Zum ersten Mal in seiner Karriere hat Baschi Dürr die Kontrolle verloren. Der Freisinnige kämpft um die Wiederwahl und hat dafür seinen Kurs geändert.
Mit Baschi Dürr ist etwas passiert, seit er von den Wählern im ersten Durchgang der Regierungswahlen abgestraft worden ist. Er wirkt verunsichert, er zweifelt – er leidet. Bemerkenswert sein Kotau im Grossen Rat: Baschi Dürr muss Fragen beantworten zur rechtswidrigen Praxis in seinem Departement, Kaderleuten persönliche Dienstwagen zuzuteilen. Er muss erklären, warum die Weisung solange nicht überarbeitet worden ist. Dürr rattert die Antwort runter, spricht ab Blatt, maschinell und desinteressiert wie üblich.
Dann aber hält er inne, um eine persönliche Note anzukündigen. Dürr verlangsamt seine Rede, er will, dass die folgenden Worte und deren Bedeutung verstanden werden: «Wir hätten das schneller abschliessen müssen. Das ist mein Fehler, zu dem stehe ich und ich bedauere dies sehr.»
Baschi Dürr hat die Kontrolle verloren. Zum ersten Mal in seiner Karriere, die bislang nach Plan – nach seinem Plan – verlief. Die öffentliche Entschuldigung ist der Versuch des einstigen Kommunikationsprofis, diese zurückzugewinnen.
Kriminalstatistik als Leistungsausweis
Es hat Dürr zu schaffen gemacht, dass wieder und wieder Interna aus seinem Departement nach aussen drangen. Das ist aus seinem Stab zu hören. Die Ohnmacht, das Ausgeliefertsein, nichts entgegensetzen zu können, das sei vernichtend gewesen, heisst es. Dürr will die Deutungshoheit zurück, auch über sein Bild in der Öffentlichkeit. «Es geht ihm nicht gut, er will, dass das Ganze endlich vorbei ist», sagt jemand, der ihm nahesteht.
Balz Stückelberger, Landrat für die FDP im Baselbiet und ein guter Freund Dürrs, sagt: «Baschi Dürr steckt in einer Situation, die man niemandem wünscht: Er ist Heckenschützen in seinem Departement mit freiem Zugang zu den Medien ausgeliefert. Klar, dass ihn das fordert.» Das Bild, das von ihm gezeichnet wird, entspreche nicht der Realität. «Baschi Dürr ist ein pflichtbewusster, fähiger und humorvoller Regierungsrat.»
Das Justiz- und Sicherheitsdepartement ist kein angenehmer Ort für einen Liberalen wie Baschi Dürr. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)
Dürr hat in den letzten Tagen nicht nur Schwäche eingestanden, etwas, was er kaum einmal zuvor getan hat, er hat auch zu Mitteln gegriffen, die er lange gescheut hat. Dürr wirbt plötzlich offen mit den sinkenden Kriminalitätszahlen in Basel. Er schreibt sich die zuletzt positive Kriminalitätsstatistik in den Leistungsausweis, eine Statistik, die er in der Vergangenheit aus gutem Grund stets relativiert hat: Weil sie Wellenbewegungen unterliegt. Suchen sich etwa Einbrechergruppen aus dem Ausland die Region als Arbeitsort aus, steigt die Verbrechensrate, ohne dass Dürr und seine Polizei daran was ändern können.
Mangelnde Fehlerkultur
Dürr kämpft um die Wiederwahl, und dafür hat er seinen Kurs geändert. Dafür spricht auch der rigorose Polizeieinsatz gegen eine unbewilligte Party am Wochenende. Von seiner Doktrin, Konflikten im öffentlichen Raum möglichst liberal zu begegnen, ist nichts zu spüren. Und das muss deutlicher ins Gewicht fallen, beurteilt man die Arbeit des Sicherheitsdirektors, als das Versäumnis, eine uralte Regelung zu den Dienstwagen schnell anzupassen.
Dürrs Güterabwägung vor Polizeieinsätzen zwischen den verschiedenen Interessen fällt nicht erst seit der verpassten Wiederwahl eher einseitig aus: für Privateigentum (Hausbesetzungen), wirtschaftliche Interessen (Messe) und öffentliche Ordnung (unbewilligte Party). Kunstfreiheit, die Freiheit, seine Meinung äussern zu können, Freiräume zu besetzen, verloren unter Dürr an Gewicht. Mit beunruhigenden Folgen, etwa als Polizisten an einer Sans-Papiers-Demo ältere Menschen mit Gummischrot beschossen.
Nicht bereit, Einsätze kritisch zu hinterfragen: Baschi Dürr will den Rückhalt des Korps nicht verlieren. (Bild: Hans-Jörg Walter)
Das hat den FDP-Mann bei der Linken und deren Wählerschaft viel Sympathien gekostet. SP-Grossrätin Tanja Soland, die mit Dürr in der Justiz- und Sicherheitskommission zu tun hat, sagt: «Ich habe den Eindruck, dass die Polizei – etwa bei Demonstrationen – strenger geworden ist und schneller eingreift.» Danach sei die Polizei auch nicht bereit, ihr Vorgehen kritisch zu hinterfragen. «Es fehlt eine Selbstkritik nach sensiblen Einsätzen.»
