Das Baselbiet sei zu sehr auf sich selber bezogen und zu wenig dynamisch. Das schade der Wirtschaft und führe zu erheblichen finanziellen Problemen. Diese Kritik wurde immer wieder laut. Die Regierung wies sie lange zurück. Nun reagiert sie aber – mit einer neuen Wachstumsstrategie.
Endlich, ist man versucht zu sagen. Endlich ist an einer Pressekonferenz der Baselbieter Regierung nicht nur von schlechten Zahlen, hartem Spardruck und düsteren Aussichten die Rede. Sondern von Mut, Zuversicht und neuen Perspektiven. «Vor Ihnen steht ein Team, das gewillt ist, unseren Kanton wieder auf Vordermann zu bringen», sagte der Grüne Sicherheitsdirektor Isaac Reber am Dienstagmorgen bei der Präsentation der neuen Strategie über sich und seine vier ebenfalls anwesenden Regierungskollegen. «Unser Kanton ist Teil des zweitgrössten Wirtschaftsraums der Schweiz. Da kann Mittelmass kein Ziel sein. Wir wollen dafür sorgen, dass unser Kanton wieder weit nach vorne kommt!», sagte Reber.
Eine neue Erkenntnis
Es waren Aussagen, in denen so etwas wie Selbstkritik mitschwang. Aussagen, wie sie so ähnlich auch von Baudirektorin Sabine Pegoraro, Finanzdirektor Adrian Ballmer (beide FDP), Volkswirtschaftsdirektor Peter Zwick (CVP) und Bildungsdirektor Urs Wüthrich zu hören waren.
Diese Selbstkritik ist ein eher neues Phänomen. Bis jetzt kam die Kritik nur von aussen. Der Regierung fehle eine Strategie und dem Kanton darum auch eine wirtschaftliche Dynamik, lauteten die Hauptvorwürfe. Darum seien die aktuellen Zahlen derart schlecht und die Aussichten so düster.
Das alles soll sich nun ändern – nicht nur dank des Sparprogramms, über das der Landrat im nächsten Monat abstimmen wird. Sondern vor allem dank dem neuen Grundsatzpapier 2012-2022 und dem Regierungsprogramm 2012-2015, den beiden Planwerken also, die am Dienstagmorgen im Regierungsgebäude präsentiert worden sind.
Regierungspräsident Peter Zwick gab dabei ein ziemlich hohes Ziel vor: Der Anteil der Unternehmenssteuern an den Staatseinnahmen soll bis 2022 von 10 auf 15 oder lieber noch auf 20 Prozent gesteigert werden. Mit dieser Quote würde das Baselbiet im nationalen Vergleich zumindest ins Mittelfeld aufrücken, bis jetzt ist es noch ziemlich weit hinten.
Mehr Wachstum, mehr Marketing
Möglich werden soll das Baselbieter Wirtschaftswunder mit einer konsequenten Weiterentwicklung vielversprechender Areale, die bis jetzt zumindest noch teilweise brachliegen wie Salina Raurica in der Rheinebene oder bestimmte Areale im Dreispitz. Für die Erschliessung ist der Regierungsrat auch bereit, das nötige Geld zur Verfügung zu stellen, wie Baudirektorin Sabine Pegoraro sagte.
Mit einem neuen Kompetenzzentrum für Wirtschaftsentwicklung und Standortmarketing soll das brachliegende Potenzial bekannt gemacht und damit neue Firmen in den Kanton geholt werden. Hoffnung macht sich die Regierung vor allem auf «Betriebe mit hoher Wertschöpfung» im Allgmeinen und Life-Sciences-Unternehmen im Speziellen. Eng zusammenarbeiten soll das neue, direktionsübergreifende Kompetenzzentrum auch mit dem SVP-Nationalrat Thomas de Courten, der bereits in der vergangenen Woche als künftiger Baselbieter Wirtschaftsförderer vorgestellt wurde.
Ein gutes Argument für die Ansiedlung möchte auch Bildungsdirektor Urs Wüthrich liefern: «Die Wirtschaft braucht qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wir werden ihnen einen starken Forschungs- und Innovationsstandort bieten.» Möglich sei das aber nur mit einer engen Zusammenarbeit mit Basel-Stadt im Hochschulbereich. Eine Ankündigung, die man in der Stadt gerne hören wird, nachdem man sich dort teilweise ziemlich stark über die vorübergehenden Sparpläne der Baselbieter Regierung und des Landrats für die gemeinsame Universität beziehungsweise die Fachhochschule Nordwestschweiz enerviert hatte.
Grosse Herausforderung
Noch ist das Baselbieter Regierungsprogramm allerdings nur ein Bündel Papier, wenn auch ein ziemlich umfangreiches mit vielen, schönen Worten darauf. Der Plan zum Beispiel, aus Salina Raurica ein neues Wirtschafts- und Wohnzentrum an bester Lage am Rhein zu machen, ist schon über zehn Jahre alt. Und seither ist zumindest auf dem Areal noch nicht sehr viel passiert. Und auch das Vorhaben, Betriebe mit hoher Wertschöpfung anzusiedeln, ist nicht ganz neu. Die Aargauer sind schon seit Jahren recht erfolgreich daran. Ob die Baselbieter nach all den verpassten Jahren den Anschluss finden, muss sich erst weisen. Isaac Reber bat jedenfalls bereits um «etwas Geduld» und die «nötige Zeit» zur Umsetzung der neuen Strategie.
Persönlich versucht er, die Herausforderung mit «grosser Zuversicht» anzunehmen, wie er sagte. Und etwas Philosophie: «Der einzige wahre Realist ist der Visionär.»