Die Aussage wird Punkt für Punkt überprüft

Tag 19 im Luxemburger Jahrhundert-Prozess. An den Aussagen von Zeuge Andreas Kramer kommen Zweifel auf. Die Staatsanwaltschaft will Kramers Geschichte nun Punkt für Punkt überprüfen.

Gesprengter Strommast in Luxemburg: Der Anschlag von 1986 wird derzeit in einem Prozess behandelt. (Bild: «Tageblatt»)

Tag 19 im Luxemburger Jahrhundert-Prozess. An den Aussagen von Zeuge Andreas Kramer kommen Zweifel auf. Die Staatsanwaltschaft will Kramers Geschichte nun Punkt für Punkt überprüfen.

Punkt für Punkt müsse man die Attentate durchgehen, um zu sehen, ob sich der Zeuge Andreas Kramer an Aussagen seines Vaters dazu erinnern kann. Das forderte gestern am 19. Tag im «Bommeleeër»-Prozess der beigeordnete Staatsanwalt Georges Oswald, für den die Aussagen des Zeugen am Vortag viel zu oberflächlich waren. Staatsanwaltschaft und Verteidigung waren damit einverstanden, einen Fragenkatalog an den Mann auszuarbeiten.

Sprengfallen-Tüftler

Die Ermittler im Dossier – Georges Oswald beantragte gestern übrigens die Verstärkung um drei Leute – sollen ihn dann einem Verhör unterziehen, ehe Kramer noch einmal in den Zeugenstand gerufen wird.

(Bild: Hans-Jörg Walter)

Zunächst aber sollen sie auch das Umfeld des Mannes und dessen bisherige Aussagen überprüfen. Kramer behauptet, sein Vater, der «Stay Behind»-Chef beim deutschen Bundesnachrichtendienst war, sei der Strippenzieher hinter den Bombenanschlägen in Luxemburg und habe sogar selbst Hand mit angelegt. So habe er beispielsweise die potenziell tödliche Sprengfalle bei Asselscheuer entworfen und mitinstalliert, die am 5. Juli 1985 entdeckt wurde. Sein Vater sei ein «Tüftler» gewesen, der unter anderem mit Sprengfallen experimentiert habe. Richterin Sylvie Conter und der Vertreter der Staatsanwaltschaft befragten den Historiker und Experten für alte Handschriften zu seinem familiären Umfeld. Kramer kam auf die Schwierigkeit der Beziehung mit seinem Vater zurück, der ihn immer wieder in den Geheimdienst holen wollte und ihn «erpresst» habe. Trotzdem hielt sich der Junge raus, ging seinen eigenen Weg. Sein Vater habe ihn allerdings immer wieder aufgesucht und ihm «Bruchstücke» von Informationen anvertraut.

Indizien im Nachlass?

Ob Kramer Senior die Informationen auch mit seinen beiden Töchtern geteilt habe, konnte der Zeuge nicht sagen. Momentan streiten er und eine Schwester sich vor Gericht um den Nachlass des im November 2012 verstorbenen Vaters. Er habe den Nachlass noch nicht einsehen könne, so Kramer Junior, sei aber bereit, dem Gericht im Falle des Falles interessante Dokumente zu liefern. Gestern hinterlegte der Zeuge neben einigen von ihm zusammen getragenen Akten und Personen, mit denen er zusammenarbeitete, auch Familienfotos.

Was die präziseren Aussagen seines Vaters zu verschiedenen Attentaten anbelangt, sagte Andreas Kramer Folgendes: Das gesprengte Ferienhaus in Bourscheid im April 1985 sei eine Übung für die «Bommeleeër»-Truppe gewesen. Sie habe aus BND-Offizieren und Luxemburgern bestanden. Der Sprengsatz, der beim EG-Gipfel im Dezember 1985 detonierte, sei von einem Motorrad abgeworfen worden. Das Attentat auf den damals kurz zuvor in den Ruhestand getretenen Gendarmerie-Kommandanten Jean-Pierre Wagner in Belair Ende März 1986 sei verübt worden, weil sich «höhere Offiziere der Gendarmerie» in die Ermittlungen eingemischt hätten.

Dass sich das Gericht noch einmal über längere Zeit mit den brisanten Aussagen Kramers beschäftigen muss, der ja auch sagt, dass der Ex-Geheimdienstchef Charles Hoffmann von den Aktionen von Kramer Senior wusste, steht fest. Heute stehen vor Gericht aber erst einmal die Ermittlungen im Dossier Ben Geiben an der Tagesordnung.

Ein neuer Zeuge

Und dann noch das: Die Staatsanwaltschaft hat gestern das Schreiben eines Zeugen erhalten, der am 30. November 1985 zeitnah zu einem Anschlag auf einen Strommast in Heisdorf verdächtigen Autos begegnete, aus denen auch Männer ausstiegen. Auf einem Foto im «Journal» will er einen der Männer erkannt haben: Es soll sich um Jos Wilmes gehandelt haben. Die Verteidigung konterte, dass diese Aussage im Widerspruch mit früheren Angaben des Zeugen stehe. Und Wilmes zu diesem Zeitpunkt nicht an dem Ort gewesen sein konnte.

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