Der Streit zwischen den USA und Russland hat die Friedensverhandlungen in Genf blockiert. Auch die syrische Regierung und Opposition kommen nicht voran. Am 15. Februar brach der UNO-Gesandte Lakhdar Brahimi die Gespäche ohne geplante Fortsetzung ab.
Die syrischen Friedensverhandlungen, sind in der zweiten Runde, die am Montag in Genf begann, in eine Sackgasse geraten. Die Delegationen der syrischen Opposition und der Regierung konnten sich nicht auf eine Verhandlungsagenda einigen. Der Vermittler der Uno und der Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, hatte den beiden Seiten vier Hauptthemen für diese Runde vorgeschlagen: das Beenden der Kämpfe und die Bekämpfung von Terrorismus, die Bildung einer Übergangsregierung, das Festlegen der Beziehungen zwischen der Regierung und den Sicherheitsdiensten sowie den Beginn von Gesprächen über eine nationale Versöhnung.
Wie inzwischen bekannt wurde, brach der Brahimi die Gespräche am 15. Febuar ab, ohne Aussicht auf Fortsetzung.
Die Regierungsdelegation beharrte jedoch darauf, nur über die Bekämpfung von Terrorismus zu sprechen. Als Terroristen bezeichnet die Regierung in Damaskus alle Aufständischen, die Präsident Baschar al-Assad stürzen wollen. Brahimi bat die USA und Russland, auf die Konfliktparteien einzuwirken, um Kompromisse zu erzielen. Die beiden Grossmächte hatten die Friedensgespräche im Mai 2013 beschlossen. Nach einem Treffen mit der amerikanischen Vizeaussenministerin Wendy Sherman und dem russischen Vizeaussenminister Gennadi Gatilow sagte Brahimi am Donnerstagabend, die Vertreter der beiden Staaten «haben ihre Unterstützung für die Verhandlungen in Genf selbst, in ihren Hauptstädten und andernorts bekräftigt, um die Verhandlungen zu deblockieren». Ein endgültiges Scheitern der Verhandlungen wurde zunächst abgewendet und eine weitere Gesprächsrunde angekündigt, ein Datum steht aber noch nicht fest. Brahimi will sich auch am Samstagvormittag noch mit den syrischen Delegationen treffen. (siehe Aktualisierung im obenstehenden Link)
Lähmender Streit der Grossmächte
Es gab zwar diese Woche auch Zeichen einer Übereinstimmung der syrischen Konfliktparteien. So sagte Vizeaussenminister Faisal Mekdad am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters, die syrische Regierung sei bereit, über den Vorschlag der Opposition zu diskutieren, ausländische Kämpfer aus Syrien auszuweisen. Zuvor hatte die Oppositionsdelegation einen umfassenden Vorschlag für den politischen Übergangsprozess in Syrien vorgelegt, den Beobachter als ernsthaft und positiv bezeichneten. Der Vorschlag sieht unter anderem vor, dass die Übergangsregierung, die geschaffen werden soll, einen vollständigen Waffenstillstand unter Uno-Aufsicht überwachen und die Macht haben soll, ausländische Kämpfer beider Seiten aus dem Land zu schicken.
Lähmend wirkte sich aber auf die Konferenz der gegenwärtige Streit zwischen dem Westen und Russland im Uno-Sicherheitsrat über eine Resolution für die humanitäre Hilfe aus. Ein Entwurf Australiens, Luxemburgs und Jordaniens forderte alle Konfliktparteien im syrischen Bürgerkrieg zur Zurückhaltung auf, Helfer sollten ungehinderten Zugang zu Notleidenden haben und für den Fall einer Weigerung sollten Sanktionen verhängt werden. Russland lehnte den Entwurf ab, da er der Regierung Sanktionen androhe und legte zwei eigene Resolutionsentwürfe vor, einen zur humanitären Hilfe und einen zur Bekämpfung von Terrorismus.
