Das Schicksal ist ihm zuwider

Der Streik bei «Spar» in Dättwil ist offiziell beendet. An vorderster Front dabei war der Basler Pascal Pfister. Der Gewerkschaftsekretär der Unia ist ein Weltverbesser. Er wolle den Unterschied machen, sagt er. Jetzt rückt der 36-Jährige in den Grossen Rat nach.

Seit 2007 arbeitet Pascal Pfister bei der Unia. Beim «Spar»-Streik in Dättwil war er federführend. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Der Streik bei «Spar» in Dättwil ist offiziell beendet. An vorderster Front dabei war der Basler Pascal Pfister. Der Gewerkschaftsekretär der Unia ist ein Weltverbesser. Er wolle den Unterschied machen, sagt er. Jetzt rückt der 36-Jährige in den Grossen Rat nach.

Pascal Pfister hat ein paar aufwühlende Tage hinter sich. Seit Donnerstag sieht der 36-jährige Geschwerkschaftssekretär der Unia Aargau aber wieder Land: Sieben Tage nach Aufhebung der Blockade des «Spar»-Tankstellenshops in Baden-Dättwil hat das Einigungsamt des Kantons Aargau auf Antrag der Gewerkschaft Unia ein sogenanntes Einigungsverfahren eröffnet.

Somit soll eine Lösung zwischen «Spar» und der Gewerkschaft gefunden werden. «Nachdem die Spar-Leitung sich während über zwei Wochen weigerte, am Verhandlungstisch eine Lösung zu finden, ist eine Einigung wieder greifbarer. Für mich ist das ein persönlicher Aufsteller», sagt Pfister. Die Gewerkschaft fordert «Spar» nun auf, die fristlosen Kündigungen wieder zurückzunehmen, ansonsten würde man den Arbeitgeber verklagen. Seit zwei Tagen ist der Streik offiziell beendet.

Rastlos und schwermütig

Eine Woche zuvor in Baden-Dättwil: Gedankenverloren sitzt Pascal Pfister vor der blockierten «Spar»-Filiale. Seine innere Ruhe hat er provisorisch aufgegeben. Seit 20 Minuten hält er die Zigarette wie einen Kugelschreiber in der Hand, den Griff zum Feuerzeug schafft er nicht. Immer wieder blickt er auf sein Handy, liest E-Mails, schreibt SMS, ist auf Facebook und Twitter aktiv. Pfister will noch einmal Leute zur Tankstelle mobilisieren. Er ist rastlos, wirkt an diesem Donnerstagvormittag schwermütiger als sonst.

Ein paar Stunden später die grosse Ernüchterung. Nach einem elftägigen, schweizweit aufsehenerregenden Streik heben die Mitarbeitenden und die Unia beim «Spar»-Tankstellenshop in Dättwil ihre Blockade auf. Das Bezirksgericht Baden hat ihnen ein letztes Ultimatum gestellt, droht mit einem Polizeieinsatz. Statt mehr Lohn erhalten die elf Streikenden von ihrem Arbeitgeber die fristlose Kündigung.

Die Idealwelt von Pfister ist durcheinandergeraten. «Ich bin enttäuscht. Wir konnten uns nicht gegen Spar durchsetzen, weil das Gericht eingriff – nicht weil die Mitarbeitenden nicht mehr streiken wollen», sagt er kurz nach dem Gerichtsentscheid.

Aus katholischem Hause

Dass der Streik derart grosse Dimensionen annahm und so lange dauerte, hat der ehemalige Vizepräsident der Basler SP nicht erwartet. Er ging davon aus, dass nach drei Tagen alles vorbei ist. Stattdessen geht die Aktion in Dättwil als längster Streik im Schweizer Detailhandel in die Geschichtsbücher ein.

