Der Kessel, mit dem die Zürcher Polizei Basler Fans stoppte, ist nur ein Vorgeschmack auf das neue Konkordat und den verschärften Umgang mit Besuchern von Sportanlässen. In Basel regt sich Widerstand dagegen.
Am Montag bekam die Stadtpolizei Zürich die Quittung. Für das «dümmste und unnötigste Gesetz», ein absurdes Verbot für einen Restaurantbesitzer, verlieh die IG Freiheit der Behörde den «rostigen Paragraphen». Preisverdächtig war auch der Auftritt der Zürcher Polizei am Tag zuvor beim Spiel der Super League zwischen dem FC Zürich und dem FC Basel. Mit einem selten gesehenen Aufgebot, mit Helikopter, Wasserwerfern und einer nicht bezifferten Anzahl von Kräften wurden Fans des FC Basel empfangen.
Genauer: In einem Kessel wurden Hunderte FCB-Anhänger, die in Privatfahrzeugen angereist waren und im Kreis 5 geparkt hatten, festgehalten und kontrolliert.
Es war eine geplante Aktion. Das legen Auszüge des Einsatzplans der Stadtpolizei nahe, die der TagesWoche vorliegen (siehe Lageplan). Nur wenige Meter entfernt von der vorgesehenen Stelle schnappte die Falle auf der Duttweilerbrücke zu. Die meisten Fans aus diesem Pulk verpassten den Anpfiff im Letzigrund, der Basler Sektor blieb quasi leer. Die Zürcher Südkurvenfans solidarisierten sich in einer bisher nicht gekannten Weise mit den Rivalen aus Basel und räumten ihren Block demonstrativ.
Die Zürcher Polizei feierte ihre Aktion als Erfolg. Das Communiqué dazu zirkulierte bereits, da war die Partie noch gar nicht abgepfiffen. In einer gleichlautenden Erklärung beider Fankurven wurde der Polizeieinsatz dagegen als «völlig unverhältnismässig» kritisiert. Und FCZ-Präsident Ancillo Canepa empörte sich über eine «Machtdemonstration» der Zürcher Polizei.
Polizei reizt Mittel aus
Der «Duttweiler-Kessel» vom 6. Mai ist das Ergebnis einer jahrelangen Entwicklung, in der sich Sicherheitskräfte und Fussballfans gegenseitig hochschaukeln. Verschärft die Polizei ihre Einsatzdoktrin, reagieren die Fans mit Gegenaktionen. Die Polizei reizt den Rahmen ihrer Repressionsmöglichkeiten aus, und die Fans pochen auf Grundrechte – im aktuellen Fall auf die Bewegungsfreiheit. Es ist zu einem Katz-und-Maus-Spiel geworden.
Was die Zürcher Polizei bereits im Vorfeld des jüngsten Klassikers geplant hatte, war ein Vorgeschmack für das, was mit dem verschärften Konkordat «über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen» auf den Weg gebracht worden ist. In einem internen Papier, das der TagesWoche vorliegt, wurde das Prinzip vorgeschlagen, das im niederländischen Alkmaar umgesetzt wird: Gästefans kommen nur noch in kleinen Gruppen ins Stadion. Nach diesem Beispiel sollten Basler Fans in Reisebussen gestaffelt nach Zürich transportiert werden und auf einer Autobahnraststätte Voucher gegen Eintrittskarten eintauschen. Der FC Basel sollte eine Namensliste führen, dafür sorgen, dass niemand mit Stadionverbot einen Voucher erhält, und gleichzeitig mit PR-Aktionen gute Laune unter den Fans verbreiten.
«Dieses Vorgehen ergibt einen optimalen Komfort für die Fans», heisst es in dem internen Papier. Bei den Beteiligten, vor allem beim FC Basel, wurde der Vorschlag verworfen. Damit bleibt es bei der verhärteten Situation, die ihren Ausdruck in Einsatzplänen wie jenem vom Sonntag findet (vgl. die beinahe liebevoll rot-blau eingefärbte Skizze). Engste Begleitung durch ein massives Aufgebot von Polizeikräften und Wasserwerfern. Dass die Basler Fans diese Doktrin nicht länger akzeptieren wollen, ist spätestens seit dem 23. Oktober des vergangenen Jahres klar, als sie am Bahnhof Altstetten gleich wieder kehrtmachten.
