Die Bilanz der Parteien im Grossen Rat

Das Volk wählt am 28. Oktober nicht nur eine neue Regierung, sondern auch ein neues Parlament. Was haben die Parteien in den vergangenen vier Jahren neben den grossen Sachgeschäften der Regierung erreicht? Eine Bilanz.

Am 28. Oktober wird an den Basler Wahlurnen entschieden: 769 Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich um die 100 Sitze im Grossen Rat. (Bild: Hans-Jörg Walter )

Das Volk wählt am 28. Oktober nicht nur eine neue Regierung, sondern auch ein neues Parlament. Was haben die Parteien in den vergangenen vier Jahren neben den grossen Sachgeschäften der Regierung erreicht? Eine Bilanz.

Grünes Bündnis Obwohl das Grüne Bündnis aus Mitgliedern zweier Parteien besteht – BastA! und Grüne – tritt die 14-köpfige Fraktion sehr geschlossen auf. 2010 nahm das Bündnis das Areal des alten Kinderspitals am Schaffhauserrheinweg ins ­Visier. Dort werden derzeit rund 80 noble Wohnungen gebaut. Mit einem Vorstoss verlangte die Fraktion eine Wohnsitzpflicht auf dem Areal des alten Kinderspitals. Demnach ist der Investor nun dazu verpflichtet, ausschliesslich Wohnungen zu erstellen, die als Erstwohnungen genutzt werden (und nicht als Zweitwohnungen). Und dass die Familiengärtner 2011 an der Urne den Gegenvorschlag des Parlaments befürworteten und nicht ihre eigene Initiative, ist nur auf das Verhandlungsgeschick des Grünen Bündnisses zurückzuführen.

FDP Die Freisinnigen haben im Grossen Rat stark an Gewicht verloren. Bei den letzten Wahlen vor vier Jahren machten sie einen Verlust von fast zwei Prozent und mussten sechs Sitze abgeben. Dies ist deutlich zu spüren: Die Fraktion verteidigt sich mehr, als dass sie Akzente setzen kann. Ihr grösster Erfolg in der vergangenen Legislatur war die Verschärfung der Schuldenbremse. Wegen einer Motion der FDP wurde die Senkung der Nettoschuldenquote in Basel-Stadt von 7,5 auf 6,5 Promille beschlossen. Im Weiteren setzte sich die FDP mit einer weiteren Motion dafür ein, dass Auslandschweizer im Kanton Basel-Stadt künftig an den Ständeratswahlen teilnehmen können. Die Regierung muss nun eine entsprechende Vorlage ausarbeiten – obwohl sie dagegen ist.

EVP/DSP Die fünfköpfige Fraktion fällt im Grossen Rat kaum auf. Neben der fast so grossen, aber viel lauteren GLP-Fraktion geht sie fast unter. Sie wird kaum wahrgenommen. Dennoch können EVP/DSP manchmal bei der Bildung von Mehrheiten ausschlaggebend sein. Vor zwei Jahren setzte sich die Fraktion für die Wiedereinführung der verdeckten Ermittlungen in ­Basel ein, die mit dem neuen ­Bundesrecht ungmöglich wurden. Die Justiz- und Sicherheitskomission muss noch über die Regierungsvorlage beraten. Ansonsten machten sich EVP/DSP noch mit einem Vorstoss für die Berück­sichtigung von Behinderten bei der Besetzung von Stellen in der kantonalen Verwaltung stark. Damit rannte die Fraktion bei der Exekutive offene Türen ein.

GLP Die Grünliberalen sind erst seit 2009 im Grossen Rat. Trotzdem zählen sie dort bereits zu den ­einflussreichsten Parteien – nicht zuletzt wegen der jetzigen Machtverhältnissen. Die GLP ist dafür verantwortlich, dass die Regierung in Bern eine Standesinitiative eingereicht hatte, die die Abschaltung des AKW Fessenheim verlangt. Einen Achtungserfolg konnte die sechsköpfige Fraktion in der Inte­grationspolitik verbuchen. So setzten sich die Grünliberalen mit einer Motion dafür ein, dass Ausländerinnen und Ausländer, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind und die Einbürgerungs­kriterien erfüllen, künftig kostenlos und automatisch eingebürgert werden. Die Regierung muss nun eine entsprechende Vorlage ausarbeiten.

