Sein Geheimnis: Er wird unterschätzt. Was man über den neuen FDP-Nationalrat vor seinem Amtsantritt alles wissen sollte.
Es sind gute Zeiten für die Basler FDP. Diesen Sonntag wird Baschi Dürr neuer Sicherheitsdirektor des Kantons. Der Sitz in der Regierung ist mindestens vier Jahre gesichert, die SVP einmal mehr zurückgebunden. Einen Tag später wird Daniel Stolz, der Parteipräsident, zum ersten Mal den Zug zur Session in Bern besteigen. Als zweiter Nachrückender in den Nationalrat profitierte er von Dürrs Entscheidung, sich ganz auf den Regierungswahlkampf zu konzentrieren.
Stolz’ Einzug in den Nationalrat ist die Krönung einer langen politischen Karriere. Und obwohl Stolz seit sechs Jahren Präsident der kantonalen FDP und damit auch eine öffentliche Figur ist, hat sich seine politische Karriere nie wirklich in der öffentlichen Wahrnehmung niedergeschlagen. Er ist kein lauter Mensch, er ist auch kein wirklich pointierter Redner. In einer Menschenmenge übersieht man Daniel Stolz leicht. Er gilt als harmlos und nett. Er wird jünger geschätzt, als er tatsächlich ist (Stolz ist 44), und dass dieser jugendlich wirkende Mann nun in den Nationalrat darf: ein Zufall.
Dieser letzte Satz summiert all die falschen Vorstellungen, die wir Journalisten und die auch ein grosser Teil der Öffentlichkeit von Daniel Stolz, Nationalrat, haben. Seine Wahl in das nationale Parlament mag vielen Zufälligkeiten geschuldet sein. Dass Stolz aber einmal in Bern politisch mitmischen würde, zeichnete sich schon lange ab. Mehr noch: Stolz hat das Potenzial, in der Fraktion in Bern eine wichtige Figur zu werden. Nur weiss das in Basel anscheinend niemand. Darum: einige Wahrheiten über den Politiker Daniel Stolz.
Schon national vernetzt
Otto Ineichen und Peter Malama, die beiden in diesem Jahr verstorbenen FDP-Nationalräte, waren zwei abschreckende Beispiele für die Heuchelei der Politik. Nach ihrem Tod wurden beide zu Lichtgestalten des Freisinns hochstilisiert. Von den gleichen Parteikollegen, die zu Lebzeiten über Ineichen und Malama lachten. Die beiden Nationalräte waren laut im Auftritt, aber wirkungslos in der Fraktion. Sie eckten mit ihren abweichenden Haltungen an, wurden nicht ernst genommen und isoliert.
Bei Daniel Stolz, und das ist keine gewagte Behauptung, wird das nicht geschehen. Ende der 80er-Jahre trat Stolz den Jungfreisinnigen bei, bald wurde er in den Vorstand der nationalen Organisation gewählt. Seit den Anfängen seiner Parteimitgliedschaft hat sich Stolz immer national orientiert. Besuchte unzählig viele Anlässe, war und ist er ein aktiver Teilnehmer der Präsidentenkonferenz. «Seit Bruno Hunziker Ende der 80er-Jahre Parteipräsident war, bin ich mit sämtlichen Präsidenten und Geschäftleitungsmitgliedern per Du», sagt Stolz, und das tönt nicht einmal angeberisch. Das Mandat im Bundeshaus macht ihm keine grosse Sorgen, unnötige Ehrfucht habe er nicht.
Warum auch, man kennt ihn in Bern ja bereits. Und das hat sich auch bei der ersten Fraktionssitzung gezeigt. Stolz übernimmt den Sitz von Malama in der Sicherheitskommission, wird aber gleichzeitig ständiger Ersatz in der WBK, der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur – seiner Wunschkommission.
