Das neue Überwachungsgesetz (Büpf) stösst auf Widerstand. Ein überparteiliches Komitee will das Gesetz per Referendum verhindern. Alles, was Sie zum Büpf wissen müssen.
Einst war Überwachung ein Nischenthema. Nun holen sie SP, Grüne und einige bürgerliche Politiker auf die grosse Politbühne. Ein überparteiliches Komitee sammelt Unterschriften gegen das «Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs» (Büpf).
Die Büpf-Gegner stören die «massive Ausweitung» und die «unverhältnismässige» Überwachung sämtlicher Einwohnerinnen und Einwohner. Der Einsatz von Spionagesoftware halten die Büpf-Gegner für «gefährlich» und «masslos».
Was ist dran an der Kritik?
1. Wozu braucht es überhaupt ein neues Gesetz?
Die Art der Kommunikation ändert sich, deshalb brauche es auch ein neues Gesetz zur Überwachung, sagen Bundesrat, Staatsanwälte und die Mehrheit des Parlaments.
Das Überwachungsgesetz (Büpf) wurde 2000 neu geschaffen und 2012 zuletzt angepasst. Einige Passagen zur Überwachung wurden 2011 in die neue Strafprozessordnung eingefügt.
Gegner und Befürworter der Vorlage sind sich grösstenteils einig: Das Gesetz muss den neuen Technologien gerecht werden. Sie streiten darüber, wie weit die Überwachung gehen soll.
2. Was überwachen die Behörden bereits heute?
Behörden können heute bereits Handydaten bei Telekom-Providern einfordern. Zum Beispiel die Angaben wann, wo, mit wem und wie lange eine Person telefoniert hat. Das sind die Randdaten – auch Metadaten oder Vorratsdaten genannt. Die Staatsanwaltschaft kann auch eine Liste anfordern, die alle Personen auflistet, deren Handys bei einem bestimmten Mast zu einer bestimmten Zeit eingeloggt waren.
Diese Daten müssen Swisscom und Co. herausgeben, wenn das Zwangsmassnahmengericht dies vorher genehmigte – ausser es handelt sich um Gefahr im Verzug. Das ist der Fall, wenn beispielsweise eine suizidgefährdete Person gesucht wird. Die Behörden können die gefährdete Person per Handyortung suchen, auch wenn keine gerichtliche Genehmigung vorliegt.
Polizei, Strafermittler und Geheimdienst setzen auch Überwachungstechnologien ein, die Personen in Echtzeit überwachen. Sie können zum Beispiel Telefone und Handys abhören, wenn ein Gericht das erlaubt. Mithilfe von Imsi-Catchern kann die Staatsanwaltschaft auch gezielt nach Handys suchen (Erklärung weiter unten) oder eine Software auf Computer einschleusen, um weitere Daten zu erhalten.
Welche dieser Geräte erlaubt sind und welche nicht, steht heute nicht explizit im Gesetz.
3. Was ist mit dem neuen #Büpf erlaubt?
Was bisher einfach so praktiziert wurde, soll mit dem neuen Büpf konkretisiert und ausgeweitet werden. Zum Beispiel der Einsatz von Imsi-Catchern und Staatstrojanern. Aber auch, wie die Telekom-Provider die Vorratsdaten speichern müssen. Sie müssen alle Daten neu in einem einheitlichen Programm speichern und können gebüsst werden, wenn sie die Daten nicht richtig erfassen.
Heute sind es etwa 50 Provider, die die Randdaten speichern. Mit dem neuen Büpf sollen es über 200 werden, weil auch Anbieter «abgeleiteter Kommunikationsdienste» betroffen sind. Das können E-Mail-Provider mit Sitz in der Schweiz sein oder Chat-Dienste wie «Threema», bis hin zu Firmen wie «Ricardo», welche über Chatfunktionen verfügen.
Die Randdaten werden von den Providern wie bisher sechs Monate gespeichert. Neben den Vorratsdaten regelt das Büpf den Umgang mit Imsi-Catchern und Staatstrojanern.
