Die NZZ nervt sich über Velofahrer, die sich um Verkehrsregeln foutieren. Sie würden wie die Rowdys fahren und sich dabei noch moralisch vorkommen. Doch das ist schwarzweiss gedacht. Eine kleine Streitschrift für das gepflegte Regelbrechen.
Gut für die Gesundheit, gut für die Umwelt: Radfahrer haben die Moral auf ihrer Seite, schreibt Joachim Güntner in der NZZ. Ihr gutes Gewissen sei so ausgeprägt, dass es gerne mal in Selbstgerechtigkeit umschlage. Da gilt keine rote Ampel mehr, Fussgängerzonen werden ignoriert, Autohupen sind prinzipiell eine Anmassung. Dann zitiert Güntner die Stimmen von Veloverfechtern: In einem auf Autos zugeschnitten Verkehr sollten Velofahrer auch mehr Freiheiten haben. Güntner ist damit nicht einverstanden: Autos nehmen sowieso ab, die Zukunft kommt, «es braucht dafür keine Rebellen und Rüpel.»
Ich breche Regeln, doch bin ich ein Rowdy?
Ich gehöre genau in Güntners Zielgruppe. Ich fahre dann und wann über rote Ampeln, wenn die Strasse frei ist. Eine leere Fussgängerzone nehme ich auch mal mit, oder eine Tramspur, wenn es daneben keine Strasse gibt.
Ich breche Regeln, doch bin ich ein Rowdy? Sehe ich nicht so. Auf dem Velo sehe und höre ich alles, ich habe noch nie jemanden angefahren, noch bin ich jemandem zu nahe gekommen. Die Aura von Fussgängern ist heilig. Ich breche Regeln, doch ich trage Verantwortung.
Der Frust als Velofahrer liegt darin: Man muss sich einer Reglementierung fügen, die einer Gefahr Rechnung trägt, die lediglich von Autos ausgeht. Selbst wenn ein Velokurier in vollem Stress in mich reinrast, breche ich mir wahrscheinlich nicht mal etwas. Autos sind gross, schwer und schnell. Wenn mich eines in mittlerem Tempo erfasst, bin ich vielleicht tot. Nur deswegen muss der Verkehr auf eine Weise übersichtlich gemacht werden, die völlig überflüssig wäre, wenn alle Velo führen.
Rowdys lassen sich auch durch Ampeln nicht bremsen.
Fahrspuren würden ausreichen, und Ampeln wären nur noch an Knotenpunkten nötig. Umsicht und Fussgängerstreifen würden den Verkehr regeln. Ich liebe es, einem Passanten auf der Passage, die ihm zusteht, in aller Form den Vortritt zu lassen. Natürlich gäbe es Rowdys, doch die lassen sich auch durch Ampeln nicht bremsen.
Doch was rede ich, ich bin gar nicht der Hippie, der für den Ausstieg aus dem motorisierten Individualverkehr missioniert. Unsinn, Autofahren ist herrlich. Auch wenn vielen das massvolle Verhältnis dazu abhanden gekommen ist. Ich bin nicht der Hippie, aber ich lasse mich auch nicht komplett fremdbestimmen von einer Gefahr, die von mir nicht ausgeht.
Hinter meinen Delikten steckt ein Kavalier und kein Chaot.