Man kann das Beispiel der Pappteller-Affäre heranziehen, als die Polizei eine Künstlergruppe auf dem Messeplatz verhaftete und dabei offensichtlich übertrieb. Dürr hat den Einsatz nie bedauert, wohl auch um sich nicht im Korps unbeliebt zu machen. «Sein Vorgänger Hanspeter Gass hatte weniger Mühe mit Selbstkritik», sagt Soland. Dürr hingegen stehe nach solchen Einsätzen hin und behaupte, alles sei einwandfrei abgelaufen. «Diese mangelnde Fehlerkultur finde ich schwierig.»
Kein Populist
Die Weigerung, Fehler einzugestehen, dürfte Teil eines Kalküls sein: Um Erfolg zu haben, musste er seine Polizisten hinter sich bringen. Dafür durfte er diese nicht kritisieren, auch wenn es notwendig gewesen wäre. Und er musste seine Basis im rechtsbürgerlichen Wählersegment stärken.
Beide Rechnungen sind nicht aufgegangen: Unzufriedene Beamte plaudern, und die bürgerliche Wählerschaft steht nicht ungeteilt hinter ihm.
Darin liegt auch eine gewisse Tragik. Denn was den Polizeidirektor Baschi Dürr auszeichnet, ist die Abneigung gegenüber Populismus. Es wäre ein Leichtes für ihn gewesen, diese Karte auszuspielen, sei es bei der Ausländerkriminalität, in der Flüchtlingskrise oder auch im Dossier Fangewalt. Doch Dürr setzt auf Gespräche, er relativiert, bleibt bei den Fakten. Mit populistischen Tönen Erfolg zu haben, gehört nicht zum Politikerkonzept von Dürr. Dieser wollte seine Gegner schon als Grossrat – damals übte er wichtige Auftritte vor dem Spiegel – zu Boden argumentieren.
Seine Exitstrategie ist gescheitert: Das Präsidialdepartement, wo Baschi Dürr mehr Gestaltungsraum gehabt hätte, bleibt ihm verwehrt. (Bild: Hans-Jörg Walter)
Im Sicherheitsdepartement stiess er damit an Grenzen. Der Ort, wo der Staat Gewalt ausübt, ist kein angenehmer für einen Liberalen. Dürr verstand zudem nie, dass er die Kluft zwischen der Polizei und Teilen der Bevölkerung, die in der Natur der Sache liegt, hätte auch persönlich schliessen müssen. Sein Vorgänger Hanspeter Gass, von Haus aus beileibe nicht volksnah, konnte das besser. Als Demonstranten gegen das WEF auf die Strasse gingen, lief Gass nebenher mit. Gass war da, sah, was geschah, und übernahm Verantwortung, wenn etwas schiefging. Dürr fremdelt mit der Strasse: Sie ist ihm zu unberechenbar, zu emotional – unkontrollierbar.
Überehrgeizig und schroff
Das ist das Grundproblem des Projekts Baschi Dürr: Er begann seine Regierungslaufbahn im falschesten aller Departemente.
Und dort könnte sie auch enden. Seine Exitstrategie, der Wechsel in ein Departement, wo er endlich seine Überzeugungen in die politische Arbeit und die Selbstdarstellung hätte übersetzen können, ist doppelt gescheitert. Aus der bürgerlichen Machtübernahme, die ihm den Gestaltungsspielraum gegeben hätte, ist nichts geworden. Und aus dem Rennen ums Regierungspräsidium nahm er sich nach durchwachter Nacht und einem blamablen ersten Wahlgang selber. Dass er von der Grünen Elisabeth Ackermann distanziert wurde, kam für viele überraschend, auch für ihn selbst, wie er einräumt.
Denn es findet sich von links bis rechts kaum jemand, der seine fachlichen Qualitäten bestreitet, seinen Fleiss, seine analytischen Fähigkeiten. In der Justiz- und Sicherheitskommission ist er geschätzt, unter den Leuten, die mit ihm zusammenarbeiten beliebt. Dürr hatte allen Grund anzunehmen, er wäre gegenüber Neuling Ackermann im Vorteil.
Leute, die beide gut kennen, waren weniger überrascht vom Ausgang der Wahl. Aus Regierungskreisen heisst es, Dürrs überehrgeizige, unterkühlte Art wirke oft schroff. Fehlende Empathie würde zu Verletzungen beim Gegenüber führen. In der Regierung spiele das keine Rolle, weil da Alphatiere unter sich sind. Ausserhalb des Machtzirkels aber befremde er damit. Dürr war das bislang egal. Er sagt auch heute noch: Er werde sich nicht ändern.
Vielleicht wird Dürrs Unfähigkeit zur Demut ihn seine politische Karriere kosten.
Interview mit Baschi Dürr vor dem zweiten Wahlgang: «Man ist halt so, wie man ist!»