Das Vermächtnis des Schweizer Autobauers Monteverdi

Die Schweizer Automarke Monteverdi drängte sich in den 1970er-Jahren zwischen Ferrari und Lamborghini. Doch nach 15 Jahren ging der Firma der Sprit aus, seit 1985 ist die Garage in Binningen ein Museum. Dieses öffnet nur auf Anfrage – und spiegelt so den exklusiven Charakter der Fahrzeuge.

Bubenträume, aber nicht zum Anfassen: Rund 70 Autos sind im Monteverdi-Museum ausgestellt. 

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Die Schweizer Automarke Monteverdi drängte sich in den 1970er-Jahren zwischen Ferrari und Lamborghini. Doch nach 15 Jahren ging der Firma der Sprit aus, seit 1985 ist die Garage in Binningen ein Museum. Dieses öffnet nur auf Anfrage – und spiegelt so den exklusiven Charakter der Fahrzeuge.

Es sticht aus dieser Sommerserie über skurrile Museen heraus: das Monteverdi-Automuseum in Binningen. Denn dieses steht nicht für die Leidenschaft eines Sammlers, sondern jene eines Machers: Peter Monteverdi war der letzte grosse Autobauer der Schweiz. Sein Vermächtnis ruht hinter einer unscheinbaren Fassade, die nicht erahnen lässt, was sich dahinter verbirgt: 70 Fahrzeuge auf drei Etagen.

Monteverdi (1934–1998) war der Sohn italienischer Einwanderer, der Autosport seine Passion: Er arbeitete nicht nur in der Garage seines Vaters, er fuhr auch Rennen, mit der Zeit auf seinen Eigenkonstruktionen. 90-mal setzte er sich ins Cockpit, bis ihn 1961 ein schwerer Unfall auf dem Hockenheimring zur Vernunft brachte. Allerdings nur, was sein Leben als Rennpilot anging. Abseits der Rennstrecke reizte es den damals 27-Jährigen weiterhin, Risiken einzugehen und die Konkurrenz auszubremsen.

Skurrile Museen
In dieser Sommerserie richten 
wir die Scheinwerfer auf kleine regionale Museen, die im Schatten der grossen Leuchttürme stehen.  

Als einst jüngsten Ferrari-Händler der Welt verletzte es ihn, als Enzo Ferrari 1965 einem anderen Importeur den Vorzug gab. Trotzig sagte sich Peter Monteverdi: «Dann baue ich halt meine eigenen Sportwagen.» Der diese Anekdote erzählt, ist Paul Berger. Er hält den Namen Monteverdi hoch, war Chefverkäufer, beruflich und privat Partner.

Seit weit über 50 Jahren ist er für die Firma tätig, seit Monteverdis Tod 1998 ist er Nachlassverwalter. Und er redet noch immer ehrfürchtig vom Gründer – und im Präsens von den Autos. Für ihn ist Monteverdi noch lange nicht am Ende – auch wenn sein Museum Geschichten aus der Vergangenheit erzählt. 

«Wir machten den Ferrari-Kunden unsere eigenen Fahrzeuge schmackhaft», erzählt Berger. «Als erste Sportwagenfirma produzierten wir Automatikgetriebe, Klimaanlage und Lenkhilfe. Das kannte man damals noch nicht. Alle Experten sagten uns: Ihr spinnt.» Doch die Zeit gab ihnen recht. «Heute gibt es keinen Sportwagen mehr, der noch handgeschaltet ist.» Monteverdi, ein ideenreicher, ehrgeiziger Charakterkopf, hinterliess seine Spuren in der Sportauto-Geschichte. 

Ein Trumpf im Autoquartett

1970 wurde die Firma über Nacht weltbekannt: «Der ‹Hai› war die Sensation am Autosalon in Genf», sagt Berger beim Rundgang. Das schnittige Modell hatte 450 PS und raste in fünf Sekunden von 0 auf 100. Damit liess der Wagen auch Aston Martin oder Lamborghini alt aussehen und auch günstig. War der Monteverdi ‹Hai› mit 90’000 Franken doch teurer als die italienische und britische Konkurrenz. Das schlug sich auch in den beliebten Autoquartett-Spielen nieder: «Wer einen ‹Hai› hatte, war der König», sagt Berger.




