Basel tickt bekanntlich anders – auch die «drey scheenschte Dääg» beginnen zur Unzeit. Was macht den lokalen Brauch aus? Alle Fakten.
Am Anfang aller Narretei stand der Morgestraich – ein historisches Ereignis, das alles verändern sollte, bis zum heutigen Tag.
Der Morgestraich, das allgemeine Lichterlöschen um vier Uhr morgens, ist eine weitherum bekannte Besonderheit der Basler Fasnacht. «Straich» heisst ganz einfach Streich – und kommt davon, dass im Jahr 1833 eine Schar von Landschäftlern in einer Nacht- und Nebel-Aktion heimlich die Stadtmauern überwand und alle Laternen der Stadt auslöschte. Die frechen Burschen entschwanden unerkannt im Morgengrauen.
Fast Nacht
Von da kommt übrigens auch der Begriff Fasnacht: Es war noch fast Nacht, als das geschah – und als alle Lichter ausgingen, war erst recht fast Nacht (respektive ganz – die Quellen sind an dieser Stelle widersprüchlich).
Wie auch immer: Im folgenden Jahr rief ein protestantischer Pfarrer die Stadt-Bevölkerung auf, der bitteren Schmach des Streiches symbolisch zu gedenken – mit einem kollektiven Lichterlöschen um vier Uhr morgens. Was als andächtiger Anlass gedacht war, artete in der Praxis aber vollkommen aus. Denn Andacht war nicht das, was den Städtern um vier Uhr morgens in den Sinn kam, nachdem sie sich in den Gassen und auf den Plätzen versammelt hatten.
Südfrüchte und Gemüse
Viele brachten Weisswein und Schnaps mit. Und laute Trommeln und Pfeifen, um den bäurischen Nachbarn wenigstens symbolisch den Marsch zu blasen.
Die Obrigkeit hatte dem Treiben trotz Trommel-Verbotes nichts entgegenzusetzen. Ein Versuch beim Steinengraben scheiterte an einem kleinen Volksaufstand; die Nachtwächter wurden vom Mob mit Abfall, faulen Südfrüchten und Gemüse beworfen und in die Flucht getrieben. An Arbeit war am Montag nicht mehr zu denken: Das rauschende Fest wurde einfach weitergefeiert, bis auch der Letzte nicht mehr konnte. Donnerstagmorgen war definitiv Schluss, alle Beteiligten brauchten ein verlängertes Wochenende.
Den Bürgern der protestantischen Stadt, in der bis zu diesem Montagmorgen anno 1833 immer alles in geordneten Bahnen verlaufen war, gefiel das Erlebte sehr. Zwar kam jedermann ein Jahr lang wieder seinen Pflichten nach, als sei nichts geschehen – aber rund ein Jahr später wurde die Sause wiederholt. Der Anlass wurde Kult – alles war erlaubt.
Jedenfalls anfangs. Denn Basel wäre nicht Basel, wenn sich nicht auch bei der alljährlichen Fasnacht – mittlerweile behördlich bewilligt, mit eigenem Comité und weltweiter Ausstrahlung – ganz spezielle Regeln eingeschlichen hätten, die Teilnehmer und Besucher einzuhalten haben, um das Fest optimal geniessen zu können. Die wichtigsten dieser Regeln sollen hier nicht verschwiegen werden:
Verhaltensregeln für die Basler Fasnacht
- Alle, ob Teilnehmer oder Besucher, sollen sich bitte verkleiden. Beliebte Fasnachts-Dress-Styles dieses Jahr sind unter anderem: Cowboy, Terror-Clown, Piratin oder Krankenschwester.
- Fasnachts-Profis tragen die typischen Basler «Fasnachts-Masken». Es herrscht aber kein Zwang: Wenn Ihnen die Masken zu schwer sind, tragen Sie einfach Schminke auf oder kaufen Sie sich eine rote Clown-Nase. Hauptsache, Sie sind mit einem kleinen Accessoire am Start!
- Sie können nicht trommeln, und die Quer-Blockflöte ist auch nicht ihr Ding? Kein Problem: Es geht um den Lärm, ein Musik-Genie müssen Sie nicht sein. Nehmen Sie einfach einen lauten Gegenstand mit – eine Pfanne, einen Triangel, eine Sirene, egal was – und lärmen Sie fröhlich mit. Die «drey scheenschte Dääg» sind für alle da – auch für Sie. Musikalisch vollkommen Unbegabte behelfen sich für Knalleffekte einfach mit Feuerwerk. Hauptsache «Rädäbäng»!
- Rüsten Sie sich gut aus für den Morgestraich. Vergessen Sie Ihren Regenschirm nicht. Denken Sie daran, dass Ihre Fotos ohne Blitzlicht nichts werden. Je stärker der Blitz, desto besser.
- Wer ein richtiger Fasnächtler sein will, reibt andere Besucherinnen und Besucher mit den farbigen Papier-Schnipseln ein, die so schön an jeder Frisur und auch sonst überall kleben bleiben. Sie müssen die Konfetti aber nicht für teures Geld kaufen: Die Maskierten oben auf den Fasnachts-Autos haben genug davon. Und wenn Sie denen die Konfetti nicht abluchsen können: Lesen Sie sie einfach von der Strasse auf. Es hat genug für alle!
- Apropos Konfetti: Am meisten Freude an einer Konfetti-Schlacht haben die marschierenden Musikanten in Formation. Also immer feste drauf!
- Und apropos Schlacht: Es kann Ihnen passieren, dass die Clowns auf den Fasnachts-Autos Sie mit Orangen bewerfen. Nehmen Sie diese nicht mit, sondern knallen Sie sie mit voller Kraft zurück. Dieser Brauch erinnert an das Scharmützel zwischen Bürgern und Nachtwächtern am ersten Morgestraich.
- Echte Gemütlichkeit, das wissen die Insider, kommt in den Restaurants und Kellern auf. Hier können Sie richtig auf den Putz hauen. Schreien Sie «Hellau!» und «Alaaf!», geben Sie einen Schlager zum Besten, machen Sie eine Polonaise, schunkeln Sie ihre Banknachbarn an, tanzen Sie auf den Tischen – man wird Sie schnell ins Herz schliessen.
- Sie sehen das richtig: Alle, die sich an der Fasnacht amüsieren, sind sogenannt Aktive. Das betrifft selbstverständlich auch sämtliche Anwesenden des anderen Geschlechts. Sie können sich einfach alles erlauben, seien Sie nicht verklemmt, bloss keine Hemmungen.
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Sie haben es sicher gemerkt: Hier steht, was nicht ist. Fake News, um den Geist der Basler Fasnacht greifbar zu machen, ex negativo. Und wer wissen will, wies wirklich ist: «Das ist die Basler Fasnacht, in vier Minuten erklärt».
Einige der echten ungeschriebenen «Dos und Don’ts» hat das Comité hier zusammengetragen. Dort finden Sie auch sonst allerlei Wissenswertes zum Thema.