In beiden Basel stehen umstrittene Verkehrsvorlagen zur Abstimmung, die aber in höchst unterschiedliche Richtungen zielen: Während Baselland mit Elba die Kapazitäten für den Autoverkehr ausbauen möchte, weist die Strasseninitiative in Basel-Stadt klar in die entgegengesetzte Richtung.
Namen und Begriffe können täuschen. In Baselland steht am 8. November eine Vorlage zur Abstimmung, die den Namen Elba trägt, mit der beschaulichen Ferieninsel im Mittelmeer im übertragenen Sinne aber auch rein gar nichts zu tun hat. Und in Basel-Stadt wird am 15. November über die Strasseninitiative abgestimmt, die keineswegs auf einen Ausbau des Strassennetzes oder -verkehrs abzielt, wie man vielleicht glauben könnte.
Klarer wird die Sache, wenn man die Kinder bei ihren vollen Namen nennt: Elba ist die Abkürzung für «Entwicklungsplanung Leimental-Birseck-Allschwil» (dass es dabei in erster Linie um Verkehrsplanung geht, erfährt man aus dem Namen allein noch nicht). Die Strasseninitiative heisst im vollen Wortlaut «Strassen teilen – Ja zum sicheren und hindernisfreien Fuss-, Velo- und öffentlichen Verkehr», was schon sehr viel über den Inhalt des Begehrens aussagt.
Verkehrspolitik entlang des Links-rechts-Grabens
Sowohl bei Elba als auch bei der Strasseninitiative stehen verkehrspolitische Grundsatzentscheide zur Debatte. Und wie eigentlich immer, wenn es um das Thema Verkehr geht, wird heftig darüber gestritten. Damit hat es sich aber bereits mit den Gemeinsamkeiten. Denn inhaltlich weisen die beiden Vorlagen in höchst unterschiedliche, wenn nicht gar in entgegengesetzte Richtungen.
Der inhaltliche Scheidepunkt liegt im Fachbegriff «Modal Split». Damit ist die Verteilung des Verkehrsaufkommens auf die verschiedenen Fortbewegungsmittel (Auto, Velo, Fussgänger und öffentlicher Verkehr) gemeint. Während die in Baselland zur Abstimmung stehende Elba-Vorlage keine Änderung des autolastigen Modal Splits anstrebt, geht es in Basel-Stadt klar um eine Gewichtsverschiebung zugunsten des Langsamverkehrs und öffentlichen Verkehrs.
Einmal mehr kristallisieren sich also die deutlichen Mentalitätsunterschiede zwischen der politisch rot-grün dominierten Kernstadt und der zunehmend rechtsbürgerlichen Agglomeration heraus. Entsprechend läuft die links-grüne Opposition im Baselbiet Sturm gegen Elba, während sich in der Stadt die bürgerlichen Parteien zusammen mit den Wirtschaftsverbänden gegen die Strasseninitiative zur Wehr setzen.
Worum geht es?
Strasseninitiative
Die Strasseninitiative, die vom Verkehrsclub der Schweiz VCS lanciert worden ist, nimmt im Grundsatz einen Passus im baselstädtischen Umweltschutzgesetz auf. Das Gesetz schreibt vor, dass der Kanton dafür sorgt, dass Fussgänger sowie der nicht motorisierte und der öffentliche Verkehr gegenüber dem privaten Motorfahrzeugverkehr bevorzugt und vor Behinderungen und Gefährdungen geschützt werden. Überdies wollen die Initianten der Forderung einer zehnprozentigen Reduktion des motorisierten Individualverkehrs Vorschub leisten, wie dies im Gegenvorschlag zur Städteinitiative festgehalten ist, die 2010 in Basel-Stadt angenommen wurde.
In Basel-Stadt soll der motorisierte Verkehr in die zweite Reihe treten. (Bild: Dominique Spirgi)
Die Durchsetzung dieser Ziele wollen die Initianten mit konkreten Massnahmen beschleunigen: So verlangt die Initiative, dass auf allen Hauptverkehrs- und Hauptsammelstrassen im Kanton – die Autobahnen ausgenommen – normgerechte Trottoirbreiten erstellt sowie Verbesserungsmassnahmen für den Veloverkehr umgesetzt werden und der öffentliche Verkehr etwa mit separaten Spuren und Vortrittsregelungen konsequent bevorzugt wird. Als Umsetzungsfrist legen die Initianten fünf Jahre (innerorts) und zehn Jahre (ausserorts) fest.
Gegenvorschlag zur Strasseninitiative
Für die Basler Regierung gehen die «absolut formulierten» Forderungen der Initiative zu weit, zumal die rasche Umsetzung überdies mit einem Riesenaufwand und entsperechend hohen Kosten von rund 145 Millionen Franken verbunden wäre. Sie brachte deswegen einen Gegenvorschlag ins Spiel, der mit geschätzten Gesamtkosten von fünf Millionen Franken finanziell keine schwerwiegenden Folgen hätte.
Der Gegenvorschlag ist viel pragmatischer als die Initiative. So sollen sich Verbesserungen für Fussgänger und den öffentlichen Verkehr auf die Strassenabschnitte beschränken, auf denen dies mit einfachen Mitteln wie Signalisation und Markierungen möglich ist. Auch die Velomassnahmen sollen nicht flächendeckend, sondern innert einer Frist von sieben Jahren lediglich auf den definierten Velorouten umgesetzt werden. Für allenfalls nötige bauliche Massnahmen soll keine Frist gelten, so dass diese in eh anfallende Strassensanierungsprojekte integriert werden könnten. Und als unkomplizierte Alternative zu separaten Velospuren sollen auch Tempo-30-Strecken möglich sein.
