Die ägyptischen Tourismusangestellten leben von Almosen

Ägyptens Tourismuseinnahmen sind im letzten Jahr um 40 Prozent eingebrochen. Am schlimmsten sind die Auswirkungen in den Nilstädten Luxor und Assuan. Assuan soll nun als Winterresort profiliert werden. Viele Einheimische erhoffen sich Besserung, wenn Armeechef General Sisi Präsident würde. Unsere Korrespondentin war vor Ort.

(Bild: Astrid Frefel)

Ägyptens Tourismuseinnahmen sind im letzten Jahr um 40 Prozent eingebrochen. Am schlimmsten sind die Auswirkungen in den Nilstädten Luxor und Assuan. Assuan soll nun als Winterresort profiliert werden. Viele Einheimische erhoffen sich Besserung, wenn Armeechef General Sisi Präsident würde. Unsere Korrespondentin war vor Ort.

Es ist ein Satz gewesen. «Ich muss mich entscheiden, entweder kaufe ich Futter für mein Pferd oder Essen für meinen Sohn.» Mehr sagte der Pferdekutschenbesitzer dem Tourismusminister gegenüber nicht, es war auch nicht nötig. Hisham Zaazou hat die verzweifelte Lage verstanden und reagiert.

Fünf Millionen ägyptische Pfund (rund 650 000 Fr.) hat der Minister aufgetrieben, um die schlimmste Not unter den Tourismusangestellten in den beiden Nilstädten Luxor und Assuan zu lindern. Einen letzten Check über eine Million Pfund übergab er im Rahmen einer Konferenz vor einigen Tagen an den Gouverneur von Assuan, General Mustafa Youssry Atallah.

Erste Geschäftsaufgaben – trotz «Hochsaison»

Eigentlich wäre jetzt Hochsaison in Assuan; aber ausländische Touristen trifft man in diesen Tagen nur vereinzelte. Während den Semesterferien in den ägyptischen Schulen geniessen immerhin einige Einheimische das milde Klima. Die Krise ist unübersehbar. Erste Restaurants sind geschlossen. Auf dem Schild eines traditionellen Lokals am Nil steht «wegen Rennovation». Aber Nachbarn wissen, dass der tatsächliche Grund der Mangel an Gästen ist.




Oben General Sisi, unten das etwas andere Publikum: Marktbetreiber richten sich auf einheimische Kunden aus. (Bild: Astrid Frefel)

Auf dem Touristenmarkt haben verschiedene Geschäfte ihre Angebot, zum Beispiel mit Kinderspielzeug oder Winterkleidung, nun auf die eigene Bevölkerung ausgerichtet statt auf die Fremden. Die Preise etwa für die Fahrt mit einer Felucca, den traditionellen Segelschiffen, ist fast auf die Hälfte gefallen.

 

Seit der Revolution fehlen die Gäste

Diese Tourismuskrise ist aussergewöhnlich, denn sie dauert nun schon drei Jahre, genau seit der Revolution im Januar 2011. Auf eine bescheidene Erholung, folgte jeweils wieder ein Einbruch, ausgelöst durch neue politische Unruhen. Der Tourismus ist der Motor der ägyptischen Wirtschaft, von dem direkt und indirekt rund 4 Millionen Arbeitsplätze – das heisst etwa 16 Millionen Familienmitglieder – in 70 Branchen, verteilt auf 100 Berufe abhängig sind. Das Jahr 2013 war katastrophal.

9,5 Millionen Touristen, 17,9 Prozent weniger als im Vorjahr haben Ägypten besucht. Die Einnahmen sind wegen des Preiszerfalls bei Hotels und anderen Dienstleistungen gar um 40 Prozent auf 6 Milliarden Dollar gesunken. Das ist das Niveau von 2004. Gegenüber dem Rekordjahr 2010 beträgt der Rückgang der Einkünfte sogar 52 Prozent. Optimistisch stimmt den Tourismusminister die Tatsache, dass nach intensiven Kontakten inzwischen 28 Länder ihre Reisewarnungen zurückgenommen haben. Nach dem absoluten Tiefpunkt im September steigen die Touristenzahlen deshalb wieder leicht an. Kurzfristiges Ziel ist die Marke von 14 Millionen Touristen und Einnahmen von 11 Milliarden Dollar.

