Dicke Luft in der Basler SP: Schenker will Nationalratsitz nicht für Atici räumen

Silvia Schenkers Zeit als Nationalrätin läuft Ende 2019 ohnehin ab. Die Basler SP-Politikerin will aber nicht vorzeitig zurücktreten und ihrem Nachfolger Mustafa Atici Platz machen. Damit löst sie in der Partei Unverständnis aus.

Will ihren Sitz nicht zugunsten von Mustafa Atici räumen: Nationalrätin Silvia Schenker (SP).

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Silvia Schenkers Zeit als Nationalrätin läuft Ende 2019 ohnehin ab. Die Basler SP-Politikerin will aber nicht vorzeitig zurücktreten und ihrem Nachfolger Mustafa Atici Platz machen. Damit löst sie in der Partei Unverständnis aus.

Am Montagabend war Mustafa Atici am Boden zerstört. An einem Treffen im engsten SP-Kreis hatte ihm Nationalrätin Silvia Schenker eröffnet, dass das Berner Bundeshaus für ihn auch in den nächsten drei Jahren nicht mehr als eine Wunschdestination bleiben wird.

Das Loslassen fällt Silvia Schenker schwer, Politik ist ihr Leben. Seit 2003 sitzt die 62-Jährige für die Basler SP in der grossen Kammer und hat sich dort mit ihrem Engagement in den Themen Migration, Integration und Soziales einen Namen gemacht. Eigentlich hätte Schenker im Herbst 2015 wegen der parteiintern geltenden Amtszeitbeschränkung von zwölf Jahren gar nicht mehr zu den Nationalratswahlen antreten dürfen.

Ihre Partei hob im Februar 2015 die Amtszeitbeschränkung allerdings auf (auch für Ständerätin Anita Fetz). Schenker wurde mit 111 gegen 29 Stimmen für die Wahl in eine vierte Legislatur im Nationalrat nominiert – in der Erwartung, dass sie dann schon vorzeitig zurücktreten werde und ihrem Nachrückenden Platz machen wird. So war es schliesslich auch bei Rudolf Rechsteiner, der 2009 – wenn auch schweren Herzens – seinen Rücktritt aus der grossen Kammer zugunsten von Beat Jans ankündigte. 

Schenker will Wählerauftrag erfüllen

Im Oktober vor einem Jahr schaffte Schenker mit 20’779 Stimmen die Wiederwahl. Nur knapp verpasste Atici mit 15’771 Stimmen den dritten Sitz für die SP – er wurde bekanntlich von der BastA!-Kandidatin Sibel Arslan verdrängt. Immerhin blieb ihm der Trost, wohl irgendwann in den nächsten vier Jahren für Schenker nachrücken zu dürfen.

Diese Hoffnung hat Schenker nun zunichte gemacht. Gemäss Informationen der TagesWoche hat Schenker Atici und der Parteileitung am Montagabend mitgeteilt, dass sie die volle Amtszeit in Bern absitzen werde. Will Atici Nationalrat werden, muss er somit 2019 nochmals kandidieren – auf dem einfacheren Weg als Nachrückender geht es nicht.

Schenker bestätigt ihre Absichten:

«Für mich gehört zur Politik vor allem, den Auftrag der Wählerinnen und Wähler zu erfüllen. Niemand hat mich 2015 für ein oder zwei Jahre gewählt, sondern für eine ganze Legislatur von vier Jahren. Und diesen Auftrag will und werde ich erfüllen, auch wenn das aktuell nicht im Sinn der Parteiführung ist.

Einige Menschen innerhalb der SP zu enttäuschen, tut mir weh. Aber jene Wählerinnen und Wähler in Basel nicht zu enttäuschen, die mir mit ihrer Stimme bereits zu meinen Grossrat-Zeiten und auf nationaler Ebene seit 2003 vertrauen und meine politische Arbeit schätzen, hat Priorität, steht auf meiner Pro-und-Contra-Liste zuoberst. Abgesehen davon: Ich bin gesund, motiviert, habe unveränderte Freude an meinen politischen Aufgaben, und die möchte ich jetzt nicht wie ein halbfertiges Puzzle als erledigt betrachten.»

Atici versteht die Welt nicht mehr

Mustafa Atici meint zur bitteren Nachricht: «Das war nicht so abgemacht. Dieser Entscheid ist für mich nicht nachvollziehbar und er schadet der Partei enorm. Ich bin enttäuscht.»

Viele Leute in der SP – und vor allem viele Migrantinnen und Migranten, die er vertrete und auch versuche innerhalb der SP Schweiz besser zu positionieren – hätten grosse Hoffnungen gehabt, dass er für Schenker in den Nationalrat nachrücken könne, sagt der SP-Grossrat. «Mir wird immer wieder die Frage gestellt, wann ich endlich nachrücken könne. Dass dies nun offenbar nicht möglich ist, ist schade.» Mehr will Atici nicht dazu sagen – auch nicht, ob er in drei Jahren nochmals einen Anlauf wagen und für den Nationalrat kandidieren wird.

Schenker hält an Entscheid fest

Nicht erfreut über Schenkers Beschluss ist auch SP-Präsidentin Brigitte Hollinger. «Dieser Entscheid ist nicht gut für die Partei und ich habe kein Verständnis dafür.» Zumal man mit Mustafa Atici einen Nachrückenden habe, der auf eine grosse Wählerschaft in der Migrationsbevölkerung zählen könne.

«Wir können nicht sagen, dass wir für die Partizipation sind – wenn aber jemand dann eine tragende Rolle spielen soll, verunmöglichen wir dies», sagt Hollinger. Die SP-Chefin glaubt nicht, dass das letzte Wort in dieser Sache gesprochen ist. «Wir nehmen den Entscheid von Silvia Schenker so zur Kenntnis und lassen ihn mal so stehen – Gespräche wird es zu gegebener Zeit aber wieder geben.»

Knatsch innerhalb der SP

Doch Schenker will sich nicht umstimmen lassen: «Es ist ein definitiver Entscheid. Damit besteht ab sofort für alle Klarheit: Für die Partei, eine Nachfolge-Kandidatur für 2019 mit viel Zeit und ohne Hektik zu regeln. Und für mich persönlich ebenfalls.» Es sei ihr wichtig, den Zeitpunkt der Beendigung ihrer politischen Tätigkeit selber und im Sinn der Wählerschaft zu beenden.

Schenkers Ankündigung dürfte in der Partei noch für grossen Zündstoff sorgen. Der Knatsch um die Unternehmenssteuerreform III ist noch nicht ausgestanden, und schon gerät der Haussegen bei der Basler SP noch mehr in Schieflage.


Silvia Schenker: «Einige Menschen in der SP zu enttäuschen, tut mir weh»

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