Die frühere Genfer SP-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey weist die Vorwürfe der GPK zurück: «Die haben viel Zeit auf einem Nebenschauplatz verschwendet!»
Frau Calmy-Rey, was sagen Sie zu den Anschuldigungen gegen Sie die im GPK-Bericht zur Affäre Hildebrand erhoben werden?
Micheline Calmy-Rey: Ich bin zunächst erstaunt, dass diese Kommissionen ein ganzes Jahr lang gearbeitet haben, um dann nur über Rechtsgrundlagen zu sprechen und zu schreiben. Die haben sehr viel Zeit und Energie auf einem Nebenschauplatz vergeudet.
Was hätten Sie denn noch erwartet?
Der Bericht übt harsche Kritik am Verhalten des Bundesrates in dieser Sache. Aber ich finde kein kritisches Wort über das, was der SNB-Präsident gemacht hat. Dabei hat er Geschäfte getätigt, die für einen Präsidenten einer Zentralbank einfach nicht gehen. Das war der Grund der ganzen Affäre. Die entscheidende Frage wäre doch, wie ein Präsident der Schweizer Nationalbank dazu kommt, solche Geschäfte zu erlauben.
Wie erklären Sie sich diese verengte Optik der Kommissionen?
Die Mitglieder der Kommissionen haben wohl einfach die Brille der engen rechtlichen Betrachtung dieser Affäre aufgesetzt. Aber nicht einmal diesbezüglich teile ich ihre im Bericht festgehaltene Auffassung. Es gibt nämlich sehr wohl solide Rechtsgrundlagen, auf die wir uns Ende 2011 in dieser Sache abgestützt haben.
Wo befinden sich diese?
Etwa im Nationalbankgesetz – aber auch in Artikel 25 des Regierungs- und Verwaltungsorganisations-Gesetz. Wir hatten also solide Grundlagen, die Kompetenz und auch die Pflicht, die Sache abzuklären. Ich konnte und durfte das ernst zu nehmende Gerücht über Devisenspekulationen durch den SNB-Präsidenten, das mir Herr Nationalrat Blocher unterbreitet hat, nicht einfach ignorieren.
Und wie sind Sie konkret vorgegangen?
Ich bin nach bestem Wissen und Gewissen vorgegangen. Ich habe in Absprache mit meinem damaligen Staatssekretär Peter Maurer, der ja die Kerngruppe Sicherheit präsidierte, diese Gruppe zusammengerufen, zu der auch der Direktor des Bundesamtes für Justiz, Herr Leupold, und Herr Seiler, der Chef des Nachrichtendienstes gehören. Und da war sofort klar, dass zu allererst abgeklärt werden müsse, ob an den Verdächtigungen und Gerüchten überhaupt etwas dran sei. Dann war abzuklären, inwiefern die vermuteten Devisengeschäfte gegen geltende Regelungen verstossen. Das haben wir gemacht.
«Herr Blocher hat mich korrekt informiert, ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.»
Die GPKs sagen aber, das hätten Sie nicht tun dürfen.
Warum denn nicht? Die Kompetenzen sind zwischen Bankrat und Bundesrat geteilt. Und zwar so, dass der Bankrat zuständig ist, wenn es nur um die Nationalbank geht – dass aber der Bundesrat handeln muss, wenn die Interessen des ganzen Landes auf dem Spiel stehen. Und das war da ganz klar der Fall. Devisenspekulationen durch Leute an der Spitze der Nationalbank hätten schwere aussen- und innenpolitische Konsequenzen haben können.
Die Entwicklung hat Ihnen dann recht gegeben, und Herr Hildebrand hat gehen müssen. Fühlten Sie sich danach hinters Licht geführt?
Das letzte, entscheidende E-Mail hatten wir ja bis Ende Jahr 2011 nicht. Die Untersuchungen, die wir im Dezember 2011 angeordnet hatten, waren da offenbar zu wenig tief gegangen. Wir stellten damals einfach fest, dass Herrn Hildebrands Bankgeschäfte nicht illegal waren. Nur gibt es dabei auch noch die politische und die moralische Frage. Ein Präsident der Nationalbank darf einfach nicht im grossen Stil mit Devisen handeln – das macht man nicht.
Sie werden kritisiert, weil sie der Sache auf den Grund gehen wollten. Herr Blocher, der das Problem erkannt hatte, wird gerichtlich verfolgt. Was sagen Sie dazu?
Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Für mich ist klar, dass alles korrekt gelaufen ist. Herr Blocher hat mich korrekt informiert, ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Das war der richtige Weg in dieser heiklen Situation.