CVP Die CVP zählt mit ihren 9 Mitgliedern zu den aktiveren Fraktionen im Grossen Rat. Die Partei hat sich schon vor der Initiative für eine ­Fusion der beiden Kantone eingesetzt. So reichte die CVP im Feb­ruar 2010 einen Vorstoss ein, der eine Simulation eines Kantons ­Basel fordert. Mit Erfolg. Die Regierung muss die Vor- und Nachteile einer Fusion eruieren – auch wenn sie dies erst nach einer Volksabstimmung machen will. Zudem hat sich die CVP vor zwei Jahren dafür starkgemacht, dass das allgemeine Trommelverbot aus dem Jahr 1852 in Basel aufgehoben wird. Neu können die Cliquen lostrommeln, ohne zuerst beim Waffen­büro der Polizei eine Bewilligung einholen zu müssen. Früher war Trommeln nur an der Fasnacht und an den Bummelsonntagen erlaubt.

LDP Der Einfluss der einst so grossen und stolzen LDP in Basel schwindet – auch im Grossen Rat. Die ­Liberalen sind stark auf ihre Partner FDP und CVP angewiesen. ­Einige Erfolge können sie dennoch verbuchen. So zeigte der Vorstoss der LDP-Fraktion gegen das wilde Urinieren im öffentlichen Raum Wirkung. Die Verwaltung stellte deswegen in der Innenstadt und am Rheinufer neue Gratispissoirs auf. Zudem wurde wegen der LDP eine Standesinitiative nach Bern überreicht, die eine Verbesserung der Standortbedingungen für die forschende pharmazeutische Industrie verlangt . Und: Die Regierung hat auf Druck der LDP eine Vorlage ausgearbeitet, die die Zulassung von Sonnenkollektoren auf Hausdächern in der Stadtschutzzone vereinfachen will.

SP Die grösste Basler Partei hat sich bis vor Kurzem schwer damit getan, aus dem Schatten ihrer eigenen drei Regierungsräte zu treten. Sie agierte zurückhaltend, wirkte lustlos, es fehlte ihr an Elan. In letzter Zeit jedoch hat die 32- köpfige Fraktion ein bisschen an Schwung dazugewonnen. Sie präsentiert sich kämpferischer und selbstbewuster. Dass es sich für die SP lohnen kann, gegen die eigene Regierung zu opponieren, hat sich im Sommer gezeigt, als sie das Referendum gegen eine Vorlage von Eva Herzog erhob: Das Stimmvolk sprach sich prompt gegen eine weitere Senkung der Unternehmensgewinnsteuern aus. Einen weiteren Erfolg konnte die SP im Bereich Steuern verbuchen: Auf ihre Initia­tive hin wird in Basel nun die Pauschalbesteuerung abgeschafft.

SVP Mit ihren extremen Forderungen steht die SVP meistens isoliert da. Dennoch kann die Partei einige Erfolge feiern. Hauptsächlich wegen ihrer 2010 eingereichten Sicherheitsinitiative gibt es in Basel in den nächsten Jahren 45 zusätzliche Polizisten. Mit ihrer Sauberkeits­initiative war es ähnlich: Die Regierung nahm die Forderung der SVP nach einer Abfallpolizei in Basel auf, worauf die Partei ihre Initiative zurückzog. Die SVP setzte mit einem Vorstoss zudem durch, dass das Basler Regierungspräsidium neu nicht mehr in stiller Wahl besetzt wird (wie dies 2008 noch mit Guy Morin der Fall war). Dass ein Asylschiff ab November bei der Dreirosenbrücke ankern kann, hat nicht zuletzt mit einem Vorstoss der SVP zu tun: Die Regierung liess sich davon inspirieren.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 05.10.12

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