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel den Basler im letzten Jahr auf das Cover seiner «Weltwoche» hievte, ihn unter dem Titel «Gekaufte Politiker» als reinen Berufspolitiker darstellte, dem seine politischen Ämter Einlass in einträgliche Verwaltungsräte verschafft haben, fragte sich mancher Fraktionskollege in Bern: Ist Frehner jetzt erledigt? Nun, da auch das Zentralorgan der Partei ihn offen attackierte?
Frehner hat auch das überstanden. Denn er hat begriffen, dass ihm von aussen kaum Gefahr droht, sondern die Bedrohung seiner Macht immer von innen ausgeht, von seinen Basler Weggefährten. Und bisher ist es ihm gelungen, die Gefahr dort zu bannen.
Auf Linie gebracht
Den Vorstand hat er auf Linie getrimmt. Unlängst hat auch der von der Führung skeptisch beäugte Grossrat Alexander Gröflin das Gremium verlassen. Der Einblick in die Finanzen, in den Fluss der Spenden- und Mitgliedergelder ist einer kleinen Gruppe vorbehalten, zu der Joël Thüring zählt, SVP-Kassier und Strafrichter Stefan Bissegger und als Revisor Strafgerichtspräsident Marc Oser. Alles enge Vertraute Frehners.
Es ist bemerkenswert: Gelingt Sebastian Frehner tatsächlich, was in dieser Partei noch keiner geschafft hat? Kann er sich dem erklärten Willen Blochers widersetzen?