Der Erasmus-Entscheid manövriert die Schweizer Unis in die Abhängigkeit

Rund 200 Basler Studierende wissen nicht, ob sie im Herbst ihr Auslandsemester antreten dürfen. Dieser Entscheid liegt nun beim Bund und bei den ausländischen Partneruniversitäten.

Studenten beerdigen in Bern symbolisch Horizon 2020 und Erasmus (Bild: sda)

Rund 200 Basler Studierende wissen nicht, ob sie im Herbst ihr Auslandsemester antreten dürfen. Dieser Entscheid liegt nun beim Bund und bei den ausländischen Partneruniversitäten.

«Nächsten Herbst: Erasmus in Barcelona akzeptiert!!» Die Zeit der Vorfreude kündigte sich auf Facebook gerade wieder an, die ersten Glücklichen unter den Studierenden bekamen ihre Zusagen. Erasmus, das ist Studieren im Ausland, ein-, zwei Semester auf Englisch, Spanisch oder Französisch in den Metropolen Europas.

Doch seit gestern steht das Zückerchen im Studium arg auf der Kippe. Die Schweiz wird fortan von der EU im Studienaustausch «Erasmus+» als Drittstaat behandelt. Deshalb werden Schweizer Studierende ab Herbstsemester 2014 vorerst nicht zum Auslandstudium zugelassen. Die Verunsicherung unter Studierenden und den Administratoren an Schweizer Universitäten ist gross.

«Machen die Partneruniversitäten nicht mit, können wir nichts tun.»

Gérald Zimmermann, Leiter Mobilität Uni Basel

«Wir versuchen momentan, die Partneruniversitäten zu bewegen, dass die Mobilität bestehen bleibt. Studierende aus dem Ausland sind hier weiterhin willkommen», sagt Gérald Zimmermann, Leiter der Studienmobilität der Uni Basel. «Wir befinden uns durch die Neuverhandlung der Mobilitätsverträge in rechtsfreiem Raum. Wir sind auf den Goodwill der Partnerunis angewiesen. Wollen diese nicht, können wir nichts tun», gesteht Zimmermann.

«Mobilität funktioniert nur über die Bereitschaft der Universitäten zur Flexibilität», sagt auch Matthias Geering, Leiter der Kommunikation der Universität Basel. Die EU gibt zwar den Rahmen vor, die Mobilitätsverträge werden aber bilateral zwischen den Partneruniversitäten ausgehandelt. Nicht bei allen Universitäten sei jedoch sicher, dass die Uni Basel weiterhin Austauschstudenten schicken und empfangen kann. Schon vor der Erneuerung des Erasmus-Programmes waren die einzelnen Fakultäten gefordert, ihre Studienpläne mit den Fakultäten anderer Universitäten abzustimmen. Durch die Herabstufung der Schweiz zum Drittstaat haben Schweizer Universitäten nun an Verhandlungsbasis eingebüsst. Dadurch werde alles «bürokratischer und mühsamer», bedauert der Verband der Studierenden der Universität Zürich.

Die Schweiz wurde als Drittstaat heruntergestuft, weil sie die Personenfreizügigkeit bisher nicht auf Kroatien erweitert hat. Studierende, die aus dem Ausland in die Schweiz kommen, erhalten deshalb keine Stipendien mehr. Nun muss der Bund einspringen und die Stipendienfinanzierung übernehmen. Die Studienmobilität würde dann wie nach dem alten System der stillen Partnerschaft zwischen 1996 und 2010 gehandhabt. Eine definitive Zusage des Bundes, die Stipendien zu finanzieren, steht aber noch aus. Bleibt dies so, ist Erasmus im Herbst für Schweizer Studierende gestrichen.

200 Studierende allein in Basel betroffen

115 Studierende schickte die Uni Basel letztes Jahr ins Ausland, 95 kamen aus dem Ausland nach Basel. Ähnlich vielen Studierenden drohen dieses Jahr die Erfahrungen im Ausland verwehrt zu bleiben. Die Nominationen sind noch immer am Laufen, genaue Einschätzungen über die Zahl der verwehrten Austauschsemester sind deshalb noch nicht möglich.

Geering will noch nicht aufgeben. Er hält Erasmus-Nominierte und Forscher dazu an, ihre Dossiers bereit zu halten. «Die Studienmobilität kann jederzeit plötzlich wieder möglich werden, dann müssen die Interessierten bereit sein, zu reagieren.» Auch in Zürich mobilisieren Studierendenverbände zu Erasmus-Bewerbungen. Man wolle zeigen, dass der Studienaustausch eine wichtige Institution sei, und ein Zeichen dagegen setzen, dass Bildung zum Spielball der Politik wird. Mehr als hoffen können Forscher und Studierende jedoch momentan nicht.

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In einer Umfrage wollen wir von den Schweizer Studierenden wissen, wie tragisch der Erasmus-Entscheid wirklich ist. Hier kann man mitmachen.

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