Der falsche Kanton

Nichts ist schwieriger als das – Winterspiele 2022 in Graubünden.

1948, Winterspiele in St. Moritz: Eiskunstlauf-Goldmedalliengewinner Dick Button (USA) filmt die Teamkolleginnen Eileen Seigh und Gretchen Merrill. (Bild: KEYSTONE/UNITED ARCHIVES/ARCHIVAL COLLECTION)

Nichts ist schwieriger als das – Winterspiele 2022 in Graubünden.

Die gute Nachricht vorweg: «Es sind keine Probleme zutage getreten, die die Durchführung von Olympischen Winterspielen infrage stellen würden.» Das vermeldet das Zentralorgan der Kandidatur für die Spiele 2022 in Graubünden in seiner letzten Mitteilung, Anfang April verschickt – und meint eigentlich das Gegenteil.

Und damit zur schlechten Nachricht. Die liefert der Trägerverein Graubünden 2022 gleich mit: Die Machbarkeitsstudie verzögert sich weiter, der Abstimmungs­termin im Kanton und in den Gemeinden Davos und St. Moritz muss verschoben werden. Der Volksentscheid ist nun erst für März 2013 statt diesen November vorgesehen.

Die Vorsicht beim Dachverband Swiss Olympic, der Graubünden ­einer gemischten Genfer-Walliser Kandidatur vorzog, ist begründet: Geht die Bündner Abstimmung verloren, scheitert ein weiterer Anlauf der Schweiz, zum ersten Mal seit St. Moritz 1948 wieder Bühne zu sein für die grosse Leistungsschau der Wintersportler.

Spiele werden immer teurer

Noch bevor feststeht, was alles gebaut werden muss, hat sich der Widerstand schon formiert. Die Bündner Umweltverbände sprechen sich unisono gegen die Spiele aus. Sie befürchten, dass das Bekenntnis zu einzigartig nachhaltigen Spielen eine Leerformel bleibt.

Die Gegner monieren zudem die explodierenden Kosten. Kostete Turin 2006 bereits stolze 3,4 Milliarden Euro, werden im kaukasischen Sotschi 2014 nach Schätzungen 25 Milliarden verbaut. Wie viel die Schweizer Spiele kosten würden, wird derzeit ausgerechnet. Klar ist einzig: Die Kandidatur alleine kostet 36 Millionen Franken, ein Drittel sollen Private beisteuern. Der Rest stammt von Bund, Kanton und Gemeinden.

Für die positive Grundstimmung soll Sportminister Ueli Maurer sorgen, der das Gelingen der Kandidatur zur Chefsache gemacht hat. Doch seit dieser Ankündigung ist vom SVP-Bundesrat nicht mehr viel zu hören. Ob er der Richtige ist, wird intern bereits infrage gestellt.

Wenig populäre Botschafter

Benötigt würde eigentlich der Rückhalt von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf – als Kassenwartin und als beliebteste Bündner Politikerin. Sie blieb bislang still. Tarzisius Caviezel, Präsident des Kandidaturvereins, ist kaum populärer als Maurer: Im Oktober wurde der BDP-Mann überraschend aus dem Nationalrat abgewählt. Vieles dürfte an der Zugkraft von Gian Gilli hängen, dem mit Charisma ausgestatteten operativen Leiter der Kandidatur.

Überzeugungsarbeit ist bei den Engadiner Hoteliers zu leisten. Die beschweren sich hinter vorgehaltener Hand, dass sie von den Spielen nicht profitieren würden, weil sie in die beste Ferienzeit fallen. Dafür würde ihnen neue Konkurrenz erwachsen, da nach den Richtlinien des Olympischen Komitees in der Austragungsregion tausende Betten geschaffen werden müssten, die mit der Schlussfeier nicht wieder verschwinden würden.

Eine neue Zubringerstrecke vom Flughafen Zürich

Gebaut werden müssten auch eine neue Sprungschanze in St. Moritz und zwei Eishallen in Davos. Die restlichen Wettkampforte würden weniger massive Eingriffe benötigen. ­Aller­dings müssten die Zubringerstrecken vom Flughafen ­Zürich erweitert werden – weitere Millionenprojekte.

Doch zunächst muss die Schweiz überhaupt Kandidatin werden. ­Mögliche Konkurrenz kommt aus ­Barcelona, Oslo oder Lwiw in der Ukraine. Auch im eben erst Pyeongchang unterlegenen München scheint die erste Enttäuschung überwunden. Fallen wird der Entscheid, wer Kandidat wird, im Jahr 2014, die definitive Wahl erfolgt 2015. Swiss-Olympic-Präsident Jörg Schild sagt: «Es wird eine Lotterie.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 20.04.12

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