Es kam zu einem verbalen Schlagabtausch zwischen Vertretern der USA und Russlands. US-Präsident Barack Obama kritisierte Russland am Dienstag scharf. Mit seiner Blockadehaltung im Uno-Sicherheitsrat sei Moskau ebenso wie Damaskus dafür verantwortlich, dass Zivilisten in Syrien verhungerten, sagte Obama in Washington vor den Medien. Der russische Aussenminister Sergej Lawrow warf den USA seinerseits vor, die Gespräche in Genf für einen Regierungswechsel in Syrien zu missbrauchen. Die USA wollten nur über eine Übergangsregierung verhandeln statt über «dringende Fragen wie den Terrorismus», sagte Laworw in Moskau. Das wiederum rief US-Aussenminister John Kerry auf den Plan. Aus Peking antwortete er, eine Einigung auf eine Übergangsregierung sei der alleinige Zweck der Genfer Gespräche.
Hilfsgüter für Homs
Das bisher einzige Ergebnis der Genfer Verhandlungen, die am 22. Januar begannen, ist die vorübergehende Gewährung eines Zugangs für Uno-Hilfsorganisationen in die seit 18 Monaten von Regierungstruppen belagerte Altstadt von Homs sowie die Evakuierung von bisher 1400 Menschen. Unter ihnen waren rund 400 Knaben und Männer im Alter von 15 bis 54 Jahren. Sie wurden von den Sicherheitsdiensten festgenommen und verhört. Die syrische Regierung betrachtet männliche Syrer in diesem Alter als potentielle Kämpfer und unterzieht sie einer Sicherheitsprüfung. Westliche Staaten, darunter die USA, Frankreich und Grossbritannien hatten am Donnerstag ihre Freilassung gefordert. «Es ist ein Skandal, dass das syrische Regime diese evakuierten Knaben und Männer festhält und verhört», erklärte der britische Aussenminister William Hague. «Wir brauchen dringend Antworten über ihr Schicksal. Sie müssen umgehend freigelassen werden.»Nach Einschätzung von Hague besteht die Gefahr, dass die Regierung die Evakierung von Zivilisten als Vorwand nutzt für noch schlimmere Angriffe gegen Homs als bisher. Umso mehr sei eine Resolution des Uno-Sicherheitsrats nötig, sagte Hague. Auch ein Vertreter einer Schweizer Organisation, die Hilfsgüter nach Syrien bringt, befürchtet, dass Regierungstruppen das Zentrum von Homs nach der Evakuierung aller Zivilisten zerstören werden.
Bereits andernorts wie in der Stadt Kussair habe das Regime zu dieser Art von politischer Säuberung gegriffen und die Einwohner vertrieben, sagte er. Kussair war im vergangenen Juni von Regierungssoldaten und Kämpfern der libanesischen Hisbollah-Miliz eingenommen worden.
Evakuierung von Homs unterbrochen
Trotz einer Verlängerung des Waffenstillstands unterbrach die Uno am Freitag in Homs die Evakuierung. Eine weitere Evakuierung werde erst erwogen, sobald die Fälle der festgehaltenen Knaben und Männer bearbeitet seien, sagte ein Uno-Vertreter vor Ort. Die Knaben und Männer würden in einer Schule in Homs festgehalten und befragt. Auch Uno-Personal sei in der Schule zugegen. Nach Angaben einer Sprecherin des Uno-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) in Genf, sind bis am Freitag 170 Knaben und Männer freigelassen worden. Das UNHCR habe ihre Namen aufgenommen und den Ort, wo sie hingehen wollten, könne aber längerfristig ihre Sicherheit nicht gewährleisten. Nach internationalem Recht ist die Regierung für ihren Schutz verantwortlich.
Die Uno-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos erinnerte unterdessen den Sicherheitsrat in New York daran, dass in Syrien noch 250’000 Menschen in belagerten Vierteln oder Städten festsitzen. Während die syrische Regierung in Genf auf Zeit spielte, versuchte sie in Syrien militärisches Terrain zu gewinnen: Die Uno warnte am Freitag vor einer neuen Flüchtlingswelle nach Libanon. Es gebe Anzeichen, dass die Armee eine Grossoffensive auf die Stadt Jabrud vorbereite, die zwischen Damaskus und Homs liegt, sagte ein Uno-Sprecher in Genf. 600 Familien sind bereits aus der 50’000-Einwohner-Stadt nach Libanon geflüchtet.