Der Zivildienst sei zu attraktiv und koste Soldaten, mahnt Korpskommandant André Blattmann. Doch für die «beste Armee der Welt» können so ein paar zusätzliche Zivis kein ernsthaftes Problem bedeuten.
Vor rund einem Monat schoss Armeechef André Blattmann eine publizistische Platzpatrone ab. Er erklärte, dass wegen des Zivildienstes der Armee Soldaten verloren gingen, nämlich jedes Jahr 5500 Leute, die sich in den Zivildienst einteilen lassen. Das könne so nicht weitergehen.
Aufgescheucht hatte ihn der Parlamentsentscheid vom 15. September 2015, Zivildienstleistende künftig auch in Schulen einzusetzen. Dadurch würde der Ersatzdienst noch attraktiver. Eine Attraktivitätssteigerung lag allerdings nicht in der Absicht des Parlaments, sondern bildet bloss einen allfälligen Nebeneffekt des Versuchs, ein zusätzliches Betätigungsfeld für die vielen Zivis zu finden.
Ob der Schuleinsatz nicht geschulter Hilfskräfte eine gute Sache ist, soll hier nicht diskutiert werden. Gegen den Lehrkräftemangel kann das nur eine kurzfristige Notmassnahme sein. Vielsagende Vorbehalte gehen eher dahin, dass Schul-Zivis mit ihrer antimilitärischen Haltung die anvertrauten Kinder anstecken könnten und mit ihrer Präferenz für zivile Dienste den Kindern ein schlechtes Vorbilder abgeben könnten.
Die Schweiz bringt dies wegen der allgemeinen Wehrpflicht (BV Art. 59) ohnehin ein Problem. Einst ein Pauschalbestand von rund 800’000 Mann (!), ist heute der Bestand auf rund 140’000 geschrumpft, dies bei einer Tauglichkeitsquote von etwa 60 Prozent.
Was die Militärverantwortlichen alarmieren müsste, ist vielmehr der Zeitpunkt, zu dem die jungen Leute sich für den Zivildienst und gegen den Militärdienst entscheiden. Weniger als die Hälfte (45,5 Prozent) tun es vor der Rekrutenschule, also eher aus grundsätzlicher Haltung. Und mehr als die Hälfte tun es während der Rekrutenschule (8,7 Prozent) oder danach (45,8 Prozent), also bereits mit Militärerfahrung.
Sicher können nicht alle diese Abgänge als Resultat einer skrupulösen Sinnabklärung gedeutet werden, es können auch illusionäre Bequemlichkeitsüberlegungen im Spiel sein. Aber es gilt, was ein Leserbriefschreiber, ein Herr Florian Stienen aus Niederscherli (BE), im «Bund» vom 15. September 2015 bemerkt hat: «Nicht der Zivildienst sollte unattraktiver, sondern das Militär attraktiver gemacht werden. Nur so gelingt es vielleicht, mehr junge Männer für das Militär zu begeistern. (…) Das Argument der SVP, dass der Zivildienst nicht noch attraktiver gemacht werden dürfe, erscheint mir lächerlich.»
Auf zum Wettbewerb der Systeme
Nachschieben kann man, dass unser grossmäuliger Verteidigungsminister im Dezember 2008 bei Amtsantritt die «beste Armee der Welt» haben wollte. Was ist darausgeworden? Dem aktuellen «Global Firepower Index» ist zu entnehmen, dass die Schweiz von 126 erfassten Ländern an 30. Stelle steht. Ueli Maurer könnte entgegnen, dass es da vor allem um Budget und Ausrüstung gehe und Parlament und Volk diese festlegen würden.
Doch die Qualität einer Armee misst sich auch an weicheren Kriterien: an Einstellung, Ausbildung, Dienstklima, Betriebskultur. Und da könnte, wie gesagt, die Zivildienstquote ein Indikator sein. Auch aus neoliberaler Sicht müsste man den Wettbewerb der Systeme eigentlich gutheissen. Die Dienstpflicht an sich soll aber bleiben und es liesse sich heute auch argumentieren, dass die im Grunde nicht nur für Männer gelten sollte.