BVB investieren nochmals 3,9 Millionen ins Leitsystem

Das «Anzeigen-Debakel» bei den BVB hat keine personellen Konsequenzen. Die Verkehrsbetriebe präsentierten neue Massnahmen, um die «Aktualität» und «Zuverlässigkeit» der Anzeigetafeln zu verbessern – Kostenpunkt: rund 4 Millionen Franken. Schuld am Debakel sind «Fehleinschätzungen» und eine falsche Kommunikation.

Bald Ende gut, alles gut bei den BVB-Anzeigetafeln? Die Basler hoffens. (Bild: Nils Fisch)

Das «Anzeigen-Debakel» bei den BVB hat keine personellen Konsequenzen. Die Verkehrsbetriebe präsentierten neue Massnahmen, um die «Aktualität» und «Zuverlässigkeit» der Anzeigetafeln zu verbessern – Kostenpunkt: rund 4 Millionen Franken. Schuld am Debakel sind «Fehleinschätzungen» und eine falsche Kommunikation.

Die BVB kämpfen seit der Einführung der «Dynamischen Fahrgastinformation» (kurz: DFI, oder deutsch: Anzeigetafeln) mit Ausfällen und falschen Anzeigen. Zwar bemühten sich die Basler Verkehrsbetriebe, mit «zusätzlichen Ressourcen» die Probleme zu beheben, und haben inzwischen das System auf ein «stabiles» Level gebracht, wie es an der Medienkonferenz am Dienstagmorgen hiess. Der Schaden ist aber bereits angerichtet: «Wir haben es nicht rechtzeitig geschafft, bevor wir vom Regierungsrat aufs Dach bekommen haben», sagte Martin Gudenrath, Verwaltungsratspräsident der BVB.

Die Regierung hatte in einer Interpellationsantwort Ende Januar die BVB ungewohnt heftig kritisiert: «Ein hochwertiges und teures Produkt, nämlich das regionale Angebot an öffentlichem Verkehr, erfährt durch eine Pannenserie in einem ‚Addon‘, der elektronischen Datenanzeige an den Haltestellen, einen Imageschaden und verärgert Kundinnen und Kunden.» Der Verwaltungsrat seinerseits zog die Konsequenzen und verlangte einen Bericht von der Geschäftsleitung zum «Anzeigen-Debakel», wie es SVP-Grossrat Andreas Ungricht in seiner Interpellation nannte.

Umstellung unterschätzt

Nun informierten Verwaltungsrat und Geschäftsleitung über die «Schlussfolgerungen und Massnahmen» des Berichts vor den Medien. Die Bilanz lässt sich kurz fassen: Einerseits haben die BVB und der Anbieter des Leitsystems, die Firma «Trapeze», die Umstellung vom alten Leitsystem auf das neue «Vicos Lio» unterschätzt und andererseits war die Kommunikation der BVB falsch. «In der Kommunikation haben wir es verpasst, die Komplexität dieser Umstellung und die dazu benötigte Zeit unseren Fahrgästen richtig zu vermitteln», sagte BVB-Direktor Jürg Baumgartner: «Wir haben die Erwartung geweckt, dass mit der Software-Umstellung in der Leitstelle die gesamte Hardware auf den Haltstellen ebenfalls sofort richtig funktionieren wird. Das war ein Fehler und zugleich eine verpasste Chance.»

Die BVB haben versucht, auf einem PC aus den 1980er-Jahren das aktuelle Windows laufen zu lassen.

Die BVB waren auf ihrem Weg in die «Champions League» des öffentlichen Verkehrs ganz offensichtlich etwas ehrgeizig – aber wer möchte schon mögliche Schwierigkeiten ankünden oder bereits im Voraus mitteilen, dass man zwar das ganze System getestet hat, dies aber unter realen Bedingungen erst im Betrieb tun kann. Den BVB habe die Möglichkeit gefehlt, wie Gudenrath ausführte, das System wie bei einem Software-Wechsel in einem Büro übers Wochenende testen zu können. «80 Prozent unseres Materials sind ja ständig im Einsatz, da geht das nicht.»

Die BVB erkannte deshalb zu spät die Schwachpunkte (fett Wortlaut der BVB, kursiv der Versuch einer Erläuterung beziehungsweise der Folgen):