Rechter als man denkt
Baschi Dürr wird von der SP und den Grünen wegen seiner ultraliberalen Ansichten leidenschaftlich angefeindet. Daniel Stolz ist davon bisher verschont geblieben. Dabei hat er in Wirtschafts- und Finanzfragen eine mindestens ebenso liberale Haltung wie Dürr. Er ist für möglichst wenig Steuern, möglichst wenig Umverteilung. So richtig freisinnig halt. Mit dem für urbane Freisinnige typischen linken Schlenker in gesellschaftspolitischen Fragen. Dass er oft linker wahrgenommen wird, das weiss Stolz. «Das kommt davon, dass ich schwul bin und aus der Stadt komme.»
Dabei war schon seine Politisierung so bürgerlich, wie es nur irgendmöglich ist. Er war für den Nato-Doppelbeschluss, jenen Raketenschirm für Europa, der eine ganze Generation politisiert hat – aber in eine andere Richtung. «Freiheit ist gut und recht», sagt Stolz, «aber wir müssen sie auch verteidigen können.» Er hat darum auch keine Mühe, den Sitz von Malama in der Sicherheitskommission zu erben und dort stramm militärfreundliche Positionen zu vertreten.
Erfolgreicher Parteipräsident
Als Stolz die Partei 2006 übernahm, waren die Basler Freisinnigen in einem lausigen Zustand. Sein Vorgänger Urs Schweizer war ein schwacher Präsident und massgeblich dafür verantwortlich, dass die Regierungsratswahlen 2006 in einem Debakel für die FDP endeten: Kandidatin Saskia Frei stolperte über die Rotlicht-Mandate ihres Mannes und wurde nach einer schmählichen Nichtwahl durch Hanspeter Gass ersetzt, der in seinem Amt als Sicherheitsdirektor nie wirklich glücklich wurde.
Dazu kamen: interne Querelen, schlechte Stimmung, unzufriedene Mitglieder. Stolz hat in seiner Amtszeit als Präsident wohl auch dank seiner leisen und konzilianten Art die verschiedenen Fraktionen in der Partei zusammenführen und aussöhnen können. Heute steht die Partei – nimmt man die fehlenden Frauen in wichtigen Positionen aus – besser da denn je: Bei den Grossratswahlen hat sie Wahlprozente und einen Sitz gewonnen, die Regierungsratswahlen verliefen problemlos und mit dem – realistisch gesehen – gewünschten Resultat. Stolz leitet nun einen «Generationenwechsel» ein und sucht eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger, der die längst fällige Fusion mit den Liberalen an die Hand nehmen soll.
Auch im Grossen Rat wird er nicht mehr ewig sitzen. Er werde diese Legislaturperiode nicht beenden, sagt Stolz. Dafür konzentriert er sich auf jene Bühne, auf die er seit seiner Zeit bei den Jungfreisinnigen immer wollte. Und auf der er für mehr Furore sorgen könnte, als man ihm das heute zutraut. Aber das ist er sich ja schon gewohnt.
Schlechte Karten für Lehmann
Eigentlich, würde man denken, eigentlich müsste der Gewerbeverband Basel-Stadt mit der neuen Nationalrats-Situation in Basel doch etwas unzufrieden sein. Nach dem Tod von Peter Malama hat der Verband «seine Stimme in Bern» verloren, den direkten Einfluss auf die Bundespolitik. Doch wer sich im Umfeld des Gewerbeverbands etwas umhört, vernimmt Erstaunliches. Man ist anscheinend gar nicht so erpicht darauf, den eigenen Direktor auch noch im Bundeshaus zu sehen. Denn: In Tat und Wahrheit setzte sich Peter Malama im Bundeshaus zwar stark für das Gewerbe ein – aber mindestens so gross war sein Engagement in anderen Bereichen, etwa bei sicherheitspolitischen Themen. Und das brachte dem Gewerbeverband doch eher wenig ein. Das dürfte Markus Lehmann, Präsident der CVP und Nationalrat, nicht so gerne lesen. Er verkündet jedem, der es hören möchte, seine Ambitionen auf den Chefposten des Gewerbeverbandes – und verweist dabei auch auf seinen Einfluss als Nationalrat in Bern. Was für einmal vielleicht genau das falsche Bewerbungskriterium ist.
Quellen
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 23.11.12