Viele Schnitzelbänkler vermieden es 2016, wirklich politisch zu werden. Lieber blieben sie an der Oberfläche oder an Äusserlichkeiten kleben. Doch es gab auch Ausnahmen wie etwa die Dreydaagsfliege. Ihr Kommentar zum Rechtsrutsch in der Schweiz liess das Publikum leer schlucken.
Der subjektive Eindruck der Schnitzelbänke lässt sich am besten sortieren mithilfe der Frage: Was blieb haften? Was hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen? Nichts gegen die obligaten Kalauer, die Seitenhiebe auf die Ziircher, Schwoobe und den Vatikan. Aber diese vergisst man schnell wieder, vor allem im Laufe eines ganzen Abends.
Am Mittwoch im Stadtcasino hörten wir vier Stunden lang Bängg, darunter einige mit mangelhaftem Versmass, einige mit ausgefeilter Raffinesse – und, das ist die Regel, mit austauschbaren (oder vorhersehbaren) Pointen. Das kann erschlagend wirken.
So wähnt man sich mit der Zeit in einer Sujet-Endlosschaufe gefangen: Man kriegt den Poller-Koller und den Deppen-Sepp. Auch auf Martullo-Blocher haben sich fast alle Bänggler gestürzt. Oft wurde die Neo-Politikerin auf ihr Äusseres reduziert, selten ihre Persönlichkeit und ihre Politik in den Vers einbezogen (eine scharfzüngige Ausnahme: dr Spitzbueb).
Ob nationale oder regionale Politik: Viele Bänggler gaben sich mit der Oberfläche zufrieden, rieben sich nur an Äusserlichkeiten und servierten dazu flache Verse. Schenkelklopfer gehören zu einem unterhaltsamen Abend, keine Frage. Aber sie sind vergänglich und regen kaum zum Nachdenken an.
Nun kann man sagen: Ist doch egal. Genau mit dieser Haltung kokettierten denn auch die Fäldschnäggli auf wunderbar ironische Weise und servierten zum Abschluss ihrer Auftritte mit «Egal» eine Pointendichte, die manch andere Bänggler alt aussehen liess:
Ihre Extended Version machte grossen Eindruck. Ebenso die Dreydaagsfliege, die mit ihrem letzten Vers das Publikum vor den Kopf stiess: Welch couragierter Abgang! Da blieben uns die Lacher im Hals stecken:
Nein, das ist wahrlich keine Lachnummer. Sondern ein clever gedichteter, verdichteter Weckruf: Wehret den Anfängen! Die Dreydaagsfliege zeigt die Gefahren des Rechtspopulismus auf und schafft Bezug zum Nationalsozialismus, zum Holocaust (Auschwitz). Ja, darf man das? Aber sicher!
Während all die Poller-Pointen in der Versenkung unseres Gedächtnisses parkiert werden, fährt uns die politische Dringlichkeit der Dreydaagsfliege auch tags darauf noch ein. Und wie nötig dieser Warnruf ist, manifestiert sich noch am Abend selber, wo sich mehr als nur ein Bangg nicht zu schade ist, einen dümmlichen, rassistischen «Neger»-Witz zu machen. Und das im Jahr 2016.
Die Leute übrigens, die bei den billigen «Neger»-Pointen am lautesten gelacht haben, schüttelten bei der Anspielung auf Auschwitz ihren Kopf am heftigsten.
Touché, liebe Dreydaagsfliege.
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