Nikola Gruevski sind in der EU die Freunde ausgegangen. Der mazedonische Ministerpräsident sucht neue in Russland und riskiert damit, dass Mazedonien der nächste Zankapfel zwischen Russland und dem Westen wird.
Die USA und die EU zetteln eine Revolution in Mazedonien an, um die legitime Regierung zu stürzen, weil die keine Sanktionen gegen Russland verabschieden will und an dem russischen Pipeline-Projekt «Turkish Stream» festhält. Das klingt ein bisschen nach Verschwörungstheorie, ist aber die offizielle Version der russischen Staatsmedien zu den Protesten in Skopje gegen die mazedonische Regierung.
In Russland gibt man sich alle Mühe, dem Westen die Schuld an den Protesten gegen den amtierenden Ministerpräsidenten Nikola Gruevski zu geben. Der russische Aussenminister Sergej Lawrow ging im Föderationsrat sogar einen Schritt weiter und vermutete, dass die Proteste in Mazedonien vom Westen orchestriert seien, um das Land zwischen Bulgarien und Albanien aufzuteilen.
Ohne Pipeline sind alle böse
Der bulgarische Aussenminister Daniel Mitow reagierte prompt: «Die Andeutungen des russischen Kollegen sind verantwortungslos.» Hintergrund dieser Vermutungen ist, dass viele Bulgaren die Mazedonier als ethnische Bulgaren ansehen, was Lawrows Verschwörungstheorie aber keineswegs seriöser macht.
Nachdem das Pipelineprojekt «South Stream» an den Wettbewerbshütern der EU gescheitert ist, sollte «Turkish Stream» eine alternative Route von russischem Gas an der Ukraine vorbei ermöglichen. Der Seitenhieb gegen Bulgarien und Albanien erklärt sich dadurch, dass das russische Pipeline-Projekt «South Stream» an Bulgarien scheiterte, während Albanien so stark an den Westen gebunden ist, dass dort keine russische Pipeline gebaut werden wird.
Ministerpräsident Nikola Gruevski hat sich in den vergangenen Monaten tatsächlich Russland angenähert. Hintergrund dürfte allerdings weniger die wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland sein, als vielmehr der Umstand, dass der mazedonischen Regierung in Europa die Freunde ausgehen.
Serben verängstigt über Grossalbanien
Im Nachbarland Serbien wird die instabile Situation in Mazedonien teils mit Sorge und teils mit Genugtuung betrachtet. Der serbische «Kurir» titelte mit «Am 12. Mai beginnt der totale Krieg» und «Alo!» zog nach mit «Der Krieg um Grossalbanien hat begonnen». In dem Artikel werden Vermutungen darüber angestellt, dass die UCK-Terroristen, die am 9. Mai in Kumanovo «neutralisiert» wurden, vom kosovarischen Ex-Premier Ramush Haradinaj und Albaniens Premierminister Edi Rama in Auftrag gegeben wurden. Zumindest Kontakte zwischen Ramush Haradinaj zu den albanischen Seperatisten gelten als nachgewiesen, der Rest darf, gelinde formuliert, angezweifelt werden.
Die serbische Regierung übernahm kritiklos die Version der mazedonischen Sicherheitskräfte. In Belgrad spricht man von albanischen Terroristen und betont einen Zusammenhang zwischen den Kämpfen in Kumanovo und dem Kosovo. Der serbische Präsident Tomislav Nikolic nutzte die Situation, um der Regierung ein Positionspapier zu senden, in dem das Kosovo zurückgefordert wird.
Der Tenor in Serbien ist weitestgehend: «Diese Albaner machen nur Probleme.» Dass der sogenannte Anti-Terror-Einsatz in Kumanovo auch inszeniert sein könnte, um von den Protesten gegen die Regierung abzulenken, wird von der serbischen Regierung nicht als reale Option diskutiert. In den serbischen Regimemedien werden Ängste vor einem Grossalbanien geschürt, das auch Teile Serbiens umfassen soll.
Hintergrund der serbischen Haltung ist es Kosovo als Staat zu diskreditieren, um die eigene Verhandlungsposition bezüglich des Kosovo zu verbessern. Zwar ist das Kosovo seit 2008 offiziell unabhängig von Serbien, von Belgrad wurde dies allerdings nicht anerkannt.
Stabilität ist der EU wichtiger als Demokratie
Dass die EU hinter den Protesten steckt, darf ausgeschlossen werden. Mazedonien ist zwar bereits seit 2005 offizieller Beitrittskandidat, doch aufgrund eines Namenstreites blockierte Griechenland die Verhandlungen. Griechenland beschuldigt Mazedonien die makedonische Kultur, insbesondere Alexander der Grosse, für sich zu vereinnahmen und fürchtet sich angeblich vor Gebietsansprüchen, die das kleine Mazedonien eines Tages an Griechenland stellen könnte.
Ohne Aussicht darauf in naher Zukunft Mitglied der EU zu werden, haben in Mazedonien einige wenige das Land unter sich aufgeteilt. Die Europäische Union hat jahrelang herzlich wenig dagegen unternommen, dass direkt vor ihrer Haustür die Blüten einer jungen Demokratie zertrampelt werden, um ein korruptes Einparteienregime zu schaffen, in dem der Ministerpräsident und seine engen Vertrauten alles kontrollieren.
Lieber Frieden als Freiheit für die Bürger.
Aufgrund der Angst vor ethnischen Spannungen im multikulturellen Mazedonien galt Stabilität mehr als Demokratie und grundlegende bürgerliche Freiheiten. Die Angst vor dem «Pulverfass Balkan» wog mehr als die Sorge um die junge Demokratie in Mazedonien.
Erst nach den Vorfällen in Kumanovo und den daraus resultierenden Massenprotesten gegen die Regierung werden erste Stimmen aus der EU laut, die sich auf die Seite der Demonstranten stellen. Die Angst vor einem potenziellen Bürgerkrieg lässt die Solidaritätsbekundungen jedoch sehr verhalten ausfallen.
So betonte der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem albanischen Kollegen Ditmir Bushati: «Jeder Rückfall in einem Staat des westlichen Balkans kann Auswirkungen auf die Nachbarschaft haben» und forderte eine Aufklärung der Ereignisse in Kumanovo. Eine ernstzunehmende Kritik in Richtung der Regierung in Skopje indes folgte nicht. Auch hier galt wieder: Stabilität vor Demokratie.
Die Regierungsgegner lieben Europa
Die mazedonische Opposition scheint es der EU jedoch nicht übel zu nehmen, dass diese jahrelang weggeschaut hat. Die meisten Regierungsgegner sind geradezu EU-euphorisch. EU-kritische Stimmen innerhalb der Opposition vernimmt man nur am Rande. Bei den Protesten gegen die Regierung waren mazedonische, albanische, türkische, serbische und die Flagge der Roma zu sehen.
Die wehenden Flaggen repräsentierten etwa den Anteil der Bevölkerung in Mazedonien. Bei den Protesten für die Regierung waren indes viele russische Flaggen zu sehen, obwohl in Mazedonien kaum Russen leben. Die Angst, dass sich Mazedonien zum nächsten Zankapfel zwischen Russland und «dem Westen» entwickelt, steigt im Land.
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Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Konflikt in Mazedonien in diesem Artikel.