Der Widerstand gegen die neue Energiestrategie bröckelt

Das Parlament stimmte am Freitag der Energiestrategie mit Zweidrittelmehrheit zu. Die FDP schwenkte vom Nein zum Ja um. Ein Referendum der SVP steht auf schwachen Füssen.

Womöglich hat im Mai 2017 das Volk das letzte Wort.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Das Parlament stimmte am Freitag der Energiestrategie mit Zweidrittelmehrheit zu. Die FDP schwenkte vom Nein zum Ja um. Ein Referendum der SVP steht auf schwachen Füssen.

Der Widerstand im Nationalrat gegen die neue Schweizer Energiestrategie ist inzwischen auf 34 Prozent geschmolzen. In beiden Parlamentskammern zusammen sogar auf 32 Prozent. 

Am Anfang hatten noch 43 Prozent der Nationalratsmitglieder die neue Schweizer Energiestrategie abgelehnt; in der Eintretensdebatte im Dezember 2014 unterstützten sie einen Rückweisungsantrag von Christian Wasserfallen (FDP/BE).

Grund für den bröckelnden Widerstand: Das Parlament hat einige umstrittene Punkte der bundesrätlichen Vorlage abgeschwächt, und die Mehrheit des Freisinns hat vom Nein- ins Ja-Lager gewechselt. Das führte in den Schlussabstimmungen zu folgenden Resultaten:

  • Der Nationalrat stimmte der Energiestrategie mit 120 gegen 72 Stimmen zu. Gegen die Vorlage votierten 59 Mitglieder der SVP-Fraktion und 13 Freisinnige. Neun Mitglieder der SVP widersetzten sich der Nein-Parole ihrer Fraktion, nämlich fünf mit einem Ja zur Vorlage und vier mit Stimmenthaltung. Je eine weitere Enthaltung entfiel auf die FDP und BDP. Alle andern Fraktionen stimmten geschlossen Ja. 
  • Der Ständerat befürwortete die Vorlage mit 35 gegen 6 Stimmen; dagegen stimmten die fünf SVP-Standesherren sowie FDP-Mann Andrea Caroni (AR). FDP-Vertreter Thomas Hefti (GL) und die beiden CVP-Ständeräte Isodor Baumann (UR) und Peter Hegglin (ZG) enthielten sich der Stimme.

Eiertanz ums Referendum

Nach dem Ja in der Schlussabstimmung beginnt jetzt die Referendums-Frist. Eine kleine Organisation, die sich «Alliance Energie» nennt, über eine Homepage und eine E-Mail-Adresse verfügt, hat das Referendum bereits angekündigt. Der Vorstand der reichen SVP ist ebenfalls für das Referendum, will es aber nur ergreifen, wenn «die Wirtschaft» dieses mitträgt und finanziert. Der definitive Entscheid dazu falle «in den nächsten Tagen», kündigte SVP-Präsident Albert Rösti am Freitag im Nationalrat an.

Der Wirtschaftsverband Economiesuisse hat diese Unterstützung schon früher abgelehnt, der Gewerbeverband wartet ab. Darum verschickt SVP-Nationalrat und Bankier Thomas Matter zurzeit Bettelbriefe an zahlungskräftige Wirtschaftsleute und erklärt ihnen: «Das Referendum und die Volksabstimmung kosten erfahrungsgemäss mehrere Millionen Franken.»

Wenig Support für ein Nein

Der Eiertanz der SVP zeigt: Das Referendum kann zwar zustande kommen, geniesst aber wenig Support, wenn die – anfänglich oppositionellen – Wirtschaftsverbände passiv bleiben. Denn mit Ausnahme der SVP und einer FDP-Minderheit unterstützen alle politischen Parteien die jetzt beschlossene Vorlage. Ebenfalls zu den Befürwortern gehören die Umweltverbände, die Cleantech-Branchen sowie die Strom- und Berggebietslobby.

Einer allfälligen Abstimmung blicken die Befürworter denn auch gelassen entgegen. Das illustrierte der grünliberale Martin Bäumle im Nationalrat mit folgenden Votum: «Sollte Herr Rösti (SVP-Präsident) das Referendum lancieren, so werde ich auf seinem Bogen unterschreiben, damit das Volk Ja zu dem sagen kann, zu dem wir heute als Grünliberale und als Rat Ja sagen.»

Wenn die Gegner 50’000 Referendums-Unterschriften zusammenbringen, wird das Schweizer Volk voraussichtlich im Mai 2017 darüber abstimmen. Falls die Abstimmenden dem Parlament folgen und die Vorlage befürworten, kann die neue Energiestrategie im Januar 2018 in Kraft treten.

Das jedenfalls hofft das Bundesamt für Energie (BFE). Die dazu notwendigen verwaltungsinternen Arbeiten, insbesondere die Erarbeitung oder Revision von Ausführungsverordnungen, wird das Energiedepartement bereits während der Referendumsfrist in Angriff nehmen.

Und die Atominitiative?

Keinen Einfluss auf obigen Fahrplan habe der Volksentscheid über die grüne Atomausstiegs-Initiative, erklären BFE-Mitarbeiter. Denn eine Kopplung dieser Initiative mit der Vorlage zur Energiestrategie hat das Parlament schon früher abgelehnt.

Die Ausstiegsinitiative verlangt, dass die Laufzeit aller Schweizer Atomkraftwerke auf maximal 45 Jahre begrenzt wird; die Abstimmung darüber findet am 27. November, also in zwei Monaten statt. Falls das Volk der Initiative zustimmt, kann sie direkt umgesetzt werden und die Energiewende beschleunigen. Denn die gestern beschlossene Vorlage zur Energiestrategie sieht keine Laufzeitbegrenzung für alte Atomkraftwerke vor.

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