Wozu das Ganze? «Die Ungerrechtigkeit stört mich. Es gibt so viele Leute, die so hart arbeiten, aber nichts kriegen.» Pfister glaubt nicht an das Schicksal, es ist ihm zuwider, zu einfach. «Ich will den Unterschied machen. Ich glaube daran, dass man die Welt verbessern kann.» Deshalb sei er auch Gewerkschaftssekretär geworden. Er sei Idealist, die Gerechtigkeit sei ihm wichtig.

Aufgewachsen ist Pfister, der an der Universität Bern Ethnologie studierte, im Kleinbasel in der Nähe des Bläsischulhauses. Er und seine drei jüngeren Brüder wurden katholisch erzogen. Sein Vater, Xaver Pfister, war bis Ende 2012 Informationsbeauftragter der Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt. «Als Kind war ich noch gläubig. Heute bin ich es nicht mehr so», sagt Pfister. Die Religion habe aber schon einen Einfluss auf ihn gehabt.«Es war sehr interessant, katholisch aufzuwachsen. Ich bin gezwungen worden, mich mit philosophischen Fragen auseinanderzusetzen – etwa, was der Sinn vom Leben ist oder wie man sich gegenüber den Mitmenschen verhalten soll.»

Eine Hass-Liebe

Pfister beschreibt sich als «eher introventiert und nachdenklich». «Einige Leute sagen, ich würde immer traurig aussehen.» Dabei sei er eigentlich schon ein fröhlicher Mensch, jedoch komme dies wegen seiner Mimik nicht so rüber, sagt er.

Mit der Kandidatur fürs Präsidium der SP Basel-Stadt vor ein paar Monaten hatte Pfister kein Glück. Seine Genossen wollten lieber eine Frau an der Spitze. Pfiste erzielte im April an der Delegiertenversammlung 78 Stimmen – seine Gegnerin Brigitte Hollinger 102 Stimmen. Einige Parteimitglieder sagen, dass der 36-Jährige zu lange gezögert und zu wenig lobbyiert habe. Ansonsten hätte er es schon geschafft, heisst es. «Die Nicht-Wahl hat mich schon enttäuscht. Aber ich musste damit rechnen und hätte mich wohl schon früher für die Kandidatur entscheiden müssen». Natürlich hätte er den Job gerne gemacht, mit Brigitte Hollinger habe die Partei jedoch eine gute Wahl getroffen. Dafür wird Pfister jetzt Grossrat. Sein Parteifreund Dani Jansen tritt aus persönlichen Gründen per sofort – und vier Monate nach Legislaturbeginn – wieder aus dem Parlament zurück. Pfister wird Jansens Sitz als erster Nachrückender im Kleinbasel beerben.

Zu Pfisters engsten Vertrauten zählt SP-Grossrätin Sarah Wyss. Kennengelernt haben sie sich vor mehreren Jahren bei den Juso. Wyss war Präsidentin, Pfister ihr Vize. Seither sind die beiden immer wieder zusammen unterwegs. Nicht selten geht es dabei turbulent zu und her. Typische Kurzsätze zwischen ihnen: «Du nervst», «Halts Maul!» oder «Du musst gar nicht meinen!». Pfister sagt: «Wir haben beide sehr viel zusammen erlebt – sie zählt zu meinen besten Freundinnen. Wir streiten aber auch sehr viel und werfen uns alles Mögliche an den Kopf.»

Ähnlich formuliert es Wyss: «Bei uns ist es immer intensiv und emotional. Trotzdem kommt es immer gut heraus. Wir ergänzen uns, wissen uns gegenseitig zu beruhigen.» Sie seien zwar beide in der gleichen Partei, hätten aber dennoch politische Differenzen. «Er kämpft nun mal für seine Ideale – und er ist mit Herzblut Gewerkschaftler.»

Artikelgeschichte

Aktualisierung am 23. Juni 2013: SP-Grossrat Dani Jansen gibt seinen Rücktritt aus dem Parlament bekannt. Erster Nachrückender für die SP im Kleinbasel ist Pascal Pfister.

Nächster Artikel