Bald geht es wieder los, das grosse Stühlerücken in Bern. Die Ausgangslage der nächsten Bundesratswahl ist vielversprechend. Und wieder einmal dreht sich fast alles um die Musterschülerin unter den Bundesräten: Eveline Widmer-Schlumpf.
Alle vier Jahre wieder, wenn Politiker mauschelnd und Intrigen schmiedend durchs Hotel Bellevue kurven, bekommen die Polit-Fetischisten eine Gänsehaut. Dann nämlich werden die Sitze im höchsten politischen Amt der Schweiz vergeben. An den Stammtischen ist dann von «denen da oben» die Rede, die sowieso machen, was sie wollen, und die Macht untereinander aufteilen.
Das Spektakel heisst Bundesratswahl und findet das nächste Mal am 9. Dezember 2015 statt. Bevor es dazu kommt, wählen die Bundesbürger ihre Vertreter in Bern – im Oktober 2015 sind National- und Ständeratswahlen. Die gewählten National- und Ständeräte wählen anschliessend den Bundesrat.
Die «Nacht der langen Messer» ist aber nicht nur etwas für hartgesottene Polit-Cracks. Es ist fast wie bei der Fussball-WM: Alle vier Jahre schauen auch Laien zu, wenn es um den ansonsten so nüchternen Bundeshaus-Alltag geht – falsche Versprechen, Machenschaften, Ränkespiele und Hochspannung inklusive.
SVP ist kämpferisch
2015 verspricht eine interessante Konstellation. Es geht um einen richtungsweisenden Entscheid. Im Moment gibt es mit Doris Leuthard (CVP), Alain Berset (SP), Simonetta Sommaruga (SP) und Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) bei gewissen Fragen eine linksbürgerliche Allianz im Siebner-Gremium. Mitte-Rechts mit Ueli Maurer (SVP), Didier Burkhalter (FDP) und Johann Schneider-Ammann (FDP) haben das Nachsehen.
Das könnte sich 2015 ändern. Seit der Abwahl von Christoph Blocher (SVP) aus dem Bundesrat (2007) hadert die wählerstärkste Partei mit ihrer eigenen Rolle. SVP-Nationalrat Hans Fehr sagt, es gehe an dieser Bundesratswahl um sehr viel. «Die SVP hat lange genug Opposition gemacht, jetzt ist es an der Zeit, dass wir zwei Sitze im Bundesrat haben», sagt Fehr kämpferisch.
Und wer diesen Sitz freimachen soll, ist für SVP-Vertreter klar: Eveline Widmer-Schlumpf, die abtrünnige SVP-Politikerin und «Verräterin», die seit 2007 für die Fünf-Prozent-Partei BDP im Bundesrat sitzt. Dass die Abtrünnige geht, ist jedoch eher unwahrscheinlich. Die Stimmen von SP, Grünen und Grünliberalen hat sie auf sicher. Hinter der bürgerlichen Schwesterpartei, der CVP, steht zurzeit noch ein Fragezeichen.
CVP gibt sich bedeckt
Ende Oktober liess die BDP-Parteibasis den Traum einer BDP-CVP-Heirat platzen. Für beide Parteien ein herber Rückschlag. Der CVP-Präsident Christophe Darbellay war sichtlich enttäuscht. Von Rückhalt für Bundesrätin Widmer-Schlumpf wollte er kurz nach der geplatzten Ehe nichts wissen.
Wird die CVP nach den Parlamentswahlen für Widmer-Schlumpf stimmen? Darbellay gibt sich bedeckt. Er könne nicht für alle CVP-Parlamentarier sprechen. Mehr will er dazu nicht sagen. Ein SVP-Politiker auf dem Sitz von Widmer-Schlumpf würde der CVP aber nicht weiterhelfen, so viel ist klar. Deshalb ist davon auszugehen, dass eine Mehrheit der CVP-Fraktion für die BDP-Bundesrätin stimmen wird.
Inhaltlich unterscheidet die beiden Parteien wenig. Auch das Wählermilieu ist fast identisch. Es ist die Bundesrätin Widmer-Schlumpf, die der BDP ein eigenes Profil gibt. Und an diesem Profil will die Parteibasis festhalten.
Widmer-Schlumpf für Kurzschluss-Entscheidungen bekannt
Widmer-Schlumpf hat, gemessen an der Parteistärke, keine Berechtigung, im Bundesrat zu sitzen. Die Vorzeige-Politikerin macht aber eine dermassen gute Figur, dass selbst SVP-Nationalräte nach dem zweiten Bier zugeben, Widmer-Schlumpf sei eine gute Bundesrätin – jedenfalls kursiert das als Gerücht durchs Bundeshaus.
Nun fragt sich, ob sich Widmer-Schlumpf auch für weitere vier Jahre für das kräftezehrende Amt zur Verfügung stellen wird. In BDP-Kreisen ist man vorsichtig, Widmer-Schlumpf ist für Kurzschluss-Entscheidungen bekannt. Gut möglich, dass sie sich vor der Bundesratswahl unverhofft zurückzieht. Zum Beispiel wenn ein politisches Gewitter dazwischen kommt.
Was passiert, wenn die BDP keine Bundesrätin mehr hat? Viele Bundespolitiker – auch aufseiten der BDP – gehen davon aus, dass die Partei dann am Ende ist. Eine Fusion mit der CVP wäre dann naheliegender als je zuvor.
Das alles bleibt natürlich reine Spekulation. Trotzdem ist es wichtig, die möglichen Szenarien zu kennen. Und weil das Spekulieren so viel Spass macht, werden sich auch 2015 Journalisten und Parlamentarier mit waghalsigen Gedankenexperimenten überbieten. Wir freuen uns darauf.
_
Sie wollen mehr 2015? Der gesammelte Ausblick aufs neue Jahr in unserem Dossier.
Artikelgeschichte
5.1.2014, 10 Uhr 12, Präzisierung: «Im Moment haben die Mitte-Links-Parteien (…) die Nase vorn im Siebner-Gremium», ersetzt durch: «Im Moment gibt es (…) bei gewissen Fragen eine linksbürgerliche Allianz im Siebner-Gremium.»