Das Prinzip Hoffnung

Von den neusten Plänen bei Novartis profitiert der Kanton Waadt. Die Basler Regierung hofft trotzdem auf einen Ausbau am Rheinknie. Doch Garantien dafür gibt es nicht.

Reine Glückssache: Obwohl Basel-Stadt Novartis grosszügig privilegiert, kann der Grosskonzern seine Strategie jederzeit ändern. (Bild: iStock)

Von den neusten Plänen bei Novartis profitiert der Kanton Waadt. Die Basler Regierung hofft trotzdem auf einen Ausbau am Rheinknie. Doch Garantien dafür gibt es nicht.

Die Westschweizer Medien machten sich Anfang Woche einen Spass daraus, die Umstrukturierungen bei Novartis als Duell zwischen den Novartis-Standorten in Nyon und in Basel zu beschreiben. «Novartis bevorzugt Nyon, Basel ist hart getroffen», titelte die «Tribune de Genève» , «Nyon lacht, Basel weint», war in der Westschweizer Pendlerzeitung «20 Minutes» zu lesen (beide Artikel online nicht verfügbar).

Noch vor zwei Jahren stand die Waadt als grosse Verliererin da, als Novartis ankündigte, das Werk in Nyon-Prangins zu schliessen. Nach einem gemeinsamen Kraftakt von Gewerkschaften bis zum Bundesrat machte Novartis eine Kehrtwende und beschloss, das Werk zu halten.

Über die kommenden Jahre sollen nun 60 Millionen Franken in den Ausbau des Standorts Nyon fliessen und weitere Stellen entstehen (siehe Box unten). Im Detail nicht näher ­bekannte Steuererleichterungen des Kantons Waadt und die Einzonung ­einer Landwirtschaftsfläche hatten den Entscheid von Novartis dabei massgeblich beeinflusst.

Brutschin widerspricht

In der Mitteilung von Anfang Woche zum Stellenabbau schreibt Novartis etwas vage von «Ressourcen-Verlagerung zur Unterstützung des starken Pharma-Portfolios». Die vom Abbau betroffenen Bereiche werden wenig konkret mit «Support» und «Pharma-Division» umschrieben. Von der Ressourcen- zur Stellenverlagerung ist es ein kleiner Schritt, und so erstaunt es nicht, wenn die Westschweizer ­Medien den angekündigten Stellen­abbau in Basel als Erfolg der Waadt verbuchen.

Der Basler Wirtschaftsdirektor Christoph Brutschin versucht, diese Darstellung aber zu widerlegen. Es gewinne nicht Nyon zulasten von Basel. In Nyon konzentriere sich Novartis auf völlig andere Bereiche als am Basler Hauptsitz. Mit dem angekündigten Stellenabbau würden nicht Arbeitsplätze verlegt, sondern am Hauptsitz Doppelspurigkeiten ausgemerzt. Vom erneuten Stellenabbau innerhalb von nur zwei Jahren lässt sich Brutschin ohnehin nicht entmutigen. Der Abbau sei keine Trendwende, sondern ein leichter Knick in der Entwicklung. Novartis habe ihm erneut versichert, im Novartis Campus bis in 20 Jahren rund 10 000 Personen zu beschäftigen. Derzeit arbeiten bei Novartis in Basel-Stadt 10 476 Personen, davon 7400 auf dem Campus.

Ex-Novartis-Chef Daniel Vasella verfolgte noch den Plan, das Firmengelände zu einem Ort für bis zu 13 000 Mitarbeitende auszubauen. Von dieser Zahl spricht in der Zwischenzeit niemand mehr. Und auch die 10 000 auf dem Campus sagen noch nichts aus über die Gesamtzahl der Arbeitsplätze in Basel-Stadt. Denn der weitere Ausbau des Campus, sagt Mediensprecher Satoshi Sugimoto, könnte mit einer Verkleinerung oder Umschichtung auf den übrigen Novartis-Arealen im Raum Basel einhergehen.

Keine Garantien für den Ausbau

Stetiger Zuwachs von Arbeitsplätzen ist auch bei Novartis keine Selbstverständlichkeit mehr, trotz Standort­optimierung und Milliardengewinn, der letztbekannte beläuft sich auf 9,6 Milliarden Dollar. Der auslaufende Patentschutz mehrerer Krebsmedikamente setzt den Pharmakonzern nach eigenen Angaben unter Druck. Die Folge ist ein weltweites Spar­programm mit den dazugehörigen «Ressourcenoptimierungen». Betroffen sind auch die USA, wo Novartis eine Fabrik mit über 500 Arbeitsplätzen schliesst.

In Basel bleibt der Kantonsregierung das Prinzip Hoffnung. Trotz der verkauften Hüningerstrasse, Sonderbaurechten auf dem Campus, dem Rückbau des Hafens St. Johann, Senkungen der Unternehmenssteuer und einem eigenen Passbüro – Garantien für ein weiteres Stellenwachstum bei Novartis gibt es keine.

Wie rasch man die Strategie ändern kann, zeigt Novartis in der Waadt deutlich. So erstaunt es nicht, wenn BastA!-Politikerin Tonja Zürcher Regierungsrat Brutschin eine «gewisse Leichtgläubigkeit» vorwirft. Der Pharmariese spielt die Kantone in ihrem Standortwettbewerb kaltblütig gegeneinander aus, schreibt sie in ­einem Leserkommentar auf tages­woche.ch. Und die Regierung sei darüber auch noch überrascht.

Novartis baut 500 Stellen ab

Anfang Woche hat Novartis angekündigt, in Basel 500 Stellen abzubauen. Vom Stellenabbau besonders betroffen ist die Pharma-Division, wo im Support und in der pharmazeutischen Entwicklung Stellen wegfallen sollen. Zugleich will Novartis schweizweit etwa gleich viele neue Stellen schaffen. Ausbauen will Novartis insbesondere den Standort Nyon, wo ein 24-Stunden-Betrieb eingeführt wird. In Basel sollen gemäss Novartis-Chef Pascal Brenneisen rund 300 neue Stellen entstehen. Zuletzt hatte ­Novartis vor zwei Jahren die Streichung von 750 Stellen angekündigt. Der Abbau beschränkte sich in der Folge auf 250 Arbeitsplätze.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 24.01.14

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