Der Nationalrat diskutiert am Mittwoch den Kauf der Gripen-Kampfjets. Der richtige Zeitpunkt für einen Blick zurück auf die Entstehung der Luftwaffe. Im Fokus: Der Baselbieter Fliegerstar Oskar Bider und die Geschichte einer Bruchlandung.
1913 wurde für den jungen Flugpionier Oskar Bider zunächst zum Jahr der grossen Triumphe. Im Januar flog der frisch brevetierte Pilot mit seiner Blériot XI von Frankreich über die Pyrenäen nach Spanien. Im Juli gelang ihm der Flug von Bern über die Alpen nach Mailand; im selben Monat überquerte er die Berge auf seinem Rückflug ein zweites Mal.
Seine spektakulären Flüge machten Bider zu einem der populärsten Flugpioniere der Schweiz. Als er am 26. Juli 1913 von Mailand zurückflog, strömten die Baslerinnen und Basler in Scharen auf die Schützenmatte, um ihn landen zu sehen. Und in Bern bereiteten ihm anschliessend über 10’000 Schaulustige einen begeisterten Empfang.
Die Fliegerlobby macht Druck
1913 war auch das Jahr, in welchem die Symbiose von ziviler Luftfahrt und Schweizer Armee intensiver wurde. Die Anfänge dieses Zusammenwirkens gingen auf die Jahrhundertwende zurück. 1897 hatte das Parlament grünes Licht zur Schaffung einer Ballontruppe der Schweizer Armee gegeben, 1901 gründeten 72 Ballonfahrer den Aero-Club der Schweiz. Der Kommandant der Ballontruppen und der erste Präsident des Aero-Clubs war ein und dieselbe Person: Oberst im Generalstab Theodor Schaeck (1856–1911).
Das Interesse an der militärischen Nutzung von Ballonen befand sich allerdings 1913 schon wieder im Sinkflug. Stattdessen setzten interessierte Kreise neu auf Propellerflugzeuge.
Auftrieb erhielt die Fliegerlobby nicht zuletzt durch eine Aktion der Schweizerischen Offiziersgesellschaft. Diese hatte am 1. Dezember 1912 nach heftigen Diskussionen an einer ausserordentlichen Generalversammlung beschlossen, eine nationale Sammlung für die Schaffung einer Schweizer Militäraviatik durchzuführen. Die Sammelaktion war derart erfolgreich, dass am 9. Mai 1913 dem Eidgenössischen Militärdepartement die Summe von 1,7 Millionen Franken übergeben werden konnte. Einer, der nicht unwesentlich mit zahlreichen Schauflügen in seiner Privatmaschine zum Erfolg dieser Aktion beigetragen hatte, war Oskar Bider.
Für den 7. bis 11. September waren Manöver der 2. Division der Schweizer Armee angesagt. Diese wollte offenbar auch die Fliegerlobby für ihre Zwecke nutzen. So liest man in der in Sissach erscheinenden «Volksstimme» vom 26. Juli die folgende Kurznachricht: «Dem Militärdepartement haben schon etwa 20 patentierte Schweizer Aviatiker ihre Dienste anerboten. Mit einigen schweben Unterhandlungen wegen ihrer Teilnahme an den diesjährigen Manövern.» Oskar Bider, seit dem 14. Februar 1913 Mitglied der vom Bundesrat am 9. November 1912 geschaffenen Kommission zu Fragen der Militäraviatik, war einer der zwei oder drei Piloten, die im Rahmen dieser Manöver schliesslich starteten.
Der erste Kommandant
Offenbar um sich bestmöglich vorzubereiten, unternahm Bider am Abend des 18. August 1913 gegen 22.30 Uhr einen 10-minütigen Nachtflug über Bern. Start und Landung erfolgten bei der Ballonhalle auf dem Beudenfeld. Die Landebahn war durch Lichter kenntlich gemacht. In der «Volksstimme» war über Biders Nachtflug zu lesen: «Der kühne Luftpilot hat ein weiteres Wagnis, eine Nachtfahrt, glücklich bestanden. Bider führte auch am Apparat zwei Lichter mit. Das durch die nächtliche Finsternis in ungefähr 300 Meter Höhe dahinsausende Flugzeug machte einen eigenartigen Eindruck.»
Trotz dem geglückten Nachtflug im August endete Biders Teilnahme an den Herbstmanövern mit einer Bruchlandung. In den frühen Morgenstunden des 10. September 1913, kurz nach vier Uhr früh, startete Bider mit seiner Blériot XI bei Laupen zu einem Aufklärungsflug. Als Beobachtungsoffizier mit dabei auf dem zweiten Sitz: Hauptmann Theodor Real, der erste Kommandant der im August 1914 eilig gegründeten Schweizer Fliegertruppen.
Einsatz für die Militärversicherung
Biders Plan war es, einen grossen Umgehungsflug zu unternehmen, dann die feindlichen Truppen zu überfliegen und mithilfe von Leuchtkugeln die Stärke, die Anmarschrichtung und die Artilleriestellungen von Rot zu erkunden. Doch Bider hatte die Rechnung ohne den Wettergott gemacht.
Während des Umgehungsflugs geriet die Blériot XI in ein heftiges Gewitter, das über das bernische Mittelland zog. Nachdem Bider im Licht der Leuchtkugeln bei Oberlindach eine geeignete Wiese ausgemacht hatte, setzte er zur Notlandung an. Dabei touchierte die Blériot XI den Mast einer elektrischen Leitung, den Bider in der Dunkelheit nicht gesehen hatte. Darauf grub sich ein Flügel in den Boden, wodurch die Maschine umgeworfen und gedreht wurde.
Bider wurde eingeklemmt und musste von Beobachtungsoffizier Real aus den Trümmern befreit werden. Die beiden hatten Glück im Unglück: Bider erlitt nur leichte Kopfverletzungen, Real kam mit dem Schrecken davon. Die Blériot XI war bei der Militärversicherung mit 23’000 Franken versichert.
Private wurden die erste Fliegertruppe
Biders Crash scheint auf die Überlegungen der Kommission für Militäraviatik keine grossen Auswirkungen gehabt zu haben. Im März 1914 liess sie Testflüge mit zwei Eindeckern – darunter auch die Blériot – aus Frankreich und drei Doppeldeckern aus Deutschland und Österreich durchführen. Darauf beschloss der Bundesrat am 23. Juni 1914 die Beschaffung von sechs deutschen LVG-Doppeldeckern. Zur Auslieferung sollte es jedoch infolge des Ersten Weltkriegs nicht mehr kommen.
Als Hauptmann Real am 31. Juli 1914 mit der Aufstellung einer Fliegertruppe betraut wurde, musste er improvisieren. Besitzer von Flugzeugen wurden zum Dienst aufgeboten, zudem wurden zwei an der Landesausstellung gezeigte ausländische Flugzeuge kurzerhand requiriert. Bei der Fliegertruppe als Cheffluginstruktor dabei: Korporal Oskar Bider mit seiner neuen Blériot.