Live-Kameras in den Touristenhochburgen

Tourismusminister Zaazou setzt laut seinen Ausführungen an der Konferenz derzeit vor allem auf traditionelle Marketing-Instrumente, insbesondere persönliche Ansprache. Journalisten und Reiseveranstalter sollen über eigene Erfahrungen berichten. Er bemüht sich, die Flugverbindungen zu verbessern, wobei Europa mit fast drei Vierteln aller Gäste der wichtigste Markt bleibt. An fünf Touristenorten sind nun auch Live-Kameras installiert. Die Zahl wird bald auf 25 erhöht.

Sie sollen beweisen, dass es an diesen Orten ruhig ist und man einen unbeschwerten Urlaub geniessen kann. «Ägypten jetzt» heisst deshalb ein Kampagne. Zudem soll versucht werden, mit Grossanlässen in Kultur und Sport ein positives Image zu verbreiten. Neue Märkte sollen etwa mit der langen Nilkreuzfahrt von Kairo nach Assuan und dem Religionstourismus auf der Spur der Heiligen Familie in Ägypten erschlossen werden.

In Assuan seien allein 1100 Touristenführer seit drei Jahren arbeitslos, sagt ein Verbandssprecher.

Auf längere Frist muss für europäische Ansprüche insbesondere die Qualität des Angebotes verbessert werden. Sowohl für Hotels als auch für Kreuzfahrtschiffe ist die Einführung neuer Qualitätsstandard geplant. Zaazou ist überzeugt, dass die Investitionsmöglichkeiten nach wie vor gut sind und rät zur Diversifikation etwa in Marinas, Konferenzzentren oder Shopping Malls.

Besonderes Augenmerk wird in diesen Krisenzeiten auf die Nilstädte Luxor und Assuan gelegt. Sie leben vorwiegend von den Nilfahrten und die liegen praktisch auf Eis. Von den 300 Schiffen, sind wenige Dutzend in Betrieb. Die meisten grossen ausländischen Veranstalter warten noch ab bis mindestens April. Im Gegensatz zu den künstlich geschaffenen Badeorten wie Hurghada und Sharm al-Sheikh, wo die Angestellten aus dem ganzen Land nur arbeiten und nicht leben, ist hier die lokale Bevölkerung im Tourismus tätig und die Städte sind ganz von diesem Sektor abhängig. Statistiken, wie viele Arbeitsplätze verloren gegangen sind, gibt es nicht. In Assuan seien allein 1100 Touristenführer seit drei Jahren arbeitslos, erklärt Abdel Nasser Saber von ihrem Verband im Gespräch.




Die Nilkreuzschiffe liegen am Quai, nur ganz wenige sind in Betrieb. (Bild: Astrid Frefel)

Politische Stabilität unerlässlich

Das Ministerium versucht deshalb, neue eigenständige Marken kreieren, die möglichst keine Assoziationen mit den Gewaltausbrüchen in Kairo beinhalten. Mit «Read Sea» für die Badeorte am Roten Meer ist das bereits geschehen. Assuan soll als Winterressort propagiert werden, das auch ohne Nilkreuzfahrt viele kulturelle und landschaftliche Attraktionen zu bieten hat.

Saber hat noch andere Vorschläge. Er möchte, dass die Kreuzfahren auf dem Nasser-See bis nach Wadi Halfa im Sudan verlängert werden, um mit der Anbindung eines neuen Landes, neue Touristen anzulocken und er verlangt einen Ausbau der Strasse ans Rote Meer, damit vermehrt Bade-Touristen einen Abstecher nach Assuan machen. Aber letztlich werde nur politische Stabilität die Lage dauerhaft verbessern, ist der Manager eines Mittelklasse-Hotels überzeugt. Die werde einkehren, wenn Armeechef General Abelfattah al-Sisi neuer Präsident Ägyptens werde, hofft eine Kiosk-Besitzerin. Auch in Assuan ist Sisis-Konterfei bereits überall präsent.

 

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