Wird François Fillon nach Donald Trump zu einem weiteren Putin-Versteher? Der Favorit der französischen Präsidentschaftswahlen verteidigt sich gegen den Vorwurf – will aber sein Land durchaus an Moskau annähern.
«Es ist das erste Mal, dass ein russischer Präsident den Kandidaten in Frankreich auswählt», meinte der konservative Primärwahl-Bewerber Alain Juppé letzte Woche im letzten TV-Streitgespräch vor der Stichwahl. Was er damit meinte, muss er nicht weiter ausführen: Mitte Woche hatte Wladimir Putin mit Blick auf das französische Primärwahlfinale erklärt, François Fillon sei ein Politiker, der sich von seinen Berufskollegen rund um den Planeten «deutlich abhebt» und eine «aufrichtige Person» sei.
Vor der Stichwahl zwischen Fillon und Juppé zirkulierten in den Pariser Medien reihenweise Bilder und Videos, die Fillon und Putin beim herzlichen Handshake zeigen. Der Russe lud den Franzosen schon in seine Datscha ein, schenkte ihm wertvollen Champagner, und sein Gast dankte es ihm mit einem «lieben Wladimir», bevor man zum Wodka überging.
Kommt es zum Kurswechsel in Frankreichs Haltung zu Russland?
Nicht nur die Pariser Diplomaten fragen sich: Führt der Präsidentenwechsel in Frankreich im Frühling wie zuvor in den USA vielleicht zu einer westlichen Kursberichtigung gegenüber Moskau? Heute wahren Brüssel, Berlin und Paris Distanz zum Kreml-Chef, was sich in den Sanktionen gegen seine Ukraine- und Krim-Einsätze äussert. In Syrien stellen sich Europäer und Amerikaner vereint gegen die Achse Putin-Assad. Ziehen im Élysée wie im Weissen Haus «Putinologen» ein, bricht diese westliche Front zusammen, und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wäre isolierter als auch schon.
«Niemand kann die Haltung Russlands billigen.»
Fillon relativierte in dem TV-Duell gegen Juppé. Die Bilder von den Aufritten mit Putin stammten aus den Jahren 2008 und 2012, als beide den Posten des Ministerpräsidenten belegten und sich damit öfters auf gleicher protokollarischer Ebene begegneten. Putin unterstütze in Paris die Front National-Chefin Marine Le Pen, die Hauptgegnerin der französischen Konservativen. Er selbst habe zudem schon verschiedentlich Position gegen den Putin-Kurs bezogen.
Das ist nicht falsch. Als der französische Präsident François Hollande 2015 beschloss, die zwei von Russland bestellten Helikopter-Träger des Typs Mistral wegen der Ukraine-Krise nicht auszuliefern, äusserte Fillon «Verständnis» für den Entscheid, der von Moskau scharf kritisiert wurde. «Niemand kann die Haltung Russlands billigen», meinte Fillon zur Begründung. In Interviews bezeichnete er Putin auch schon als «Bulldogge» und «Diktator».
Für die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland
Juppé erklärte allerdings selbst, Frankreich solle sich «weder an Washington noch an Moskau anlehnen». Das ist ein altes gaullistisches Credo: Charles de Gaulle strebte in den sechziger Jahren die gleiche Nähe – oder Distanz – zu den Russen wie zu den Amerikanern an.
«Frankreich soll sich weder an Washington noch an Moskau anlehnen.»
Die Républicains sind deshalb auch fast geschlossen für die Aufhebung der Russland-Sanktionen, die der Sozialist Hollande zusammen mit Merkel lancierte. Fillons Vertrauter Thierry Mariani ist die prägende Figur des franko-russischen Freundschaftsvereins in der Pariser Nationalversammlung. Der Abgeordnete steht auch dem russischen Thinktank «Institut für Demokratie und Kooperation» mit Sitz in Paris vor, der für eine gemeinsame Front der «christlichen Zivilisation» gegen den islamischen Vormarsch eintritt.
Fillon engagiert sich in dem Verein nicht persönlich. Er ist bisher auch nicht persönlich nach Damaskus gereist, um Putins Verbündeten Baschar al-Assad zu treffen. Seine Mitstreiterin Valérie Boyer hat aber dem syrischen Despoten zusammen mit anderen konservativen Abgeordneten aus Paris schon die Aufwartung gemacht.
Fillon will mit Assad verhandeln
Fillon sprach sich in dem TV-Duell für Verhandlungen mit dem syrischen Regime und dessen russischer Schutzmacht aus. Erstes Ziel sei der vereinte Kampf gegen den Islamischen Staat, meinte der 62-jährige Konservative, der sich dezidiert für die Christen im Orient einsetzt. Das moralische Argument Hollandes oder Juppés, man setze sich mit einem Tyrannen wie Assad nicht an den Tisch, weist Fillon zurück: Er kritisiert vielmehr, dass Hollande mit dem «fundamentalistischen» Regime in Saudiarabien Geschäfte treibe. De Gaulle habe vielmehr den Ausgleich zwischen Sunniten und Schiiten gesucht.
Fillon plädiert auch für intensivere Beziehungen zwischen Frankreich und Iran. Damit schliesst sich der Kreis: Wenn Fillon im Mai in den Elysée-Palast einziehen sollte, fände Frankreich gewiss mehr Gehör für die Achse Moskau-Damaskus-Teheran, und etwas weniger für die Koalition aus westlichen und Golfstaaten.