Das «Läufelfingerli» – eine Bahn mit Geschichte

Einst warf das «Läufelfingerli» die Pferdefuhrwerke aus dem Rennen, nun sollen es Autobusse ersetzen.

Rück- und Ausblick: Mit der drohenden Einstellung des Personenverkehrs könnten über das Viadukt bei Rümlingen bald nur noch nostalgische Dampfzüge fahren wie auf dieser Aufnahme von 1993.

(Bild: Keystone/MICHAEL KUPFERSCHMIDT)

Einst warf das «Läufelfingerli» die Pferdefuhrwerke aus dem Rennen, nun sollen es Autobusse ersetzen.

Das «Läufelfingerli» gehört seit langer Zeit zum Erscheinungsbild des Homburgertals. Jetzt droht es aus ihm zu verschwinden. Gebaut wurden seine Geleise Mitte des 19. Jahrhunderts von der Schweizerischen Centralbahn als Teil der Linie Basel–Olten.

Diese Verbindung entstand in Etappen. Am 1. Juni 1855 erfolgte die Jungfernfahrt von Basel nach Sissach. Am 1. Mai 1857 wurde die Strecke bis Läufelfingen eröffnet. Und ein Jahr später wurde auch das letzte Stück von Läufelfingen nach Olten mit dem 2495 Meter langen Hauensteintunnel in Betrieb genommen.

Der Hauenstein war nicht das einzige Naturhindernis, das überwunden werden musste, damit die Bahn durchs Tal dampfen konnte. Bei Rümlingen, wo sich die Talflanke nach Häfelfingen hin öffnet, musste ein steinernes Viadukt von 25 Metern Höhe und einer Länge von 128 Metern errichtet werden, um die Lücke in der Landschaft zu überbrücken.

Bahnhöfe in Sommerau und Läufelfingen

Neben dem Bahnhof in Olten und jenem in Sissach verfügte die Bahn über zwei weitere Bahnhöfe, nämlich einen in Sommerau und einen in Läufelfingen am Fusse des Hauensteins. Dass Läufelfingen zum Namenspatron des Zügleins wurde, mag erstaunen, steht dort doch keineswegs der Endbahnhof der Bahnlinie.

Der Mentalitätshistoriker wird darin ein Indiz dafür sehen, dass im 19. Jahrhundert für den Baselbieter aus dem Homburgertal die Welt – trotz Strasse und Bahnanschluss ans Mittelland – am Hauenstein endete. Auf der anderen Seite des Passes hatte man mit dieser Sicht der Dinge offenbar keine Probleme; offenbar hat sich auch in Olten der Baselbieter Name für das Züglein eingebürgert.

Strecke von nationaler Bedeutung

1882 erhielt die Strecke durchs Homburgertal und damit auch das «Läufelfingerli» nationale Bedeutung: Mit der Eröffnung des Gotthardtunnels in jenem Jahr wurde es Teil des Schienenverkehrs, der die Schweiz nun mit Italien verband. Damit stieg auch die Zahl der Personen- und Güterzüge, die durchs Tal dampften.

Um das wachsende Verkehrsaufkommen besser bewältigen zu können, sahen sich die SBB Anfang des 20. Jahrhunderts gezwungen, eine Zusatzverbindung von Sissach ins schweizerische Mittelland zu schaffen. Dabei wurden verschiedene Varianten erwogen. Gebaut wurde schliesslich in den Jahren 1912 bis 1916 die Bahnline Sissach–Gelterkinden–Olten, die bei Tecknau im 8134 Meter langen Hauensteinbasistunnel verschwindet.

Späte Elektrifizierung

Damit verlor die Bahnlinie Sissach–Läufelfingen–Olten an Bedeutung. Dies zeigte sich auch bei der Umstellung von Dampf- auf Elektrolokomotiven. Während die Linie über Gelterkinden wie die meisten Schweizer Bahnlinien bereits in den 1920er-Jahren elektrifiziert wurde, ging die Dampf-Ära im Homburgertal erst am 2. Oktober 1953 zu Ende.

Auch ohne rauchende Lokomotiven war das «Läufelfingerli» noch in den 1960er-Jahren nicht aus dem Alltag des Tals wegzudenken. Bahnglocken kündeten die nahe Einfahrt des Zügleins an, und seine Pfiffe bei den unbewachten Bahnübergängen waren weitherum zu hören. Wer den Fahrplan einigermassen im Kopf hatte, wusste auch ohne Uhr, wie spät es war, wenn das Bähnlein vorbeifuhr.

Zu den Bahnhöfen in Sommerau und Läufelfingen, wo jeweils der Vorstand mit der Kelle das Zeichen zur Abfahrt gab, waren 1916 auch Haltestellen mit Warteraum und Billettverkauf in Rümlingen und Buckten hinzugekommen.

In Buckten war für Letzteren Frau Gisin zuständig, die mit ihrem Mann und ihrer Tochter in einem sogenannten Bahnwärterhaus vis-à-vis der Haltestelle wohnte. Jeweils zehn, zwölf Minuten, bevor das «Läufelfingerli» fahrplanmässig eintraf (was es allerdings nicht immer tat), ging sie ins Haltestellenhäuschen und öffnete den Billettschalter.

Ausgedünnter Fahrplan ohne Kondukteur

Irgendeinmal hing dann ein Billettautomat im Warteraum und der Schalter blieb für immer geschlossen. Weitere Sparmassnahmen folgten: Die Zeit der «Selbstkontrolle» ohne Kondukteur begann, der Fahrplan wurde ausgedünnt. Und nun droht dem Bähnlein gar das Aus.

Geht es nach dem Willen der Baselbieter Regierung, soll der Personenverkehr im Homburgertal und von Läufelfingen nach Olten mittels Autobussen ganz von der Schiene auf die Strasse verlagert werden.

Ein solches Ende des «Läufelfingerli» wäre nicht ohne bittere Ironie, hat es doch seinerzeit die Pferdefuhrwerke aus dem Rennen geworfen. Der Niedergang des Zügleins begann allerdings nicht erst gestern. Er setzte ein, als sich immer mehr Leute im Homburgertal ein Auto kauften und die Bahn an Attraktivität verlor.

Im Übrigen werden auch weiterhin Züge durchs Homburgertal rattern. Selbst wenn die SBB den Personentransport auf der Linie Sissach–Läufelfingen–Olten einstellen sollten – für den Gütertransport wird sie auch künftig genutzt werden.

Quellen

Heinz Spinnler: Eisenbahn-Geschichten aus dem oberen Baselbiet. Sissach 1998

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