Die Angst vor den Designer-Babys

Am 14. Juni stimmen wir über die Präimplantationsdiagnostik (PID) ab. Dabei steht eine Frage im Vordergrund: Wie weit darf der Mensch in die Fortpflanzung eingreifen?

Die Abstimmung zur Präimplantationsdiagnostik ist ein Kampf um die Ängste vor den Fortschritten in der Fortpflanzungsmedizin. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Am 14. Juni stimmen wir über die Präimplantationsdiagnostik (PID) ab. Dabei steht eine Frage im Vordergrund: Wie weit darf der Mensch in die Fortpflanzung eingreifen?

Wer schwanger wird, kann schon heute eine Reihe von Tests durchführen. Pränataldiagnostik nennt sich das (übersetzt «vorgeburtliche Untersuchung»). Die Schwangere erfährt dann beispielsweise, ob ihr Kind Trisomie 21 haben wird. Sie kann sich dann entscheiden, ob sie das Kind austragen oder in den ersten zwölf Wochen eine Abtreibung vornehmen lassen will. 

Seit 2012 werden in der Schweiz genetische Bluttests angeboten, die keine Risiken für die Betroffenen bergen und einen Anhaltspunkt auf Chromosomenstörungen geben. Bei Unregelmässigkeiten können die Ärzte dann weitere Tests durchführen. Diese Erstuntersuchung ist für schwangere Frauen verlockend, Kritiker befürchten, dass solche Tests bald zum Standard gehören werden.

Nun entscheiden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in acht Wochen über die Präimplantationsdiagnostik (PID), die ähnliche Tests bei einer künstlichen Befruchtung bereits in der Petrischale erlauben würde. Die ethische Frage steht erneut auf der politischen Agenda: Wie weit darf der Mensch in seine Fortpflanzung eingreifen?

Chancen auf künstliche Befruchtung werden erhöht

Seit bald 20 Jahren ringen Politiker um das Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG); ein langer Kampf, den die Bevölkerung am 14. Juni bei der Abstimmung über eine Verfassungsänderung entscheidend mitbestimmen wird. Der neue Verfassungstext erlaubt es, Embryonen zu untersuchen, bevor sie in den Körper einer Frau eingepflanzt werden. Die Praxis soll insbesondere denjenigen Paaren zugute kommen, bei denen der Mann oder die Frau eine schwere Erbkrankheit aufweist.

In diesen Fällen könnten die Embryonen noch in der Petrischale untersucht und aussortiert werden. Aber auch Paare ohne Erbkrankheiten könnten von der PID profitieren. Die Chancen für eine künstliche Befruchtung würden steigen, da Ärzte neu bis zu zwölf Embryonen in der Petrischale entwickeln dürften und diejenigen mit der grössten Überlebensfähigkeit einpflanzen könnten.

Die Praxis weckt bei manchen die Vorstellung, dass Kinder irgendwann nur noch im Reagenzglas entstehen. Blaue Augen, intelligent, keine Erbkrankheiten – es ist die Angst vor dem Designer-Kind mit einer Prise nationalsozialistischer Eugenik.

«Ein Schritt in Richtung Laborkind»

SP-Ständerätin Anita Fetz sieht keine solche Gefahr: «Es gehört zu unserem gesellschaftlichen Auftrag, dass wir solche Auswüchse verhindern; ich sehe zurzeit keine Tendenz in diese Richtung.»

Für Fetz ist es unverständlich, dass dieselben Untersuchungen während der Schwangerschaft erlaubt sind, aber nicht bevor eine künstlich befruchtete Eizelle eingepflanzt wird. Das führe dazu, dass Frauen die Embryonen erst während der Schwangerschaft untersuchen könnten und im schlimmsten Fall erst dann abtreiben würden.

Ihre Baselbieter Parteikollegin Susanne Leutenegger Oberholzer widerspricht. Es sei etwas ganz anderes, ob ein Embryo in der Petrischale oder erst im Bauch der Mutter untersucht würde. «Mit der Präimplantationsdiagnostik gehen wir einen Schritt in Richtung Laborkind», ist sie überzeugt.

Kampf um Ängste

Leutenegger Oberholzer war die einzige SP-Vertreterin, die die Verfassungsänderung im Nationalrat ablehnte. Die meisten PID-Gegner kommen aus den Reihen der CVP und SVP. Was sie vereint, ist die Angst vor den Auswirkungen des neuen Gesetzes. «Die vermeintlich harmlose Verfassungsänderung öffnet Tür und Tor für die gezielte Selektion von Menschen», schreiben die PID-Gegner auf ihrer Webseite.

Behindertenorganisationen lehnen die PID grösstenteils ab. Stefanie Dadier vom Verein Insieme meint: «Mit einer Annahme der PID wird die Unterscheidung in lebenswerte und nicht lebenswerte Embryonen quasi institutionalisiert.» Eltern von behinderten Kindern müssten sich künftig vermehrt die Frage anhören: Warum hast du dieses Kind nicht verhindert? Es sei wichtig, dass die Akzeptanz für Menschen mit Behinderung gewahrt bleibe. Eine Annahme der Vorlage würde das Gegenteil bewirken, so Dadier.

Der Verfassungstext ist allerdings klar formuliert: Die PID soll nur dann erlaubt sein, «wenn die Unfruchtbarkeit oder die Gefahr der Übertragung einer schweren Krankheit nicht anders behoben werden kann». Nicht erlaubt ist die PID, «um beim Kind bestimmte Eigenschaften herbeizuführen». Bundesrat Alain Berset schliesst denn auch explizit aus, dass es zu Designer-Babys kommen würde.

Wenn Kinderwünsche nur dank medizinischer Hilfe wahr werden

Basel ist als Ort für die künstliche Befruchtung äusserst beliebt. In unserem aktuellen Wochenthema gehen wir der Frage nach, wieso dies der Fall ist. Haben Sie Anregungen oder Hinweise? Schreiben Sie uns: dienstpult@tageswoche.ch.

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