4. Wozu sind Vorratsdaten gut?
Die Büpf-Gegner sagen: Vorratsdaten taugen nichts. Polizisten und Staatsanwälte sagen: Vorratsdaten sind eine grosse Hilfe, um Verbrechen aufzudecken. Die Positionen lassen sich kaum überprüfen, weil es keine Studien dazu gibt, die das eine oder andere belegen.
In der Regel werden die Randdaten heute beigezogen, wenn bereits ein Verdacht besteht. Die Strafverfolger können die Daten dann als zusätzliche Beweise oder Indizien verwenden. Gerade bei Drogenkriminalität und Fällen von Kinderpornografie sei das wichtig, so die Befürworter der Vorlage.
Der EU-Gerichtshof gibt den Büpf-Gegnern recht. Er entschied 2014, dass die Vorratsdatenspeicherung «einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte» darstellt, weil damit alle Bürgerinnen und Bürger überwacht werden – unabhängig davon, ob ein Tatverdacht besteht oder nicht.
Die Büpf-Kritiker finden zudem, die Vorratsdaten dürften nicht im Ausland gespeichert werden, was heute zum Beispiel bei «Salt» der Fall ist. Zum Speicherort steht nichts im neuen Büpf.
5. Wie funktioniert ein Imsi-Catcher?
Der Imsi-Catcher ist ein Gerät, das sich als Handyantenne ausgibt und Daten über Handynutzer abfängt. Welche Daten die Ermittlungsbehörden damit abrufen können, ist unklar. Fest steht: Sie sehen, wer sich an dem Einsatzort befindet und können diese Person in Echtzeit überwachen.
Die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt setzte unlängst einen Imsi-Catcher ein. Wie häufig solche Geräte verwendet werden, ist ebenfalls unklar.
Die Digitale Gesellschaft Schweiz fordert, auf den Einsatz von Imsi-Catchern ganz zu verzichten oder zumindest alle erfassten Personen nachträglich zu informieren. Das sieht das neue Gesetz nicht vor.
6. Was ist ein Staatstrojaner?
Wenn jemand über Viber oder Whatsapp telefoniert, haben die Ermittlungsbehörden heute keine Möglichkeit, die Person zu überwachen. Deshalb, so die Büpf-Befürworter, brauchen die Ermittler eine spezielle Software, die auch diese Kommunikation abfängt: Government Software, Staatstrojaner genannt.
Der Staatstrojaner kann – nur mit gerichtlicher Genehmigung – auf einem Smartphone oder Computer installiert werden, ohne dass es der Nutzer merkt. Das Programm zeichnet dann unter anderem die Internetkommunikation auf.
Das Problem dabei ist, dass die Software wohl noch viel mehr kann als das. So sollen bestimmte Trojaner die Funktion «Upload Childporn» beinhalten. Damit könnten falsche Beweise platziert werden, um eine Person zu belasten.
Die Büpf-Kritiker wollen den Einsatz von Staatstrojanern verhindern – auch deshalb, weil die Software gezielt Sicherheitslücken sucht und damit die Internetsicherheit quasi staatlich untergräbt.
Die Digitale Gesellschaft forderte, den Einsatz von Trojanern zumindest auf bestimmte Straftaten zu beschränken. Darauf ging das Parlament nicht ein.
Artikelgeschichte
Update 2.5.2016, 11.50 Uhr: Folgender Satz wurde aufgrund eines Hinweises angepasst:
- Die letzte Anpassung des Fernmeldegesetzes (Büpf) fand 2000 statt. Die Strafprozessordnung, die einige Überwachungsmethoden regelt, wurde zuletzt 2011 angepasst.
Neu steht im Artikel:
- Das Überwachungsgesetz (Büpf) wurde 2000 neugeschaffen und 2012 zuletzt angepasst. Einige Passagen zur Überwachung wurden 2011 in die neue Strafprozessordnung eingefügt.