Erster Erfolg für die Gegner
Gegen die nun zusätzlich vorgesehene Verschärfung des Konkordats regt sich vor allem in Basel Widerstand, wo die Fanszene besser organisiert ist als in anderen Städten und auch zur Politik Kontakte bestehen. Das zeigte sich auch daran, dass eine Reihe von Grossräten aus verschiedenen Parteien bereits im Februar angekündigt hatten, dem neuen Konkordat die Zustimmung zu verweigern. Mit dieser Androhung haben sie nun auch einen ersten Erfolg erzielt. Wie die TagesWoche bereits berichtete, hat der abtretende Sicherheitsdirektor Hanspeter Gass (FDP) erkannt, dass «rund ums Konkordat noch einiger Kommunikationsbedarf besteht» – und entschieden, sich mit dem Geschäft keinen weiteren Ärger einzuhandeln. Darum überlässt er es seinem Nachfolger, der Ende Oktober gewählt wird.
Und dieser Nachfolger wird im Gegensatz zu Gass aller Voraussicht nach ein entschiedener Konkordatsgegner sein. «Die Freiheitsrechte sind das eine», sagt zum Beispiel Baschi Dürr (FDP), der aussichtsreichste Aspirant auf Gass’ Posten: «Fast noch wichtiger ist für mich aber die Frage der Effektivität: Ich bin der Überzeugung, dass wir in der Polizeiarbeit wieder mehr Pragmatik und gesunden Menschenverstand an der Front brauchen – und kein Wettrüsten am grünen Tisch.» Gut möglich also, dass sich nach den Wahlen auch die Regierung gegen eine weitere Verschärfung der Kontrollen ausspricht und der angekündigte Widerstand im Parlament gar nicht mehr nötig sein wird.
In der übrigen Schweiz bleiben die Behörden hart
Einen direkten Einfluss hat die Basler Entscheidung in Sachen Konkordat nicht. Wo die Neuerungen ratifiziert werden, treten sie automatisch in Kraft – egal, was in den anderen Kantonen geschieht. In erster Lesung bereits gutgeheissen worden ist das Konkordat in St. Gallen, in Luzern ist der Prozess schon weit gediehen und auch aus anderen Kantonen gibt es keine Signale, die auf eine Ablehnung hindeuten. «Wir sind nicht zwingend auf Basel angewiesen», sagt denn auch Roger Schneeberger, Generalsekretär der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren, «aber aus sportpolitischer Sicht wäre es ein wichtiges Zeichen, wenn auch die Basler dabei wären.» Zu gross sei der Club, zu wichtig die Fanbasis, als dass man darauf verzichten möchte.
Im Moment wird an der Umsetzung der Bewilligungspflicht gearbeitet, bis im November werden Resultate erwartet. Schneeberger verspricht: «Wir wollen alle einbinden und zeigen, dass wir eine Umsetzung mit Augenmass planen.» Es sei nicht nötig, bei jedem Spiel rigoros durchzugreifen.
Ja: Spiele zwischen mittelgrossen, mittelmässigen, mittelländischen Mittelfeldclubs werden auch künftig mit einem vernünftigen Aufgebot zu bewältigen sein. Anders bei den Grossen und Guten. Nicht nur der Vorfall vom vergangenen Sonntag zeigt, dass die Fans des FC Basel das «rigorose Durchgreifen» jetzt schon bestens kennen. Zum Beispiel in Bern. Für den Cupfinal vom nächsten Mittwoch hat der Sicherheitsdirektor Reto Nause einen Fanmarsch durch die Stadt «zähneknirschend» und mit Hinweis auf den nationalen Charakter des Cupfinals akzeptiert. Nause zählt aber weiterhin zu den flammendsten Befürwortern des verschärften Konkordats für den Liga-Alltag. Damit werde die Vorrangstellung der Kantone und Behörden untermauert. «Wir halten den Kopf hin», sagt Nause, «und darum sollten es auch wir sein, die die Regeln definieren können.»
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 11.05.12