SP und SVP bringen einen Ordnungsantrag durch, der den Steuerdeal mit den USA ins Wanken bringt. Liefert der Bundesrat nicht mehr Informationen zum Inhalt des Vertrags, wird das Geschäft vertagt.
Es war die Zeit der grossen Gesten im Nationalrat. «In diesem historischen Saal haben Sie einen Eid vor Gott geschworen!», rief SVP-Nationalrat Thomas Aeschi in den Saal, «ich bitte Sie, bleiben Sie standhaft!» Aeschi vertrat seinen Ordnungsantrag, den Steuerdeal mit den USA von der Traktandenliste zu streichen, mit grösstmöglichem Pathos.
Er zitierte die Unabhängigkeitserklärung der USA von 1776, beschwor die Verfassung der Eidgenossenschaft, die Rechtstaatlichkeit und Freiheitlichkeit. SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer versprach beim Plädoyer für ihren eigenen Antrag, der im Gegensatz zur SVP das Geschäft vorderhand auf der Traktandenliste belässt aber mehr Informationen vom Bundesrat einfordert, weniger Pathos. Aber auch sie konnte es nicht ganz lassen. «Diese Vorlage ist eine demokratiepolitische Zumutung. Wir haben mit unserem Gelübde oder unserem Eid versprochen, nach unserem Gewissen zu entscheiden. Aber das kann ich nur, wenn ich weiss, worüber ich entscheide.»
Die Mitte zaudert – und wird übertölpelt
In diesem Punkt erhielt Leutenegger Oberholzer viel Zustimmung – die Mitteparteien mit den Grünen zogen daraus aber andere Schlüsse. «Diese Vorlage wird nicht besser, wenn wir sie verschieben», sagte FDP-Fraktionschefin Gabi Huber. «Wir haben keinen Einfluss auf die Dinge in den USA. Das macht weh, ja. Aber das ist das Leben», der Grüne Fraktionschef Antonio Hodgers. Hansjörg Hassler (BDP) war voll auf der Linie seiner Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und GLP und CVP vertraten ebenfalls die gleiche Argumentation: «Natürlich wissen wir zu wenig. Aber lamentieren bringt nichts!», wie es GLP-Fraktionschefin Tiana Moser ausdrückte. Man müsse stattdessen das Geschäft so gut wie irgendmöglich beraten.
CVP, GLP, BDP, FDP und Grüne lehnten beide Ordnungsanträge ab und standen aber am Schluss als Verlierer da. Die Mitte liess sich dabei amateurhaft übertölpeln. Bei der ersten Abstimmung, als die beiden Ordnungsanträge einander gegenübergestellt wurden, enthielt sich ein Grossteil der Parlamentarier von FDP, CVP und BDP der Stimme und verhalf damit dem Antrag der SP zum ersten Sieg. Ein taktischer Fehler, denn hätten die Mitte-Parlamentarier geschlossen für den SVP-Antrag gestimmt, wären beide Polparteien mit ihren Anträgen gescheitert: Bereits am Dienstagabend hatte sich nach den Fraktionssitzungen abgezeichnet, dass die SVP notfalls den SP-Antrag unterstützen würde, umgekehrt jedoch nicht.
Und so kam es dann: Mit den Stimmen von SVP und SP wurde der Antrag von Susanne Leutenegger Oberholzer in einer zweiten Abstimmung angenommen. Damit wird die Entscheidungsmacht über das Geschäft der nationalrätlichen Wirtschaftskommission (WAK) übergeben.
Informationen über die «Programme» verlangt
Die Kommission trifft sich am Mittwochmittag zu einer ersten kurzen Sitzung und wird dabei Fragen und Antwortfristen an den Bundesrat definieren. Die Chancen auf eine Annahme des Deals in der Sommersession sind damit deutlich gesunken: Die SP wird eine Offenlegung der «Programme» verlangen, jener Abmachung zwischen den USA und den betroffenen Banken, die Kernstück des Vertrags sind und die mit grosser Wahrscheinlichkeit geheim bleiben werden. «Bei der Besprechung mit dem Bundesrat kam klar heraus: Das Parlament wird den Inhalt der Programme nicht erfahren», sagte FDP-Fraktionschefin Gabi Huber während der Debatte.
Das heisst im Klartext: Die Programme werden vom Bundesrat nicht offengelegt, die SP wird nicht zufrieden sein und die WAK danach mit grosser Wahrscheinlichkeit den Steuerdeal von der Traktandenliste streichen. Welche Konsequenzen das haben wird, und das ist wohl die Haupterkenntnis der heutigen Debatte, das ist völlig offen.
Quellen
Die Ordnungsanträge von Thomas Aeschi (SVP) und Susanne Leutenegger Oberholzer (SP).
Die Vorlage in der Geschäftsdatenbank des Parlaments.