Erst die Forderung nach einem kollektiven Rücktritt, dann nach Lohnkürzungen für den gesamten Regierungsrat – aus dem Nichts gekommen, prägt die Juso Baselland vor der Abstimmung über die Sparvorlagen plötzlich die politische Agenda. Poltern, provozieren und nun auch politisieren. Die Jungpartei hat neuen Schwung erhalten.
Die Juso Baselland hat in den vergangenen Tagen mehr erreicht, als sie sich erhofft hat. Kaum war die Medienmitteilung mit der Rücktrittsforderung an den Regierungsrat raus, ging alles ganz schnell. Erst sprangen die Grünen auf, dann die Medien, die SP. Inzwischen mussten sich alle Parteipräsidentinnen und Präsidenten mit dem Thema auseinandersetzen und die Regierungsräte erst recht.
Natürlich haben Präsident Adrian Mangold und die beiden Vizes Jan Fässler und Adil Koller geahnt, dass so eine Rücktrittsforderung für Furore sorgen könnte. Poltern, provozieren, das gehört zu den Stärken der Jungpartei. Dass sie aber so zielsicher den Nerv der aktuellen Lage trifft, daran haben selbst Mangold, Koller und Fässler nicht geglaubt.
«Wir haben die Medienresonanz in diesem Ausmass nicht erwartet», sagt Mangold. Er sitzt mit seinen beiden Vizes im Unternehmen Mitte, beantwortet zum x-ten Mal in den vergangenen 14 Tagen die Fragen eines Journalisten. Die drei sind 18 (Koller), 23 (Mangold) und 25 (Fässler) und erst seit Februar in ihren Ämtern. Dennoch wirken sie wie ein altes, eingespieltes Team, wenn sie die Sätze des anderen beenden.
Koller: «Normalerweise gilt die Juso ja so als recht provozierende Partei, …»
Mangold: «… nicht ernst zu nehmend und plötzlich…»
Koller: «…bleibt unsere Forderung auf der Traktandenliste…»
Fässler: «…und alle springen auf das Thema auf.»
Die Juso Baselland hat in der Vergangenheit selten die politische Agenda bestimmt. Dass sie nun plötzlich mächtig für Wirbel sorgt, hat mit zwei simplen Worten zu tun: «Es längt.» Es war die Quintessenz der Retraite des Vorstandes. «Wir haben überlegt, was sind unsere Schwerpunkte, wie wollen wir uns Positionieren und am Ende war klar», sagt Koller und Fässler fährt fort, «es braucht eine Veränderung, eine grosse».
Keine Provokateure, keine Rebellen
Die Rücktrittsforderung wurde ihnen als reine Provokation angekreidet. «Ein wichtiges Instrument», urteilte SP-Regierungsrat Urs Wüthrich in der «Basler Zeitung» fast mild. Stempelte die Kritik am Regierungsrat aber als zu kurz gegriffen ab, weil die Juso moniert, dass «Steuergeschenke an Reiche» gemacht werden. Die Presse nannte die Forderung nach einem «Köpfe rollen» abwechslungsweise einen «Tabubruch» oder einen politischen «Zweihänder». Der Parteivorstand widerspricht dem vehement. «Wir wollen nicht provozieren. Wir sehen keinen Weg, wie sich mit der bisherigen Regierung irgendetwas ändern soll», sagt Fässler.
Sie wirken tatsächlich auch nicht als Provokateure oder Rebellen, wie man sie sich bei der Juso vorstellt oder wie man sich Leute vorstellt, deren erstes Gebot der Konflikt ist. Die Haare sind akkurat geschnitten, die Garderobe gepflegt, die Wortwahl pointiert, aber nicht polemisch. Vor allem – und das hat sich auch gemäss ihrer eigenen Meinung geändert in der Politik der Juso – legen sie Wert auf Argumente. Sie haben dem vermeintlichen «Tabubruch» vier weitere Forderungen nachgeschoben: «Keine nutzlosen Kostenüberwälzungen auf die Gemeinden, «kein Sparen bei Bildung, ÖV und Gesundheit», «der Regierungsrat soll auf einen Teil seines Lohnes verzichten» und es brauche «eine sinnvolle, soziale und nachhaltige Steuerpolitik».
Fundierter Protest
Während der eine spricht, zieht der andere Statistiken zu den «Steuergeschenken» aus der Tasche. Kantonaler Vergleich der Unternehmenssteuern, Vermögenssteuersatz-Übersichten. Sie tragen ein Arsenal an «fundierten Argumenten» mit sich, haben sich wirklich etwas überlegt bei ihren Forderungen.
Mangold: «Man hat uns aber nicht ernst genommen, uns belächelt, belehrt, aber unsere Argumente wollte keiner hören.»
Koller: «Wir wurden instrumentalisiert für eine Polemik. Von unseren fünf Forderungen hat sich die Presse die Lohnkürzungen herausgepickt und darauf fokussiert.»
Fässler: «Aber selbst da mussten sie uns teilweise Recht geben.»
Koller: «Der Kommentar in der Basler Zeitung war bezeichnend. Der Journalist gab uns im Grundsatz Recht: Wenn alle Lohneinbussen hinnehmen müssen, dann sollte das der Regierungsrat auch.» Koller wird lauter: «Die geforderten 30 Prozent seien aber populistischer Blödsinn! In der Folge wurde nur über die Höhe diskutiert und gar nicht mehr über unser ursprüngliches Argument.»
