Die Frau, die den Freisinn aus der Versenkung führte

Die Baselbieter FDP ist die klare Gewinnerin der Baselbieter Wahlen. Dabei drohte die Partei noch vor Kurzem zu einer Randerscheinung im Politbetrieb zu werden. An der Spitze dieser neuen freisinnigen Kraft steht Christine Frey.

Die FDP ist die Siegerin der Baselbieter Wahlen und sie ist verantwortlich: Christine Frey, Parteipräsidentin.

(Bild: Hans-Joerg Walter)

Die Baselbieter FDP ist die klare Gewinnerin der Baselbieter Wahlen. Dabei drohte die Partei noch vor Kurzem zu einer Randerscheinung im Politbetrieb zu werden. An der Spitze dieser neuen freisinnigen Kraft steht Christine Frey.

«Das ist super, das ist wahnsinnig!» Ihre aufgeregten Rufe schallten durch das Treppenhaus des Regierungsgebäudes, obwohl sie sich in den dritten Stock zurückgezogen hatte, ins Halbdunkel einer ruhigen Ecke abseits von Kameras, Journalisten, Politikern. «Diese Erfolgsstrasse ist eine Autobahn! So geil!»

Christine Frey wurde am Sonntag selbst überrascht, als die Baselbieter Freisinnigen über alle Zielmarken schoss: Plötzlich waren zwei Regierungsrätinnen jener Partei gewählt, die sie präsidiert, und im Landrat gewannen die Freisinnigen drei Sitze dazu. Klar, die SVP gewann noch einen Sitz mehr. Aber hey, wer hätte gedacht, dass die einst so stolze und in jüngerer Vergangenheit oft so stille FDP noch einmal dermassen in die Gänge kommt?

Und jetzt war sie da also, diese Erfolgsstrasse, die zur Autobahn wurde: «So geil!» Die Erfolgsstrasse, die die FDP so lange suchte und zu der sie nun über verschlungene Waldwege, holprige Irrfahrten und schlecht gepflasterte Quartiersträsschen gelangt ist. 

Die grosse Zeit der alten Herren

Es war noch vor wenigen Legislaturen, da war man wer, wenn man bei der FDP war. Ein angesehener Geschäftsmann lokaler Prägung etwa. Oder ein Jurist in einer Spitzenposition. Meist auch schon wohlgedient in der Armee, mit einem Stabsposten versehen, Offiziere die meisten. Auch Dorfkönige waren dabei, und mit der Wirtschaftskammer bediente die Partei den weitreichenden Arm aller bürgerlichen Netzwerke. Kurz: Die Partei genoss Respekt.

«Diese Erfolgsstrasse ist eine Autobahn!»

Spätestens Ende der Nuller-Jahre war damit Schluss. Die Parteispitze dünnte aus, der Nachwuchs fehlte: Zu viele alte Herren hatten zu lange dominiert. Die letzten Giganten jener Zeit verschwanden erst vor zwei Jahren von der Bildfläche: Wirtschaftskammerdirektor Hans Rudolf Gysin, er war ein Urgestein der Partei, trat 2012 mit 72 Jahren von diesem Posten und ein Jahr zuvor als Nationalrat zurück. Finanzdirektor Adrian Ballmer, Kassenwart des Baselbiets während 13 Jahren, beendete die Karriere 2013 mit 66 Jahren. 

Erst einmal belächelt

In der Zwischenzeit spaltete sich die Partei selbst: Mit regelmässigem vehementem Aufbäumen der alten Garde, wie in der Abstimmung um die Theatersubventionen anno 2010. Vorväter und Mentoren heutiger Politiker wie alt Regierungsrat Andreas Koellreuter lehnten sich auf gegen den Entscheid der Parteileitung, die Subventionen zu streichen. Der damalige Parteipräsident Michael Herrmann, der das Amt 2008 vom damals 67-jährigen Peter Tobler übernahm, wurde zerrieben. 2012 gab der damals 39-jährige Landrat aus Gelterkinden den Posten wieder ab.

Dann kam Christine Frey, damals noch Christine Pezzetta, Jahrgang 1967, wohnhaft in Münchenstein, ehemalige Sekretärin und Direktionsassistentin, zwei Kinder, geschieden.

Frey übernahm Anfang 2013 eine Partei, die sich aufgerieben hatte und am Tiefpunkt ihrer langen und einst glanzvollen Geschichte angelangt war. Nach weiteren Verlusten bei den Kantonalwahlen hatte die Fraktion nur noch 14 Mitglieder, lag damit weit abgeschlagen hinter SVP und SP. Mancherorts wurde die Partei belächelt: Als unentschlossene Gruppe Liberaler, die sich nicht recht von der SVP abgrenzen mochte, deren wirtschaftsliberale Positionen in einer aufgeladenen und polarisierten Politlandschaft untergingen.

Vielleicht war es die Überzeugung, mit der sie sich des Amtes annahm. Vielleicht waren es die lange überfälligen Wechsel in der Parteileitung und das noch länger überfällige Verstummen der alten Garde. Vielleicht war es alles zusammen. Die zierliche Frau mit dem bestimmten Blick jedenfalls setzte sich durch.

Frey durfte machen – und tat es auch

Als sie Sabine Pegoraro als Regierungskandidatin nicht einfach per Akklamation vorgesetzt bekommen wollte, liess das bereits aufhorchen: Was will diese Frau? Wie lange geht es, bis die Altvorderen sich zu Wort melden? Aber nichts da: Frey durfte machen. Und wurde am Sonntag belohnt: Mit einem beachtlichen Sitzgewinn für die angeschlagene Partei im Parlament, mit einer zweiten Regierungsrätin. Womit ihre Partei auch gleich die SP aus der Regierung warf.

«Das ist super! Das ist wahnsinnig!»

Zugute kam der Partei auch, dass der neue Wirtschaftskammer-Boss Christoph Buser, Nachfolger von Hans Rudolf Gysin, die Wahlkampfmaschine des Gewerbes zwischenzeitlich auf Hochleistung trimmte. Das angegliederte «Institut für Wirtschaftsförderung» ist eines der mächtigsten Instrumente in der Baselbieter Politik, ein Kompetenzzentrum fürs Networking. Buser füllt die Rolle als Wirtschaftskammerdirektor aus; im Gegensatz zu seinem Vorgänger nennt ihn allerdings noch niemand den «sechsten Baselbieter Regierungsrat». 

Buser sagt: «Der Erfolg ist vor allem ein Verdienst von Frey.» Sie habe es geschafft, die Partei zu einen. Tatsächlich: Ausreisser wie der Landrat Patrick Schäfli haben die Partei verlassen oder sind verstummt.

Nun ist die Baselbieter FDP also wieder auf eine Strasse eingebogen, deren Richtung tatsächlich zu stimmen scheint; nichts mehr mit verschlungenen Wegen, zumindest nicht unmittelbar nach dem Wahlsonntag, an dem Christine Frey im obersten Stock des Regierungsgebäudes, im Halbschatten, ihren Jubel ins Telefon jauchzte.

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