Schnittig: Der «Hai» aus dem Jahr 1970. 

Im Museum ist nachvollziehbar, wie vor 50 Jahren Autos designt wurden: Anhand von Zeichnungen baute man ein Holzmodell. Nahm eine Blechtafel, legte sie auf das Holzmodell, hämmerte das Blech in Form, schnitt es aus und schweisste es schliesslich aufs Chassis.

Der ‹Hai› ging nie in Serienproduktion: Vier Modelle wurden hergestellt, drei davon stehen heute im Museum. Das vierte erzielte vor sechs Jahren bei einer Auktion in Paris 398’000 Euro, wie die «NZZ» berichtete.

Kundschaft erwartete Diskretion 

Dass der ‹Hai› nie serienmässig produziert wurde, ist gemäss Berger auch auf die Ölkrise in den frühen 1970er-Jahren zurückzuführen: Die Scheichs drehten den Hahn zu, die Benzinpreise explodierten, was sich gerade auch auf den Absatz des jungen Marktteilnehmers Monteverdi niederschlug: Seine durstigen Sportwagen waren weniger gefragt.

Deshalb sattelte er um, auf Luxus-Geländewagen. Mit Erfolg: Der Monteverdi Safari verlieh der Schweizer Marke nochmals Schub. Mehr als 3000 Stück wurden gebaut, der Renner aus Binningen war in den 1970er-Jahren seiner Zeit voraus: Mit einem Fernseher, einem Kühlfach – ja, es gab sogar Modelle mit Panzerglas. Der Terror der RAF und ähnlicher Guerilla-Armeen sorgte für die Nachfrage.




Bauten Luxus-SUV, bevor es diesen Begriff überhaupt gab: Monteverdi.

Und wer hat solche Autos gekauft? «Wir sind wie Gstaad: verschwiegen», sagt Berger. «Unsere besten Kunden waren im Iran, Irak und Libanon zu Hause», lässt er sich immerhin entlocken. Und der Schah von Persien, fuhr auch er einen Monteverdi? «Ja. Er brachte seine Fahrzeuge jeweils nach Binningen in den Service – mit einem Transportflugzeug.» 

Einmal pro Jahr dürfen die Autos auf die Strasse

So exklusiv die Marke war, so exklusiv sind heute die Öffnungszeiten des Museums. Man kann es nur nach Voranmeldung besuchen, für den Preis von 250 Franken, womit bewusst Gruppen angesprochen werden. Warum? «Als wir noch für einzelne Besucher offen hatten, kam es immer wieder zu Schäden an Fahrzeugen. Der Aufwand, alles zu überwachen, war uns zu gross», sagt Berger. «Also entschieden wir uns für weniger Besucher – und weniger Aufwand. Denn das Museum ist sehr teuer im Unterhalt.»

Und diesen finanziert Berger privat. Gab es nie einen Zustupf vom Kanton Baselland? Er winkt ab. «Hören Sie auf!» Probiert hat er es mal, weil das Museum nach 30 Jahren erneuert werden sollte. Doch stiess er beim klammen Kanton auf geschlossene Ohren. 50’000 Franken wurden ihm angeboten, aus dem Lotteriefonds. Berger, so stolz wie Monteverdi, verstand diesen Tropfen auf den heissen Stein als Affront. 

Übrigens: Die Fahrzeuge in Binningen werden ein- bis zweimal pro Jahr gefahren. «Damit die Motoren laufen», sagt Berger. Am Steuer sitzen Mitglieder des Monteverdi-Clubs, Sammler, die Freude an Autos haben. Und von denen gebe es auch in der Region Basel mehr als man denke. Wer dazugehört, verrät er nicht. Die Diskretion des Luxushändlers hat er sich bis heute bewahrt. So wie die Erinnerung an die goldenen Tage des Monteverdi-Werks in Binningen.
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Monteverdi Automuseum, Oberwilerstrasse 20, Binningen. Zutritt nur auf Voranmeldung und nur für Gruppen.
061 421 45 45. 
www.monteverdi-automuseum.com

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