Im Buch «Basel – gestern, heute, morgen» sprechen sich Architekt Jacques Herzog und Denkmalpfleger Daniel Schneller für den Erhalt der Warteck-Häuser am Riehenring aus. Eine Veranstaltung zu diesem Buch findet jedoch erst fünf Tage nach der Abstimmung statt. Das sei kein Zufall, glaubt ein Mitautor – und Herzog will nun kurioserweise nichts mehr dazu sagen.
Das wird eine Veranstaltung der besonderen Art am 29. November im Lichthof des Bau- und Verkehrsdepartementes am Münsterplatz. Auch Architekt Jacques Herzog und Regierungsrat Hans-Peter Wessels werden im Rahmen einer Diskussionsrunde zum Buch «Basel – gestern, heute, morgen» teilnehmen. Mit von der Partie wird an diesem Freitagabend ebenfalls der Denkmalpfleger Daniel Schneller sein.
Im Buch des Verlages «Martin+Schaub» geht es um städtebauliche Veränderungen Basels. Die Publikation soll mit Texten und Bildern eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Zukunft schlagen, wie es heisst. Rund zwei Wochen vor der Abstimmung zum Claraturm sorgen Passagen aus diesem Buch jedoch für Unstimmigkeiten.
Denn Bestandteil des Buches, das in den kommenden Tagen ausgeliefert wird, ist ein Gespräch zwischen Jacques Herzog und Denkmalpfleger Daniel Schneller. Im Kapitel 8 mit dem Titel «In Veränderungen auch Gutes wahrnehmen», das der TagesWoche teilweise vorliegt, werden die beiden Herren folgendermassen erwähnt:
Jacques Herzog: «Es gibt mehrere Brennpunkte in der Stadt, wo Verdichtung sehr manifest wird. In der Höhe, aber im Fall der Messe auch durch räumliche Veränderungen… Ich hoffe, man findet bald auch für das bestehende Parkhaus eine gute Lösung, und ich begrüsse zudem das Morger-Dettli-Projekt eines Turms in der Nähe der Messe. Nur finde ich, dass er an der falschen Stelle geplant ist. Dieses wunderbare Ensemble mit dem Restaurant dürfte meiner Meinung nach nicht verschwinden. Es gibt in der Nähe andere Orte, die für einen Bau eines Hochhauses geeigneter sind. Und man stelle sich vor: Das Ensemble mit dem ‹Warteck-Haus› verschwindet, und die Clarastrasse bleibt…»
Daniel Schneller: «Ich bin sehr froh, diese Worte von Ihnen zu hören. Auch ich hoffe, dass die Häuser mit dem Restaurant erhalten bleiben.»
Das sind ziemlich brisante Aussagen eines renommierten Architekten und eines Kantonsangestellten. Vor der Claraturm-Abstimmung vielleicht sogar zu brisant.
Vorwurf der Einflussnahme
Mit fünf Kapiteln am Buch mitgewirkt hat Roland Zaugg, ehemaliger stellvertretender Leiter der Abteilung Struktur und Entwicklung des Hochbau- und Planungsamtes. Er war dabei, als sich der Architekt und Denkmalpfleger letzten Februar im Büro von Herzog & de Meuron trafen. An der Veranstaltung vom 29. November, just fünf Tage nach der Abstimmung über den Bebauungsplan zum Claraturm, wird Zaugg nicht anwesend sein. Er sagt: «Ich ärgere mich sehr darüber, dass der Anlass erst am 29. November ist. Denn nach der Abstimmung spielt es keine Rolle mehr, was Daniel Schneller und Jacques Herzog zum geplanten Abriss der Warteck-Häuser sagen.»
Zaugg glaubt, dass das Bau- und Verkehrsdepartement bewusst versucht habe, Einfluss zu nehmen und der Anlass deshalb erst nach der Abstimmung stattfinde. «Das würde im Interesse des Baudirektors Hans-Peter Wessels liegen, der das Vorwort zu diesem Buch geschrieben hat», so Zaugg.
Für Zaugg wäre der Abriss der Warteck-Häuser eine «Katastrophe». Zumal der Innenstadt-Bezug des Gebietes nur noch durch das Warteck-Ensemble erlebbar sei. «Wenn der fast 100 Meter hohe Turm kommt, ist dieser historische Bezug weg und die Clarastrasse hat kein Flair mehr.» Zudem überschatte der Turm nicht nur die umliegenden Häuser, sondern auch den Messeplatz.
Baudepartement will nichts davon wissen
Das Bau- und Verkehrsdepartement bestreitet, Einfluss auf den Termin genommen zu haben. Mediensprecher Marc Keller sagt: «Wir haben mit der Publikation nichts zu tun. Wir haben einzig unsere Bilder zur Verfügung gestellt, auf den Produktionsablauf hatten wir keinen Einfluss.» Zudem sei das Vorwort von Wessels dazu schon vor über einem halben Jahr geschrieben worden.
Daniel Schneller bestätigt, diese Aussage Anfang Februar 2013 gemacht zu haben. Man habe sich zuvor für den Erhalt der Warteck-Häuser eingesetzt. «Die Denkmalpflege und der Denkmalrat haben einen Unterschutzstellungsantrag an den Regierungsrat gestellt. Die Denkmalpflege akzeptiert aber die Interessensabwägung des Regierungsrat und hat deshalb weder einen Anlass und noch einen Auftrag, in irgendeiner Form zum jetzigen Zeitpunkt aktiv zu werden», sagt Schneller.
Nicht zu diesem Thema äussern will sich Jacques Herzog, der sich vor kurzem noch lauthals gegen den Juryentscheid zum Unispital-Neubau gewehrt hatte. Via Pressestelle lässt er ausrichten: «Es ist richtig, dass in dem am 29. November vorgestellten Buch ein Gespräch zwischen Jacques Herzog und Daniel Schneller abgedruckt ist. Jacques Herzog ist es derzeit jedoch nicht möglich, ausführlich auf Ihre Fragen zu reagieren. Wir danken für Ihr Verständnis.»
Der Verlag «Martin+Schaub» weist in einer Stellungnahme die Vorwürfe von Roland Zaugg zurück, wonach das Buch bewusst nach der Abstimmung zum Claraturm erscheine. Das Buch werde «in den kommenden Tagen ausgeliefert» und erscheine somit «vor der Abstimmung». Der Zeitpunkt der Veranstaltung vom 29. November 2013 entspreche dem frühestmöglichen Moment, «an dem alle Beteiligten gemeinsame Lücken in der Agenda gefunden hätten», heisst es in der Stellungnahme. Zudem spiele der Claraturm in diesem 240 Seiten starken Buch eine marginale Rolle. Die Vermutung, der Turm habe einen entscheidenden Einfluss auf den Erscheinungstermin des Werks, sei auch aus diesem Grund falsch.
Artikelgeschichte
– Antwort und Ergänzung von Daniel Schneller um 15:05 Uhr
– Ergänzung 17:00 Uhr: Das Buch erscheint nicht nach der Abstimmung, sondern wird in den kommenden Tagen ausgeliefert. Einzig die Veranstaltung im Lichthof des Baudepartements findet nach der Abstimmung statt.