  • Die Funkerreichbarkeit einzelner Fahrzeuge.Was zur Folge hatte, dass Trams und Busse teilweise ihre Position nicht ans Leitsystem übermitteln konnten, was wiederum dazu führte, dass keine Angaben möglich waren, wie lange das Tram oder der Bus bis zur Haltestelle benötigt.
  • Die Kommunikation zwischen der zentralen Leitstelle und den Anzeigetafeln der Dynamischen Fahrgastinformation DFI an den Haltestellen. Die Rechner in den Anzeigetafeln waren zu langsam, um die Daten zu verarbeiten. Teilweise war auch der Empfang der Informationen über Funk gestört.
  • Unterschiedliche Gerätegenerationen beeinträchtigten die Stabilität des Systems. Dies führte zu Ausfällen und falschen Angaben auf den Anzeigetafeln. – Die Rechner in den Trams, Bussen und Anzeigetafeln sind unterschiedlichen Alters, so dass teilweise die Geräte nicht miteinander kommunizieren konnten oder schlicht überfordert waren mit den Berechnungen der Anfahrtszeit. Die Folge: falsche Angaben oder eben gleich ein Absturz – «Bitte Fahrplan beachten…»

Im übertragenen Sinne lässt sich die bisherige Situation so schildern: Die BVB haben versucht, auf einem PC aus den 1980er-Jahren das aktuelle Windows laufen zu lassen. Hinzu kam die Schwierigkeit, dass die Funkverbindungen zwischen den Fahrzeug-Bordcomputern und dem Leitsystem in der Zentrale durch Gebäude und anderes gestört wurden. Dass die Migration bestehender Systemteile heikler sei als eine Totalerneuerung, habe man gewusst, sagte Verwaltungsratspräsident Gudenrath dazu. Kostenmässig sei das immer noch eine gute Rechnung gewesen: Eine Totalerneuerung hätte 24 Millionen Franken gekostet, die Migration des bisherigen Systems bisher 10 Millionen Franken.

SVP fordert Konsequenzen

Die SVP Basel-Stadt hat auf den Bericht und das «Debakel» reagiert. In einer Medienmitteilung fordert die Partei, dass der «Verwaltungsrat in die Verantwortung genommen wird». Er sei «offenbar überfordert» gewesen und sei «seiner Aufsichtsfunktion nur ungenügend nachgekommen». Weiter heisst es darin: «Die SVP verlangt, dass sich der Verwaltungsrat inskünftig stärker einbringt und in die Verantwortung genommen wird. Weitere Flops kann sich der Verwaltungsrat nicht leisten, andernfalls sollte der Regierungsrat Martin Gudenrath abberufen.»

Projektleiter «ausgetauscht»

Für die Geschäftsleitung der BVB und deren Projektleiter hat die Pannenserie deshalb – und wegen der «innert nützlicher Frist eingeleiteten Massnahmen» – keine Konsequenzen. «Niemand muss auf die Guillotine, wir haben vollstes Vertrauen», sagte Verwaltungsratspräsident Gudenrath. Anders sieht es bei Trapeze aus. Der Lieferant des Leitsystems hat den Projektleiter «ausgetauscht», wie CEO Hans-Peter Schär sagte, «weil er die Situation unterschätzt hat».

Die aktuelle Zuverlässigkeit von 97 Prozent bei den Anzeigetafeln (was rund neun ausgefallene Anzeigen pro Tag bedeutet) soll bis Ende Jahr auf 99,5 Prozent gesteigert werden. Kostenpunkt: zusätzliche 3,9 Millionen Franken. Die Rechner in den 300 Anzeigetafeln wurden bereits ersetzt. Die Bordsysteme in den 300 Bussen und Trams werden nun vorgezogen für rund 1,5 Millionen Franken ersetzt, geplant war ein langsamer Wechsel bis 2017. Eine Million wird für die Software- und Systemoptimierung ausgeben, die restlichen rund 2,4 Millionen Franken kostet eine bessere Verbindung zwischen Anzeigetafeln und Leitsystem sowie ein Redundanzsystem, welches bei einem Ausfall einspringen soll.

«Jede schwarze Anzeigetafel ist ein Ärgernis», sagte Direktor Baumgartner. Ab dem 31. Dezember 2013 dürfe es deshalb nur noch zu drei Gesamtausfällen pro Jahr kommen. «Damit», sagte Baumgartner, «erreichen wir wieder Champions-League-Niveau.»

Wie funktioniert eigentlich das System?

Die Anzeigetafeln sind mit einem zentralen Leitsystem verbunden. Das Leitsystem berechnet aufgrund der Position – welche über Funk von Bussen und Trams gesendet werden – die Geschwindigkeit und folglich die vorraussichtliche Ankunft an der Haltestelle und meldet diese der Anzeigetafeln.

In Zukunft wird es zudem eine direkte Verbindung zwischen Fahrzeugen und Anzeigetafeln geben, so soll das Blinken beim Abfahren verhindert werden. «Wenn das Fahrzeug losfährt, verschwindet es auch gleichzeitig auf der Anzeigetafel», hiess es dazu an der Medienkonferenz. In Basel ist das System besonders herausgefordert, weil es einen Flaschenhals in der Innenstadt gibt. Das System muss deshalb auch die Reihenfolge berechnen können, was der nächste Schritt im System ist. «Dies wird», sagte Trapeze-CEO Schär, «eine einmalige Sache auf der Welt.»

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