Einen Rummel wie um Breel Embolo hat die Fussball-Schweiz noch nicht erlebt. Und man fragt sich, wie der junge Mann sich ab Sonntag wieder auf den FC Basel und den Fussball konzentrieren will. Eine Einsichtnahme bei der grossen Gala der Liga in Luzern.
Als um drei Viertel zehn die Tanzfläche freigegeben ist und eine DJane aus ihrem Mischpult treibende Beats herauskitzelt, sind die meisten Spieler bereits auf dem Heimweg. Auch für den FC Basel ist zeitig Schluss in Luzern. Montagabend, fünf Tage, bevor der Punktspielbetrieb nach der Winterpause wieder aufgenommen wird, ist kein idealer Termin für eine fette Party.
700 Menschen aus allen Fussballecken der Schweiz sind zusammengekommen, um die Besten und Beliebtesten der hiesigen Profiszene zu küren. Die Protagonisten sind herausgeputzt, jene, die wie die Basler einen besitzen, tragen ihren Clubanzug aus, und ein paar Ehefrauen und Lebensgefährtinnen haben es sich nicht nehmen lassen, ihr umwerfendstes Modell aus dem Kleiderschrank zu holen. Dazwischen die Jungdynamischen und Graumelierten aus den Teppichetagen der zwanzig Clubs in Super und Challenge League, jede Menge Ehemalige, und der Nationaltrainer darf auch nicht fehlen.
Die Award Night der Swiss Football League SFL: Zum dritten Mal findet die Veranstaltung im Kunst- und Kongresszentrum statt, und der Luzerner Musentempel ist mit seiner schlichten Eleganz wohl genau die richtige Umgebung, wenn Roger Müller meint, dass man «Image transportieren» wolle mit dieser Zusammenkunft. Der Marketingchef der Liga nennt den Anlass auch «Klassentreffen» und SFL-Präsident Heinrich Schifferli «eine tolle Sache». Eine halbe Million Franken kostet der Spass.
Der Klassenprimus
Aber was wäre solch ein Abend ohne einen Klassenprimus? Ohne ein Aushängeschild? Ohne Breel Embolo? Am Roten Teppich, der an der Seebucht schwarz ist, warten um halb sieben ein paar Dutzend Kinder und Jugendliche und halten den Fussballern ihre Stifte und Smartphones entgegen. Embolo, der ja kaum älter ist als mancher seiner Fans, schreibt geduldig Autogramme und lächelt für die Selfies.
Bevor es im Luzerner Saal losgeht, meint Embolo beflissen, es sei ihm eigentlich egal, wer was an diesem Abend gewinnt: «Das Wichtigste ist der Meistertitel.»
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Die Award Night ist dann eine Sache, die der FC Basel und die Grasshoppers mehr oder weniger unter sich ausmachen. Fünf FCB-Spieler in der Mannschaft des Jahres: Tomas Vaclik, Marek Suchy, Luca Zuffi, Michael Lang und Breel Embolo. Bester Youngster ist Shani Tarashaj, Trainer des Jahres wird Pierluigi Tami, und das schönste Tor hat Munas Dabbur erzielt. Alle drei von GC.
Der Rest geht an Breel Embolo: Eine Fachjury wählt ihn zum besten Spieler der Liga, und die «Blick»-Leser haben ihn online mit einem Fünftel von 50’000 Klicks zum Publikumsliebling bestimmt. Wie letztes Jahr schon.
Embolo hier, Embolo da. Die Fussball-Schweiz hat einen Star, oder besser gesagt: einen Jüngling zum Star gemacht, und der löst einen noch nicht dagewesenen Hype aus. Aufgeregter noch als der damals um Xherdan Shaqiri. Breel Embolo weckt die Fantasie der Fans, hat Bernhard Heusler schon gesagt, als Embolo vier Wochen nach seinem 17. Geburtstag die ersten atemberaubenden Auftritte in der ersten Mannschaft hinlegte.
Heute sagt der FCB-Präsident: «Sein Talent und der Charakterzug, so authentisch zu sein, das ist es, was die Leute fasziniert. Er hat nichts Abgehobenes, und das macht ihn zum Star und Liebling der Fans.»
Sein Trainer sieht den Hype mit eigenem Humor: «Am Montag bin ich müde geworden vom Klatschen. Alle fünf Minuten hat es geheissen: Embolo. Und dann musste man wieder klatschen.»
Aber natürlich findet es Urs Fischer «super», was seinem Spieler an Ehre zuteil wird: «Und ich muss ihm ein Kompliment machen, wie er mit seinen 18 Jahren mit dem Rummel umgeht.» Tagtäglich inzwischen. «Das ist immer: Breel, Breel, Breel. Aber er nimmt das gelassen und erfüllt in aller Ruhe jegliche Wünsche. Es ist beeindruckend, und wir unterstützen ihn dabei.»
