Nach der Kantonstrennung 1832/33 gingen zwei Drittel des Basler Münsterschatzes an den neuen Kanton Baselland. Dieser brauchte dringend Geld und verscherbelte seinen Anteil. Auch wenn Basel-Stadt einige Objekte zurückkaufen konnte, bleiben grosse Prunkstücke für immer verloren.
Die heilige Ursula aus dem Basler Münsterschatz lächelt sehr gewinnend. Ihr verschmitztes Lächeln erinnert etwas an das der Mona Lisa. Kein Wunder, geriet das Basler Bürgertum aus dem Häuschen wegen der Aussicht, ihr golden glänzendes Büstenreliquar aus dem Rijksmuseum Amsterdam zurückzukaufen.
«Im Jahre 1955 wurde Basel von einer beispiellosen Begeisterung für mittelalterliche Kunst erfasst», schrieb Edith Buxtorf-Hosch, ehemalige Präsidentin des Basler Bürgerrats, 2001 im Vorwort zum Katalog zur grossen Münsterschatz-Ausstellung im Historischen Museum Basel. In nur gerade drei Monaten wurden 230’000 Franken gesammelt, was sehr viel Geld war für die damalige Zeit. Die Heimkehr des Schatzstücks wurde mit einem regelrechten Volksfest gefeiert.
Aber warum musste etwas zurückgekauft werden, das eigentlich eh nach Basel gehört?
Zwischen den Fronten der verfeindeten Basel
Das mittelalterliche Büstenreliquiar war in den 1830er-Jahren quasi zwischen die Fronten der verfeindeten beiden Basel geraten. Nach der Kantonstrennung zwischen der Stadt und dem ländlichen Basel verfügte die eidgenössische Tagsatzung – damals gab es noch keine eidgenössischen Räte – die Teilung des Kantonsvermögens. Dazu gehörte auch der Basler Münsterschatz, der anders als die Kirchenschätze in Bern, Zürich und vielen anderen Kirchensitzen, den Bildersturm der Reformation unbeschadet überstanden hatte.
Dem neuen Halbkanton Basel-Landschaft wurden zwei Drittel des Schatzes zugesprochen. Und weil dieser neue Stand dringend Geld benötigte, kamen die prächtigen Stücke 1836 unter den Hammer. Burkard von Roda, der 2001 als Direktor des Historischen Museums grosse Teile des Schatzes für eine Ausstellung wieder zusammenbrachte, sprach von «der letzten grossen Veräusserung eines geschlossenen Ensembles mittelalterlicher Schatzkunst in Europa».
Prunkstücke in vielen wichtigen Museen der Welt
Es waren begehrte Stücke. Über Umwege landeten sie in wichtigen Museen der Welt. Das mit edlen Steinen verzierte Heinrichskreuz (Kaiser Heinrich II. gilt als Stifter des Schatzes) gelangte ins Kunstgewerbemuseum Berlin, die Statuette Johannes‘ des Täufers in die Eremitage in St. Petersburg, ein Kopfreliquiar ins British Museum in London, weitere Stücke in bedeutende Museumssammlungen in Amsterdam, New York und Paris. Einige Stücke konnte das Historische Museum Basel mithilfe privater Gelder zurückkaufen. Bei den oben genannten gelang dies aber nicht.
Auch nicht beim Prunkstück des Basler Münsterschatzes, der berühmten goldenen Altartafel. Sie ist eines der gehüteten Vorzeigeobjekte der Mittelaltersammlung des Musée Cluny in Paris – und zwar so sehr gehütet, dass sie der grossen Münsterschatz-Ausstellung 2001 in Basel nicht mal als Leihgabe zur Verfügung gestellt wurde.
Mehr Glück bei der Kunstsammlung
Mehr Glück – oder besser Glück im Unglück – hatten die Städter mit ihrer Kunstsammlung. Sie war und ist Teil des Universitätsguts. Die Städter hegten damals die Hoffnung, dass das Universitätsgut von der Aufteilung des Staatsvermögens ausgeklammert werden könnte. Doch das Schiedsgericht der eidgenössischen Tagsatzung entschied anders. Der Verbleib des Universitätsguts in der Stadt musste erkauft werden.
Die Städter kamen aber ausgesprochen glimpflich davon. Hinterlistig liessen sie den Wert der Sammlung auf eine marginale Summe einschätzen, so dass die Landschäftler die weltberühmten Werke von Hans Holbein d. J. und Co. der Stadt für gerade mal 22’000 Franken überliessen.
Unter dem Strich hatte dieser Deal für die Kunststadt Basel einen positiven Nebeneffekt. Die Gefahr, dass die Sammlung hätte verloren gehen können, steigerte ihre Wertschätzung auch in der Stadt erheblich. Private Förderer schufen die finanzielle Grundlage für den Bau des ersten Basler Museums, das 1849 an der Augustinergasse eröffnet wurde. Die älteste öffentliche Kunstsammlung der Welt, die seit 1671 mehr schlecht als recht im Haus zur Mücke aufbewahrt worden war, bekam endlich einen würdigen Platz in einem richtigen Museum.