Letzteres gibt im Abstimmungskampf viel zu reden. Die Gegner von Strasseninitiative und Gegenvorschlag führen ins Feld, dass Tempo 30 auf Hauptverkehrsstrassen nicht bundesrechtskonform sei, und dass wegen der Markierung von Velostreifen Parkplätze geopfert werden müssten. Auch die Regierung glaubt nicht daran, dass sich Tempo 30 überall durchsetzen lasse und man um neue Velostreifen und damit auch um einen Abbau von öffentlichen Parkplätzen herumkommen werde.
Bei der Bezifferung der gefährdeten Parkplätze sind indes höchst unterschiedliche Zahlen im Umlauf. Die Gegner sprechen beim Gegenvorschlag von über 1750 Parkplätzen, die Regierung geht, je nachdem, wie viele Tempo-30-Strecken sich rechtlich realisieren liessen, von 650 bis 1200 Parkplätzen aus, die wegen neuer Velostreifen wegfallen könnten.
Baselland tickt anders
Von Forderungen, wie sie in der Strasseninitiative, aber auch im Gegenvorschlag dazu formuliert sind, ist das Baselbiet weit entfernt. Dort dreht sich der Abstimmungskampf darum, ob es nicht besser wäre, die Verkehrsinfrastruktur massvoll auszubauen, statt, wie es die rechtsbürgerliche Mehrheit im Regierungs- und Landrat beschlossen hat, für viel Geld neue Strassen zu bauen.
Elba-Vorlage
Mit Elba möchte die Baselbieter Regierung die gesamte Verkehrsinfrastruktur im unteren Baselbiet längerfristig auf die Bedürfnisse abstimmen, die sich durch das im Planungsgebiet erwartete Bevölkerungswachstum bis 2035 um rund 20’000 Menschen ergeben werden. Konkret abgestimmt wird über einen Planungskredit von 11 Millionen Franken, heftig diskutiert wird indes über die milliardenteuren konkreten Ausbaumassnahmen, die der Regierungsrat in seinem Bericht skizziert.
Das Baselbiet möchte die Kapazität des motorisierten Verkehrs ausbauen. (Bild: Hans-Jörg Walter)
Der Bericht enthält zwei Stossrichtungen, die mit «Umbau» oder «Ausbau» betitelt sind. Wie die Begriffe es besagen, würden sich die Massnahmen bei der Stossrichtung «Umbau» vor allem auf Verbesserungen im bestehenden Verkehrsnetz beschränken, während die Variante «Ausbau» neue Hochleistungsstrassen enthält. Der Landrat hat sich auf Antrag der Regierung für die mit geschätzten Gesamtkosten von 1,8 Milliarden Franken teure Variante «Ausbau» entschieden. Die beiseite gelegte Variante «Umbau» hätte rund 800 Millionen Franken gekostet.
Umstrittenes Kernelement Stadttangente
Die beiden Varianten unterscheiden sich im Prinzip durch unterschiedliche Gewichtungen beim «Modal Split». Während die Variante «Umbau» eine leichte Gewichtsverschiebung zugunsten des Langsamverkehrs und des öffentlichen Verkehrs nach sich gezogen hätte, fällt er bei der Variante «Ausbau» «neutral» aus, wie es im Bericht heisst. Das heisst, dass der Autoverkehr im stadtnahen Agglomerationsgürtel seine gewichtige Stellung beibehalten wird.
Umstrittenes Kernelement im Elba-Massnahmenkatalog ist eine neue Strassentangente, die nahe an der Stadtgrenze (und teilweise auch innerhalb der Stadt Basel) von Allschwil bis zur kantonalen Autobahn H18 im Birseck führen soll. Nur ein Teil dieser Tangente, der Nordtangenten-Zubringer Allschwil, über den im Baselbiet im März bereits abgestimmt wurde, ist unumstritten. Die gesamte Strassentangente würde mit rund 700 Millionen Franken einen grossen Teil der Kosten verschlingen.
Rechnung ohne die Stadt gemacht
Überdies ist die Errichtung dieser neuen stadtnahen Strassentangente mit einem grossen Unsicherheitsfaktor verbunden. Sie bezieht als Teilstück nämlich das Projekt des Gundelitunnels auf Basler Boden mit ein. Dieses Stadtautobahnenprojekt ist ein Relikt der Verkehrsplanung der 1960er-Jahre und in Basel höchst umstritten. Im April dieses Jahres räumte selbst die Basler Regierung dem 600 Millionen Franken teuren Projekt eine geringe Priorität ein. Als Alternative müsste das Baselbiet auf eigenem Kantonsgebiet und auf eigene Kosten einen teuren Tunnel unter dem Bruderholz hindurch bauen.
Das Beispiel Gundelitunnel zeigt, dass die unterschiedlichen Verkehrsplanungen beider Basel auch in ganz konkrete Konflikte münden können. So will das Baselbiet neue Strassen für den motorisierten Individualverker bauen, der letztlich auch über die Kantonsgrenzen hinaus in die Stadt fliesst. Und das will das rot-grüne Basel, das den Autoverkehr einschränken möchte, explizit nicht.
Dazu kommt, dass die wenig autoaffine Stadtbevölkerung, die eine Finanzhilfe an Baselland in der Höhe von 80 Millionen Franken mittragen muss, wenig Sympathien dafür hat, dass Baselland 1,8 Milliarden Franken in den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur der Agglomeration stecken möchte. Vor allem, wenn es mit der massvollen Variante «Umbau» wesentlich billiger ginge.