In Kuwait setzt sich die Opposition immer lauter für mehr Demokratie ein. Der herrschende Emir versucht mit Geld und Polizeigewalt dagegen zu halten.
Im Golfstaat Kuwait brodelt es. Nachdem im arabischen Frühling mehrere Staatsoberhäupter gestürzt wurden, ist auch die Opposition im ölreichen Emirat mutiger geworden. Sie hatte sogar die Parlamentswahlen im Februar gewonnen und will jetzt nicht zulassen, dass der Emir einmal gewährte Rechte zurücknimmt. Zehntausende gingen deshalb am Sonntag in Kuwait-City auf die Strasse, um die Rücknahme einer Wahlgesetzänderung zu verlangen, die der Emir verfügt und sich dabei sogar über einen Gerichtsentscheid hinweggesetzt hatte.
Es war eine der grössten Kundgebungen, die das Land jemals gesehen hatte. Ungewöhnlich brutal war auch das Vorgehen der Sicherheitskräfte. Mit Schlagstöcken, Tränengas und Lärmgranaten trieben sie die Menschen auseinander. Über hundert Teilnehmer der nicht bewilligten Demonstration wurden verletzt, mehrere Abgeordnete des aufgelösten Parlamentes festgenommen. Sie werden beschuldigt, den Emir zu kritisieren, was in Kuwait unter Strafe steht. Am Montag hat das Kabinett verboten, dass sich mehr als 20 Personen in der Öffentlichkeit treffen.
Demokratischer Rückschritt
In seinem Dekret hatte der Emir des drittgrössten Opec-Ölproduzenten verfügt, dass in Zukunft Bürger und Bürgerinnen in ihrem Wahlkreis nur noch einem Kandidaten anstatt wie bisher vier Kandidaten ihre Stimme geben können. Die Opposition sprach von einem «Verfassungscoup»; sie befürchtet, dass mit diesem System das Herrscherhaus der Sabah, sich ein genehmes Ja-Sager-Parlament zusammenstellen kann. Über viele Jahre hatten politische Aktivisten für ein Wahlsystem gekämpft, das Manipulation möglichst ausschliesst und dafür auch den Segen der Justiz erhalten. Wenn die Opposition ihre Forderung nicht durchsetzen kann, will sie die für den 1. Dezember angesetzten Parlamentswahlen boykottieren.
Verglichen mit den Nachbarstaaten am Golf hat das 50-köpfige Parlament in Kuwait relativ umfangreiche Kontrollrechte. Parteien sind zwar verboten, aber es gibt verschiedene politische Gruppierungen. Die Abgeordneten können etwa Minister anhören, was regelmässig in hitzigen Debatten geschieht. Im vergangenen Jahr wurde auch ein riesiger Korruptionsskandal aufgedeckt, in den Minister und Abgeordnete verstrickt waren. Bisher ist aber immer ein Mitglied der Sabahs Regierungschef und die Familie weigert sich, einen andern Premier zu benennen. Sie ist auch nicht bereit, ihre absolute Herrschaft aufzugeben und eine konstitutionelle Monarchie einzuführen, wie das ein Teil der Opposition verlangt.
Ölmilliarden gegen Ruf nach Freiheit
Wenn es dem 83-jährigen Emir zu bunt wird, löst er das Parlament jeweils auf – zum letzten Mal im Juni die erst im Februar gewählte Kammer – und schreibt Neuwahlen aus. Seit 2006 löst deshalb im reichen Ölstaat, einem engen US-Verbündeten, eine politische Krise die andere ab. Das Herrscherhaus hat nach dem Ausbruch des arabischen Frühlings im vergangenen Jahr gezielt versucht, seinen Reichtum einzusetzen, um den generösen Wohlfahrtsstaat weiter auszubauen und ökonomische Unzufriedenheit erst gar nicht aufkommen zu lassen. Den Ruf nach mehr politischer Mitsprache, der schon länger zu hören ist, konnte das Herrscherhaus damit aber nicht zum Verstummen bringen.