Bloss weg hier – wegen der Schule!

Das Kleinbasel ist hip – bis die eigenen Kinder in die Schule kommen. Dann ziehen auch die linken und netten Schweizer weg. Die Behörden werben für die Schulen im Quartier und hoffen auf eine Trendumkehr – viel mehr bleibt ihnen auch nicht übrig.

Zum Glück ist Zügeln bei uns meistens nicht ganz so schwierig wie bei dieser Farmer-Familie in Iowa (USA). Sonst hätten einige Schweizer im Kleinbasel noch grössere Sorgen als ohnehin schon, wenn ihre Kinder in die Schule kommen. (Bild: Michael Lange / VISUM)

Das Kleinbasel ist hip – bis die eigenen Kinder in die Schule kommen. Dann ziehen auch die linken und netten Schweizer weg. Die Behörden werben für die Schulen im Quartier und hoffen auf eine Trendumkehr – viel mehr bleibt ihnen auch nicht übrig.

Schmutz, Lärm, Gewalt: Vor allem über das untere Kleinbasel hört man viel Schlechtes. Die Menschen, die dort wohnen und am Samstag auf dem Claraplatz bei unserem Kaffeemobil vorbeikamen, hatten allerdings eine ganz andere Botschaft. Eine positive. Das Kleinbasel ist abwechslungsreich, es lebt und liegt erst noch auf der Sonnenseite der Stadt. Darum entwickelt es sich zum Trendquartier.

Eine Entdeckung, die zumindest die Deutsche Isabel Roth (34), die im Bereich des Business Consulting tätig ist, und ihr Partner, der kanadische IT-Manager François Bourquin, schon vor zwölf Jahren gemacht haben. So lange wohnen sie nun schon im Kleinbasel. Und dennoch überlegen sie sich, ob sie nicht  besser wegziehen sollten, auch wegen ihres Kindes, das bald in die Schule kommt.

Bourquin möchte zwar bleiben, weil er will, dass seine Kinder in einem möglichst weltoffenen Umfeld aufwachsen und nicht in irgendeiner «Bünzli-Schule» auf dem Land unterrichtet werden. In ihrem Umfeld raten ihnen aber alle zum Wegzug. Wegen der vielen fremdsprachigen Kinder in den Schulen. Und dem angeblich tiefen Niveau.

Ein generelles Problem, wie die Kleinbaslerin Sophie Jung sagt, die ebenfalls beim Kaffee mobil vorbeischaute. Auch in ihrem politisch eher linken Umfeld würden viele Kolleginnen und Kollegen das Quartier verlassen, sobald Kinder auf die Welt kämen. Oder spätestens, wenn diese eingeschult würden. «Das ist schade», sagt sie: «So wird die Durchmischung natürlich nie besser.»

Nur rund ein Drittel spricht Deutsch

Ein Eindruck, der durch die Statistik bestätigt wird: Im gesamten Kleinbasel reden nur etwa 35 Prozent aller Schülerinnen und Schüler Schweizerdeutsch oder Hochdeutsch daheim. Vor allem im unteren Kleinbasel gibt es in einzelnen Klassen fast oder gar keine deutschsprachigen Kinder.

Das sei nicht unproblematisch, sagt auch Hans Georg Signer, Leiter Bildung im Erziehungsdepartement. Die Schule könne gegen die demografische Entwicklung aber kaum etwas ausrichten.

Auch Signer selbst kann nur reden. Und werben. Für die Kleinbasler Schulen mit ihren «vielen, höchst engagierten Lehrerinnen und Lehrer» und den vielen «zufriedenen Eltern».

Und hoffen kann er selbstverständlich auch. Auf die neuen, gut ausgebildeten Zuzüger. Die Deutschen zum Beispiel, die grösste Ausländergruppe im Kleinbasel, die generell mehr Kinder bis zur Matur bringen als die Schweizer. «Darum erwarte ich eine positive Entwicklung», sagt Signer.  

Top-zufrieden mit Bläsi-Schule

Zu Recht, wenn das Beispiel von Andrea Becker und ihrem Mann Schule macht. Die Deutsche Familie lebt seit 2006 im Kleinbasel – inzwischen mit drei Kindern. Bei keinem der drei haben sich Andrea Becker und ihr Mann auch nur die Frage gestellt, ob die Schule im Quartier tatsächlich die richtige sei. Bereut haben sie ihr Vorgehen nie. «Warum auch?», fragt Becker, um gleich selbst eine Antwort zu geben: «Wir fühlen uns extrem wohl in diesem lebendigen Quartier und sind auch mit der Bläsi-Schule und ihren engagierten Lehrpersonen top zufrieden.»

Sprachprobleme gibt es laut Becker kaum in der Schule: «Sämtliche Kolleginnen und Kollegen werden von unseren Kindern gut verstanden.» Und auch an den Elternabenden spielten die Dolmetscher nicht mehr die gleich grosse Rolle wie noch vor wenigen Jahren: «Das zeigt: Die Entwicklung geht tatsächlich in die richtige Richtung.»

Wegzuziehen ist nur eine der Möglichkeiten, um sein Kind in einer Schule unterzubringen, die einem passt. Daneben gibt es eine ganze Reihe von Tricks. Besonders beliebt ist die Briefkastenadresse. Man behauptet, das Kind sei tagsüber meistens bei den Grosseltern, der Tante oder bei wem sonst auch immer: Hauptsache, die entsprechende Person lebt in einem Quartier mit einer scheinbar besseren Schule. Eine Alternative ist, das Kind in einer Krippe oder bei einem Mittagstisch im bevorzugten Quartier anzumelden. Die Schulen kontrollieren laut Erziehungsdepartement zwar, ob sich die Schüler an den angegebenen Orten auch tatsächlich aufhalten. Verhindern können sie die Tricks aber kaum, da die Kontrollen sonst etwas gar weit gehen würden. Um für etwas mehr Chancengleichheit zu sorgen, hat die TagesWoche darum vor Kurzem eine Liste der Tricks veröffentlicht und diese auf Türkisch und Serbokratisch übersetzt. Weitere Übersetzungen liefern wir bei Bedarf gerne nach, damit sich auch die ausländischen Eltern in die Wunschschulen tricksen können. Denn: Erfolgreiche Integration heisst von den Schweizern lernen.

 

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