«Der Jura ist nicht attraktiv für uns»

Zu welchem Kanton gehört der Berner Jura? Das wollen wir auch von einem Unternehmer wissen, der zur Exportstärke dieser Region beiträgt: Marc-Alain Affolter. Für ihn ist klar: Wirtschaftlich wäre der Beitritt zum Jura ein Nachteil – zu hoch sind die Steuern und Administrativkosten im Nachbarkanton.

Marc-Alain Affolter: Der Unternehmer ist froh, wenn der Abstimmungskampf endlich vorbei ist. (Bild: Marc Krebs)

Zu welchem Kanton gehört der Berner Jura? Das wollen wir auch von einem Unternehmer wissen, der zur Exportstärke dieser Region beiträgt: Marc-Alain Affolter. Für ihn ist klar: Wirtschaftlich wäre der Beitritt zum Jura ein Nachteil – zu hoch sind die Steuern und Administrativkosten im Nachbarkanton.

In Malleray, zwischen Tavannes und Moutier, steht das Firmengelände der Affolter Gruppe. Es ist dunkel, als wir ankommen, die Parkplätze der 180 Mitarbeiter leer, also fahren wir schneidig vor und parkieren diagonal vor der Eingangspforte. Marc-Alain Affolter erwartet uns beim Eingang. «Ist es okay, wenn wir à la jurassienne parken?» Affolter runzelt die Stirn: «Wie meinen Sie das?» – «Nun ja, ein wenig wild halt.» Der Patron wirkt irritiert.

Nein, es ist nicht der Zeitpunkt für schlechte Witze, merken wir. «Sie glauben nicht, wie sehr ich den 25. November herbeisehne», sagt Affolter. Und meint damit den Tag nach der Abstimmung.

Seit einem Jahr engagiert sich der Unternehmer im Abstimmungskampf. Als hätte er nicht genug zu tun. Kommt eben zurück von einer Sitzung aus Neuchâtel, hat ein Abendessen in Biel vor sich – und morgen früh eine Gruppe koreanischer Geschäftsleute im Büro. Affolter führt das vor knapp 100 Jahren gegründete Familienunternehmen mit seinen Brüdern. Die Firma beliefert unter anderem die Uhrenindustrie mit Räderwerken. Und die ganze Welt mit Hi-Tech-Maschinen. Der Patron lässt sich in seinen Corbusier-Sessel fallen.

Herr Affolter, warum so angespannt? Die Prognosen deuten doch darauf hin, dass Sie, also die Berntreuen, die Abstimmung gewinnen werden?

Ja, es scheint so. Aber es war dennoch anstrengend, wir mussten die Leute aufrütteln. Anstrengend, ja, mühsam finde ich auch, dass das Ganze überhaupt wieder aufgewärmt werden musste. Dieses ewige Umsichselberdrehen behindert die Entwicklung. Wir sollten uns hier doch auf anderes konzentrieren. Hoffentlich können wir das jetzt dann: Die letzten Umfragen zeigen ja, dass 60 Prozent der Bevölkerung keine Verhandlungen mit dem Kanton Jura wünschen. Vor 40 Jahren gab es noch keine Vergleiche, damals gab es nur den grossen Kanton Bern. Heute aber sehen die Jungen genau, dass es dem Kanton Jura nicht gut geht. Sie orientieren sich nach Biel, Bern, Neuchâtel, nicht nach Porrentruy. Die Kultur zwischen Süd- und Nordjura ist einfach eine andere.

Was spricht denn aus Sicht des Unternehmers gegen einen Grosskanton Jura?

Da wären zum Beispiel die höheren Steuersätze im Jura, sei es beim Einkommen oder beim motorisierten Verkehr. Der Jura hat auch höhere Administrationskosten als wir. Zudem glaube ich, dass unsere Region bei einem Zusammenschluss das Nachsehen hätte. Mit unserer Teilautonomie innerhalb des Kantons Bern fahren wir meiner Ansicht nach sehr gut. Man kümmert sich um uns, wir haben einen Regionalrat. Dass der Jura für den Zusammenschluss ist, leuchtet aber auch mir ein: Wir sind wirtschaftlich stärker positioniert, exportieren pro Kopf fast doppelt so viel wie der restliche Kanton Bern oder der Kanton Jura, sind attraktiv. Umgekehrt aber ist das nicht der Fall. Der Jura ist nicht attraktiv für uns.

Was fürchten Sie eigentlich mehr am kommenden Wochenende: Ein «Oui» zum Jura oder ein Ja zur 1:12-Initiative?

Mich beunruhigt die Jura-Abstimmung. Ich bin zwar auch gegen 1:12 – obschon ich nicht davon betroffen wäre, wohlgemerkt –, aber diese nationale Diskussion steht weit hinter unserem regionalen Entscheid.

Seit wann engagieren Sie sich in der Frage für den Bern-Standpunkt?

Seit ewig. Vor 40 Jahren, als Student, trat ich den Sangliers bei, engagierte mich also bei den jungen Berntreuen. Für mich war immer klar, dass wir zum Kanton Bern gehören. Seit der Gründung des Kantons Jura können wir uns vergleichen – und ich sehe nach wie vor keinen Vorteil, den uns ein Kantonswechsel bringen würde. Damals führte unser Vater die Firma und bekam die Unruhen zu spüren: Ingenieure waren schwer davon zu überzeugen, in dieser umstrittenen Region zu arbeiten. Die negativen Schlagzeilen bremsten den wirtschaftlichen Aufschwung. Und tun es jetzt wieder. Daher hoffe ich, dass die Frage endlich mal geklärt wird.

Spielt die Konfessionszugehörigkeit bei der Jurafrage noch immer eine Rolle?

Bien sûr. Als mein Vater zur Schule ging, gab es keinen einzigen Katholiken in seiner Klasse. In den letzten Jahrzehnten aber haben sich viele jurassische Pendler niedergelassen, vor allem in Moutier. Das hat zu einer Verschiebung der Verhältnisse geführt. Was sich nun auch in ihrer Sehnsucht nach einem Grosskanton niederschlägt. Dabei, auch daran sollte man denken, würde die Verwaltung bei einem Zusammenschluss logischerweise zentralisiert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Berner Jura dabei das Nachsehen hätte. Hinzu käme, dass bei einer neuen Konstituierung ja vor allem die Jura-Befürworter Einsitz in einer neuen Juraregierung nehmen würden.

Zum Beispiel Zuber?

Ja, er kämpft am intensivsten für den Zusammenschluss, bestätigt uns Monsieur Affolter. Und wir reden noch kurz über diesen Zuber weiter. Maxime Zuber. Ohne ihn wäre die Jurafrage nicht wieder gestellt worden. Seit zehn Jahren weible der Sozialdemokrat für die Annäherung. «Ich kenne ihn, aber wir sind keine copains. Wir kommunizieren primär auf den Leserbriefseiten», sagt Affolter. Und wünschte sich, der Motor Zuber hätte nie so Fahrt aufgenommen, dass er, der Unternehmer, nun so viel Zeit in die Politik investieren musste. 

Maxime Zuber, Grossrat und Gymnasiallehrer, versuchen wir seit Tagen zu erreichen. Ohne Erfolg. Vielleicht klappts bei der nächsten Etappe. Diese führt uns von Malleray nach Moutier. In jene Stadt, die gemäss Umfragen geteilt sei. In jene Stadt, in der Zuber lebt und als Gemeindepräsident tätig ist.

(Bild: Anthony Bertschi)

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