Mangold: «Wenn der Regierungsrat von Opfern spricht und sie fordert, sollte er mit gutem Beispiel voran gehen…»
Fässler: «…und auf einen Teil des Lohnes verzichten.
Die anderen Parteien haben die Juso abgekanzelt und ausgelacht für die Forderung. Alt Regierungsrat Peter Schmid (SP) sah sich dennoch bemüssigt zu einem Gastkommentar in der BaZ. Er nannte den Vorstoss «seltsam unpolitisch». Nicht etwa der Umbau des Besoldungssystems werde gefordert, sondern ausschliesslich die Lohnreduktion einer «sehr kleinen» Gruppe. Symbolische Handlungen würden aber der angespannten Finanzlage des Kantons Baselland nicht wirklich helfen.
Mangold: «In der Verwaltung soll es aber auch Lohnkürzungen geben. Warum kann man einem, der unten sitzt, den Lohn kürzen, aber der Regierungsrat tut das bei sich selber nicht?»
Fässler: «Vor allem angesichts dessen, dass es ein substanzieller Beitrag wäre. In einem Vorstoss stimmen wir darüber ab, ob die Post in Zukunft mit A+ statt eingeschrieben verschickt wird. Diese Massnahme bringt 40 000 Franken Einsparungen.»
Mangold: «Wenn man aber nachrechnet, könnte man mit den Einsparungen beim Regierungsrat einen Drittel der BVS 2 bezahlen.»
Koller: «Was etwa rund 500 000 Franken sind.»
Mangold: «Und dabei geht es um die Zukunft von jungen Menschen, die nicht gleich eine Lehrstelle finden. Denen also eine Perspektive fehlt.»
Diese drei jungen Männer wollen ihre Forderungen nicht nur begründen, sie hören auch ganz genau zu. Es mag eine symbolische Forderungen sein, aber wenn die Regierung sagt, es komme auf jeden Rappen an, dann nehmen sie sie eben beim Wort. Wie damals, als Adil Koller ganz genau das Protokoll von Sabine Pegararos Rede im Landrat zum Gymnasium Münchenstein gelesen hat.
«Wir sitzen im Winter bei 14 Grad in der Aula. Frau Pegoraro sagt aber, es ist eigentlich schon warm in der Aula», er verstellt die Stimme, «’aber am Fenster kann es subjektiv zu einem Temperaturabfall kommen‘. Die kennen die Realität einfach nicht in Liestal, das macht einen wütend!» Genau deshalb hat er mit seinen Mitschülern demonstriert, sich gegen den Bilddungsabbau im Kanton gewehrt, sich für die Schule eingesetzt – als Teenager.
Verantwortung übernehmen und für Rechte kämpfen
Sie haben alle früh festgestellt, «dass sie Verantwortung übernehmen müssen» (Fässler) oder «für ihre Rechte kämpfen wollen» (Mangold). Oder wie es ist, wenn plötzlich beide Elternteile ihren Job verlieren, die bei der Post gearbeitet hatten und dort Opfer von Restrukturierungen wurden (wie bei Koller). Irgendwann sassen sie letztlich alle in der Mitgliederversammlung der Juso, verstanden zunächst nichts, liessen sich aber nicht entmutigen und haben es nun geschafft: Sie haben ein Thema gesetzt.
Dass sie als Jungpartei ohne Verteter im Regierungsrat oder im Landrat kritischer sein können, weniger Verantwortung tragen und deshalb forscher politisieren können, ist Fässler, Mangold und Koller klar. Ein Thema aufs politische Parkett zu hieven, reicht ihnen deshalb nicht, sagt Mangold: «Unser Ziel ist erst erreicht, wenn der Kanton wieder gesund da steht.»
Der Regierungswechsel ist ein Teilziel auf dem Weg. Die Juso sind der Meinung, dass es neue Leute braucht, die nicht für die jetzige Krise verantwortlich sind. Neue Regierungsräte würden unvoreingenommen die Themen betrachten, Vor- und Nachteile von Entschlüssen neutraler abwägen. Ob mit den aktuellen oder neuen Leuten brauche es aber eine neue Steuerpolitik, neue Investitionen, eine langfristige Strategie und einen neuen Kanton. «Es ist lächerlich, dass in diesem Kanton alles was neu, innovativ oder visionär ist, im Voraus abgeschmettert wird», sagt Koller. Das beste Beispiel sei der Leiter der Wirtschaftsförderung, der eine Kantonsfusion «nicht einmal in Betracht ziehen möchte». Dass sie mit ihrer Meinung auf dem richtigen Weg sind, davon sind Mangold, Fässler und Koller überzeugt.
Mangold: «Ich habe aber das Gefühl, dass man uns nicht ernst nimmt und Recht geben will, weil wir eine Jungpartei sind.»
Koller: «Dass erst die Grünen, dann die Medien und die SP aber nun auf unsere Forderungen eingegangen sind, ist genial, weil es den Zustand dieses Kantons und der Regierung zeigt.»
Mangold: «Sie sagen damit: Eigentlich haben sie ja Recht, aber…»
Alle durcheinander: «…es ist die Juso!»