Mit Ach und Krach kam das Ceta-Abkommen zwischen der EU und Kanada doch noch zum Abschluss. Der Weg dahin ist ein Lehrstück zum Funktionieren der innereuropäischen Demokratie.
Letzten Sonntag konnte der kanadische Premier doch noch nach Brüssel fliegen, um das unterschriftsreife Ceta-Abkommen mit seinem Namenszug zu versehen.
Justin Trudeaus Maschine hatte drei Stunden Verspätung, doch auf die kam es auch nicht mehr an. Denn der Gipfel war ursprünglich für den Donnerstag vorgesehen, hatte also seinerseits drei Tage Verspätung. Was auch nicht viel ist angesichts von Verhandlungen, die sieben Jahre gedauert hatten und nun als vorbildliche Liberalisierung des Handels in die Geschichte eingehen dürfen.
Ceta steht für Comprehensive Economic and Trade Agreement, auf Deutsch: Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen. Exemplarisch ist das Abkommen in der offenbar guten, aber schwer zu findenden Mischung von beseitigten Handelshemmnissen und Schutz vor unguter Hemmungslosigkeit.
Rücksichtslose Akteure der Demokratie
Der ganze Handel um das Handelsabkommen, das 1600 Seiten dick ist, war eben auch in unguter Weise exemplarisch: Er zeigte die Schwierigkeiten auf, die entstehen können, wenn Diplomatie und Demokratie harmonisiert werden müssen.
Die Schwierigkeit machte in diesem Fall nicht die Diplomatie, weil sie zu wenig Rücksicht auf sogenannte Basisbedürfnisse genommen hätte. Die Schwierigkeit machte die Demokratie, weil ein paar ihrer Akteure die Chance nutzen, um sich rücksichtslos in Szene zu setzen. Ceta war und ist zudem so etwas wie eine Hauptprobe für andere Vereinbarungen, zum Beispiel mit Vietnam und Japan, sowie mit noch stärker umstrittenen Abkommen (TISA und TTIP).
EU-Kommissionspräsident Juncker gab am Sonntagsgipfel mediengerecht die Erklärung ab: «Ende gut – alles gut!» Das Ende ist aber noch lange nicht erreicht. Jetzt hat man erst die Unterschrift, nun braucht es noch die Genehmigung des EU-Parlaments, der 28 nationalen Parlamente und der 14 untergeordneten Regionalparlamente.
In diesem Widerstand verbanden sich Opposition gegen übermächtige Kräfte der Weltindustrie und kleinräumiger Protektionismus einer strukturschwachen Region. Wallonien hat einen dramatischen Niedergang seiner vormals blühenden Industrie hinter sich und ist zugleich von einer international leicht zu konkurrenzierenden Landwirtschaft abhängig. Auf der anderen Seite war die für einmal konforme Zustimmung der flämischen Region. Diese war nicht von Rücksichten auf die EU, sondern ebenfalls von Eigeninteressen bestimmt, kommen doch 90 Prozent der aus Belgien nach Kanada exportierten Güter aus deren Region.
Das «Timing» dieser Einigung war wirklich schlecht. Es führte zu den unerfreulichen Alternativen: Einhalten des Zeitplans um den Preis des Scheiterns der Einigung oder Erreichen einer Einigung um den Preis eines starken Überziehens des Zeitplans. Einleuchtend und richtig, dass die zweite Variante zum Zug kam, was in Anbetracht des grossen Vertrags, um den es ging, keine Rolle spielen sollte. Aber das Verfahren verhalf denen, die ihr Blockadepotenzial rücksichtslos eingesetzt hatten, zu einem unguten symbolischen Triumph.
Am Ceta-Gipfel vom Sonntag erklärte der freundliche Kanadier Trudeau, in dieser Sache ein bisschen etwas darüber gelernt zu haben, wie die europäischen Demokratien funktionieren. Wir können uns fragen, was er wohl gelernt hat und was wir aus diesem Fall lernen können.