Offiziell setzt sich die Basler Regierung für die Atomausstiegsinitiative ein, über die am 27. November abgestimmt wird. Die beiden Regierungsratskandidaten der FDP und SVP stimmen indes gegen den Ausstieg – gleich wie ihre Parteien, die zusammen mit der CVP und der LDP die Nein-Parole beschlossen haben.
Die Kantonsverfassung lässt der baselstädtischen Exekutive keine Wahl: «Der Regierungsrat unterstützt die Initiative ‹Für einen geordneten Ausstieg aus der Kernenergie (Atomausstiegsinitiative)› und tritt dem Städtekomitee ‹Städte für den geordneten Atomausstieg› bei», beschlossen die Magistraten am 18. Oktober.
Sie beriefen sich dabei auf Paragraf 31 der Verfassung: «Er (der Staat) wendet sich gegen die Nutzung von Kernenergie und hält keine Beteiligungen an Kernkraftwerken.»
Diese Bestimmung gelangte in den 1970er-Jahren in die Verfassung, als sich fast ganz Basel im Kampf gegen das Atomkraftwerk in Kaiseraugst vereint sah. Und sie blieb drin, als die Verfassung 2005 einer Totalrevision unterzogen wurde.
Bürgerliche Regierungskandidaten scheren aus
Diese offizielle Regierungsratsverlautbarung hindert aber die einzelnen Exekutivmitglieder nicht daran, eine andere Meinung zu vertreten und diese kundzutun. So wie es der FDP-Regierungsrat Baschi Dürr tat, der am Abstimmungssonntag vom 27. November zum zweiten Wahlgang in die Exekutive antreten muss. «Ich könnte mich jetzt hinter der offiziellen Verlautbarung des Regierungsrats verstecken», sagte er an einem Wahlpodium des Jungen Rats, «aber ich stehe dazu, dass ich die Initiative ablehne.»
Derselben Meinung ist auch SVP-Regierungsratskandidat Lorenz Nägelin. Im Gegensatz zu Baschi Dürr braucht er als nicht bereits amtierender Regierungsrat aber auch keine ideelle Rücksicht auf die offizielle Regierungsmeinung zu nehmen. SP-Regierungsrat Hans-Peter Wessels kann als Ausstiegsbefürworter problemlos mit dem Ja-Button auf seinem Mantel an den Wahlveranstaltungen auftauchen. So wie es auch die BastA!-Kandidatin Heidi Mück tut.
Bürgerblock geschlossen gegen die Initiative
Die SP und das Grüne Bündnis haben zusammen mit den Grünliberalen und der EVP die Ja-Parole herausgegeben. Nicht so die bürgerlichen Parteien CVP, FDP und LDP sowie die SVP. Sie alle beschlossen an ihren Delegiertenversammlungen kurz nach dem ersten Regierungsrats-Wahlgang die Nein-Parole.
FDP, LDP und SVP jeweils «mit grossem Mehr», wie aus den jeweiligen Medienmitteilungen ohne Angabe des Stimmenverhältnisses zu vernehmen ist. Bei der CVP setzte sich eine Mehrheit von 24 Nein-Stimmen gegen 13 Ja-Stimmen durch.
Damit vertreten diese Kantonalparteien eine andere Meinung, als die Basler Stimmbevölkerung aller Wahrscheinlichkeit nach am 27. November kundtun wird. Wenn man den aktuellen Umfragen von Tamedia und von der «Schweiz am Sonntag» Glauben schenkt, dürfte sogar schweizweit eine Ja-Mehrheit herausschauen.
Fukushima strahlt nach
Offensichtlich wirkt die AKW-Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011 in der gesamten Schweiz nach. 1990, vier Jahre nach dem GAU in Tschernobyl, wandten sich die Schweizer Stimmbürger noch klar gegen einen Ausstieg. Nicht so aber im Kanton Basel-Stadt, der mit einer Ja-Mehrheit von 63,4 Prozent zusammen mit den Westschweizer Kantonen damals deutlich aus der Reihe tanzte.
Als 2003 die Initiative «Strom ohne Atom» zur Abstimmung kam, war Basel-Stadt sogar der einzige Kanton, der eine Ja-Mehrheit vorzuweisen hatte. Mit 52,1 Prozent fiel sie allerdings relativ knapp aus. Gesamtschweizerisch wurde das Volksbegehren mit einem Zweidrittel-Mehr wuchtig verworfen.
Rechsteiner vertraut auch auf die bürgerliche Basis
Der gesamtschweizerische Trend deutet nun darauf hin, dass die Ja-Mehrheit in Basel-Stadt bei der aktuellen Ausstiegsinitiative wieder um einiges deutlicher ausfallen wird. Und dass sich nicht wenige bürgerlich wählende Basler hier von ihren Parteien nicht vertreten fühlen dürften.
Ruedi Rechsteiner prophezeit: «Die bürgerlichen Parteien lassen sich allein von oberflächlichen wirtschaftlichen Interessen leiten, ihre Basis wird sich zu einem beträchtlichen Teil anders entscheiden.»
Der SP-Grossrat ist seit Jahrzehnten eine der Galionsfiguren der Anti-AKW-Bewegung. Dass dies in Basel-Stadt von Vorteil ist, zeigt das Resultat seiner Wiederwahl ins Kantonsparlament: Er erhielt am 23. Oktober von allen Grossräten die meisten Stimmen.
_
Auch der Kanton Baselland hat einen Anti-AKW-Paragrafen in seiner Verfassung verankert. Dessen Wortlaut, wonach sich der Kanton dafür einzusetzen habe, «dass auf dem Kantonsgebiet oder in dessen Nachbarschaft keine Atomkraftwerke nach dem Prinzip der Kernspaltung, Aufbereitungsanlagen für Kernbrennstoffe und Lagerstätten für mittel- und hochradioaktive Rückstände errichtet werden», nötigt die Regierung aber nicht dazu, zur aktuellen Ausstiegsinitiative Stellung nehmen zu müssen.