Am Sonntag stimmen die Serben in Bosnien-Herzegowina über einen eigenen Nationalfeiertag ab. Aber eigentlich geht es um mehr: Der Boden wird bereitet für die kommenden Wahlen und das langfristige Ziel – die Abspaltung vom Gesamtstaat. Rückendeckung gibts aus Russland.
Am Sonntag findet im serbischen Landesteil Bosnien-Herzegowinas ein Referendum über den sogenannten «Tag der Republik» statt. Die Republika Srpska ist ein Staat im Staate, der am 9. Januar 1992 ausgerufen wurde und mit der Unterzeichnung des Friedensvertrags von Dayton am 14. Dezember 1995 in seinen heutigen Grenzen anerkannt wurde.
Über 80 Prozent der Einwohner der Teilrepublik sind bosnische Serben, von denen die meisten an ihrem Feiertag hängen. Die klare serbische Bevölkerungsmehrheit in der Republika Srpska ist Ergebnis von Vertreibungen und Massakern während des Bosnienkriegs.
Das ist einer der Gründe warum das Verfassungsgericht in Sarajevo den Feiertag verboten hat. Dieser diskriminiere laut Auffassung der Richter nämlich die Bosniaken und die kroatischen Bosnier in der Republika Srpska. Dieses Urteil wurde bereits am 9. Januar dieses Jahres ignoriert, der Festtag trotzdem begangen in Banja Luka, der Hauptstadt der Republika Srpska.
Der Südosteuropaexperte Florian Bieber sagt: «Das Ergebnis ist natürlich schon klar. Durch das Referendum wird das problematische Bild vermittelt, alles was die Mehrheit wolle, sei auch demokratisch.» Die Mehrheit der bosnischen Serben wird sich für den Feiertag aussprechen. Sie werfen Bakir Izetbegović, dem damaligen Präsidenten der bosniakisch-nationalistischen Partei SDA, vor, er habe den Streit ausgelöst, indem er 2013 das Verfassungsgericht dazu aufforderte, sich mit dem Feiertag zu befassen.
Zusammensetzung des Verfassungsgerichts
Das bosnische Verfassungsgericht besteht aus neun Richtern. Jeweils zwei Bosniaken, Serben und Kroaten. Zudem gehören drei internationale Richter dem Gremium an. Wenn sich eine Gruppe mit den internationalen Richtern verständigt, kommt es bereits zu einer Mehrheit. Deswegen fühlen sich die bosnischen Serben zu Unrecht überstimmt und pochen auf ihr Recht den «Tag der Republik» abzuhalten.
Ausserdem bestehen Ängste, dass die bosnischen Serben fremdbestimmt würden, sollte sich der Teilstaat stärker in den Gesamtstaat Bosnien-Herzegowina integrieren. Aus einer kürzlich veröffentlichten Volkszählung geht hervor, dass die Bosniaken über 50 Prozent der Bevölkerung stellen, während die Serben noch 30,8 Prozent ausmachen. Die dritte konstitutive Gruppe, die Kroaten, machen 15,4 Prozent der Bevölkerung aus.
Die Kritik an der Zusammensetzung des Verfassungsgerichts weist Florian Bieber zurück: «Im bosnischen Kontext ist diese Praxis verständlich. Die Richter der konstitutiven Volksgruppen werden politisch nominiert und fungieren mehr als Interessenvertreter, denn als unabhängige Richter. Solange sich daran nichts ändert, sind die internationalen Richter essentiell.»
Das Referendum ist die Umsetzung einer Drohung, die der Präsident der Republika Srpska Milorad Dodik seit 2006 wiederholt und nun wahrmacht. Er droht regelmässig mit der Abspaltung des serbischen Landesteils von Bosnien-Herzegowina. Nun will er sich durch Volkes Stimme Legitimation gegen die Entscheidung des gesamtstaatlichen Verfassungsgerichts holen. Experte Biber sagt: «Dodik lässt das Referendum abhalten, weil der Druck aus der internationalen Gemeinschaft zurückhaltend ist und er sich innenpolitischen Rückenwind für die Lokalwahlen am 2. Oktober holen will.»
Wenn in Bosnien-Herzegowina Wahlen bevorstehen, dann wird gerne die Kriegsrhetorik der 1990er-Jahre aus der Schublade geholt. Die Medien in Sarajevo, Banja Luka und Belgrad spekulieren bereits über Vorbereitungen für einen neuen Krieg.
Von dieser Rhetorik profitieren auf allen Seiten ethnonationalistische Parteien, die das Land spalten, um ihre eigene Macht zu sichern. Milorad Dodiks Partei SSND befand sich eine Zeit lang im Umfragetief, darf aber dank des Referendums auf bessere Ergebnisse hoffen. Dabei ist es in Bosnien-Herzegowina nicht vorgesehen, dass die Entscheidung des Verfassungsgerichts durch ein Referendum ausgehebelt werden kann.
Rückendeckung aus Moskau
Der wichtigste Verbündete von Milorad Dodik sitzt im Kreml. Am Donnerstag trafen sich Wladimir Putin und der Srpska-Präsident um Gespräche über die Beziehungen zwischen der russischen Föderation und der Republika Srpska zu führen. Der russische Präsident unterstützt die Bestrebungen der Republika Srpska nach mehr Eigenständigkeit. Im Gegenzug unterstützte Dodik 2014 das sogenannte Krim-Referendum, welches die Annexion der Halbinsel durch die russische Föderation im Nachhinein rechtfertigen sollte.
Bei einem Interview mit «Sputnik» betonte der Präsident der Republika Srpska, die Russen hätten sich immer an das Völkerrecht gehalten. Kritische Nachfragen über den Einmarsch in der Ukraine und die Bombardierung syrischer Zivilisten kamen bei dem russischen Staatsmedium nicht auf. Darüber hinaus sei der Fortbestand der Republika Srpska wichtig, weil Bosnien-Herzegowina sonst womöglich Sanktionen gegen Russland verabschiedet hätte, sagt Dodik.
Zudem drohte Dodik offen mit der Abspaltung der Republika Srpska. Er weiss: Er kann auf Moskau zählen. Wladimir Putin ist einer der wenigen verbliebenen Verbündeten von Milorad Dodik, seitdem selbst die Beziehungen zu Serbien immer schwieriger geworden sind.
Druck auf serbische Regierung
Denn das Referendum bringt auch die regierende Fortschrittspartei (SNS) in Serbien unter Druck. Serbien soll, geht es nach Premierminister Aleksandar Vučić, bis 2019 Mitglied der Europäischen Union werden. Der Westen erwartet von Vučić allerdings die territoriale Integrität Bosnien-Herzegowinas nicht in Frage zu stellen. Die Serben in Bosnien-Herzegowina wiederum erwarten, dass sich der serbische Premier auf ihre Seite stellt.
Das Produkt dieser verschiedenen Anforderungen ist ein politischer Zick-Zack-Kurs. Vučić lehnt das Referendum offiziell ab, stellt sich aber hinter den «Tag der Republik». Alltag auf dem Balkan.