Das Preisschild
An der Award Night sieht das so aus: Breel Embolo überlebt erst die beiden Moderatorinnen Claudia Lässer und Melanie Winiger, die sich abwechselnd an ihn heranschmeissen und ihn mal «einen rechten Charmebolzen», mal «le chouchou» nennen. Der bleckt seine Zähne, woraus ein breites Embolo-Lächeln wird und kontert mit einer vorgestanzten Antwort: «Ich kann mich nur bedanken: Ohne meine Mannschaft wäre ich heute nicht hier. Wie gesagt: Wir haben hart dafür gearbeitet.»
Mit zwei Plastik-Trophäen als Staubfänger für die Vitrine daheim und einer edlen Armbanduhr kommt der «grosse Abräumer» («Blick») von der Showbühne. Dann folgt der Interview-Marathon auf Deutsch und Französisch, bei dem Andrea Roth, die Medien-Koordinatorin des FCB, nicht von Embolos Seite weicht. So robust sein Spiel auf dem Fussballplatz, so beschützt und in Watte gepackt ist Embolo daneben.
Seit vergangener Woche kann man jegliche Vorsichtsmassnahme vielleicht noch besser verstehen. Seither trägt das grosse Offensivtalent Breel Embolo, ein Blue Chip auf dem europäischen Markt, quasi offiziell ein Preisschild. Der VfL Wolfsburg wollte ihn, und zwar subito, und der Bundesligist war bereit, dafür eine zumindest für Schweizer Verhältnisse irrsinnige Summe zu bezahlen. Die einen sagen 27 Millionen, die anderen 30 Millionen Euro.
Deshalb ist die beliebteste und vermutlich auch dämlichste Journalistenfrage dieser Luzerner Nacht an einen, der am Sonntag kommender Woche gerade mal 19 Jahre alt wird: Ob er sich denn bewusst sei, 30 Millionen wert zu sei? «Das bin ich nicht. Das sind einfach Zahlen, die rausgehauen werden. Am Schluss bin ich der Breel. Und ich bleibe der Breel. Wie gesagt: Ich versuche, meine Leistungen zu bestätigen.»
Wie gesagt: Eine solche Ausnahmeerscheinung gibt es nicht alle Tage. Embolo räumt ein: Die Aufregung um seine Person, das Angebot von Wolfsburg auf dem Tisch, die Gespräche mit der FCB-Clubführung, die Absage an Wolfsburg – «das war genauso anstrengend wie das Trainingslager».
Jetzt muss er nur gesund bleiben. Und Meister werden mit dem FCB. Den neuen, in Zürch geschmiedeten, mächtigen Pokal, der am Montag in Luzern erstmals präsentiert wurde, hat er schon mal beschnuppert. Wenn er den Ende Mai auf dem Barfüsserplatz in die Höhe stemmen darf, «dann», sagt Embolo, «kann ich mich nicht beschweren». Anschliessend noch eine vernünftige Europameisterschaft mit der Nationalmannschaft – und der ganz normale Wahnsinn geht weiter.
«Er ist nie abgehoben»
Während im KKL die Afterparty anläuft, scharren Urs Fischer und Bernhard Heusler bereits ein bisschen ungeduldig mit den Füssen. Aber sie haben die Rechnung ohne den Boulevard gemacht. Infront-Ringier ist der Vermarkter der Liga und «Blick» der Medienpartner der Award Night. Daraus leiten sich Ansprüche ab.
Im Untergeschoss passiert es dann: Beim Fotoshooting, auf den Händen der beiden Moderatorinnen, verfängt sich irgendwas im Kleid der einen. Der Tüll reisst und die Zeitung hat sich ihren Aufreger selbstgebastelt: «Embolo macht Winigers Kleid kaputt. – Winiger: Breel, das musst du bezahlen. – Embolo: Schick doch die Rechnung an den FCB.» Mann, oh Mann.
Am Ende des Abends fragt man sich: Wie soll ein Teenager mit all dem Tamtam und Getöse um die eigene Person umgehen? Und wie will er sich ab dem Wochenende wieder auf Fussball konzentrieren?
«Das ist eine riesige Herausforderung», findet Bernhard Heusler, der beim FC Basel inzwischen schon einige beim Grosswerden erlebt hat: «Ich bin erstaunt, wie er damit umgeht.» Und Urs Fischer sagt: «Wir müssen ihn nicht auf den Boden zurückbringen, weil er nie abgehoben ist.»
Einen kleinen Beleg zur These liefert Embolo in Luzern selbst auf die Frage, wann er, das gefeierte Talent und der Liebling der Massen, zum letzten Mal kritisiert worden sei. «Vor ein paar Stunden erst, auf dem Trainingsplatz», pariert Embolo wie aus der Pistole geschossen, «und das schätze ich sehr an meinem Umfeld.»
Urs Fischer nickt zufrieden. Der Mannschaftsbus mit der wertvollen Fracht rollt endlich von Luzern zurück nach Basel, wo Embolo am nächsten Tag im Testspiel ein Tor vorbereitet, zur Halbzeit ausgewechselt und nach einer Stunde wieder eingewechselt wird. Anstandslos. Der Breel eben.